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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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auf freieres Gemeindewesen, auf Oeffentlichkeit und dergleichen antifeudale Zu¬
stände antragen? Es muß also doch nicht das bloße Hirngespinnst einiger in's
"Ausland" geflüchteten Literaten sein, die von der Morschheit unserer Zustände,
von der Gefahr, die Oesterreich bedroht, sprechen. Es muß also in der That ein neues
System, ein frischeres, der Zeit angemesseneres Verfahren nothwendig sein. Man
erzählt sich hier, daß der König vo" Preußen vor Kurzem gegen sein Ministerium
sich beklagt habe, daß man ihn bisher in dem Glauben erhielt, es sei blos die
schlechte Presse, welche gegen die Bureaukratie zu Felde ziehe, während die Mehr¬
heit auf dem Landtage in beiden Curien beweise, daß mehr als die Hälfte der
Nation in dieser Kritik des Regicrungsprinzips einstimme. Bei uns in Oester¬
reich kann das erlauchte Kaiserhaus zu dieser Ueberzeugung noch nicht kommen,
denn wir haben keine schlechte Presse, sondern blos eine elende, wir haben keinen
Landtag, sondern blos landständische Privatversammlungcn, wir haben keine Or¬
gane, durch welche der Monarch die Stimme seiner Völker hört (mit Ausnahme
etwa Ungarns, das eine ganz exzeptionelle Stelle hat.) Wie können wir die
Wünsche deo Nation an den Stufen des Thrones niederlegen? Diese Frage wird
die erste sein, mit welcher die Krone sich beschäftigen muß, sobald sie sich überhaupt
überzeugt haben wird, daß diese Stimme zu hören ein nothwendiges Gesetz der
Selbsterhaltung ist, und deshalb ist die Wirksamkeit der Stände, auch ohne Ein¬
wirkung auf die Legislation. und trotz aller mittelalterlichen, einseitigen, unzu¬
reichenden Elemente, aus denen sie bestehen, hoch zu bewillkommnen.

Ein kleiner charakteristischer Zug über den neuen Geist unserer ständischen
Corporation ist folgender. Letzthin bei dem Begräbnis; des Erzherzogs Karl ver¬
sammelten sich die verschiedenen Staatskörper in der Burg in großer Galla, um
der Leiche zu folgen. Jeder Corporation war ein besonderer Platz angewiesen.
Der erste Platz nächst der kaiserlichen Familie war den Ministern und geheimen
Räthen, der zweite der Generalität, der dritte den Landständen und dein Magistrat
u. f. w. angewiesen. Als nun die österreichischen Landstände unter ihrem Präses
dem Grafen Mvntecucnli in den Saal traten und der im voraus bestimmte Platz
ihnen angewiesen wurde, antwortete Gras Montecnculi: "die Landstände sind die
nächsten Beiräthe der Krone und sie nehmen daher auch den ihnen gebührenden
Platz ,in Anspruch;" und mit diesen Worten schritt er gefolgt von den Laiidständen
vorwärts und stellte sich in die Mitte der geheimen Räthe -- die bekanntlich
bei uns ganz was anders zu bedeuten haben, als in Preußen, wo dies ein leerer
Titel ist. Es ist vielleicht kleinlich, einen solchen Zug zu erzählen, aber -- er
S. charakterisirt.




Wiederholt bitten wir unsere Herren Korrespondenten (mit
Ausnahme jener, denen wir besondere Adressen angaben) Briefe und Packete
unter der Adresse des Redacteurs oder der Verlagshandlung nach Leipzig
zu adressiren.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. -- Redacteur- I. Kuronda.
Druck von Friedrich Andrä.

auf freieres Gemeindewesen, auf Oeffentlichkeit und dergleichen antifeudale Zu¬
stände antragen? Es muß also doch nicht das bloße Hirngespinnst einiger in's
„Ausland" geflüchteten Literaten sein, die von der Morschheit unserer Zustände,
von der Gefahr, die Oesterreich bedroht, sprechen. Es muß also in der That ein neues
System, ein frischeres, der Zeit angemesseneres Verfahren nothwendig sein. Man
erzählt sich hier, daß der König vo» Preußen vor Kurzem gegen sein Ministerium
sich beklagt habe, daß man ihn bisher in dem Glauben erhielt, es sei blos die
schlechte Presse, welche gegen die Bureaukratie zu Felde ziehe, während die Mehr¬
heit auf dem Landtage in beiden Curien beweise, daß mehr als die Hälfte der
Nation in dieser Kritik des Regicrungsprinzips einstimme. Bei uns in Oester¬
reich kann das erlauchte Kaiserhaus zu dieser Ueberzeugung noch nicht kommen,
denn wir haben keine schlechte Presse, sondern blos eine elende, wir haben keinen
Landtag, sondern blos landständische Privatversammlungcn, wir haben keine Or¬
gane, durch welche der Monarch die Stimme seiner Völker hört (mit Ausnahme
etwa Ungarns, das eine ganz exzeptionelle Stelle hat.) Wie können wir die
Wünsche deo Nation an den Stufen des Thrones niederlegen? Diese Frage wird
die erste sein, mit welcher die Krone sich beschäftigen muß, sobald sie sich überhaupt
überzeugt haben wird, daß diese Stimme zu hören ein nothwendiges Gesetz der
Selbsterhaltung ist, und deshalb ist die Wirksamkeit der Stände, auch ohne Ein¬
wirkung auf die Legislation. und trotz aller mittelalterlichen, einseitigen, unzu¬
reichenden Elemente, aus denen sie bestehen, hoch zu bewillkommnen.

Ein kleiner charakteristischer Zug über den neuen Geist unserer ständischen
Corporation ist folgender. Letzthin bei dem Begräbnis; des Erzherzogs Karl ver¬
sammelten sich die verschiedenen Staatskörper in der Burg in großer Galla, um
der Leiche zu folgen. Jeder Corporation war ein besonderer Platz angewiesen.
Der erste Platz nächst der kaiserlichen Familie war den Ministern und geheimen
Räthen, der zweite der Generalität, der dritte den Landständen und dein Magistrat
u. f. w. angewiesen. Als nun die österreichischen Landstände unter ihrem Präses
dem Grafen Mvntecucnli in den Saal traten und der im voraus bestimmte Platz
ihnen angewiesen wurde, antwortete Gras Montecnculi: „die Landstände sind die
nächsten Beiräthe der Krone und sie nehmen daher auch den ihnen gebührenden
Platz ,in Anspruch;" und mit diesen Worten schritt er gefolgt von den Laiidständen
vorwärts und stellte sich in die Mitte der geheimen Räthe — die bekanntlich
bei uns ganz was anders zu bedeuten haben, als in Preußen, wo dies ein leerer
Titel ist. Es ist vielleicht kleinlich, einen solchen Zug zu erzählen, aber — er
S. charakterisirt.




Wiederholt bitten wir unsere Herren Korrespondenten (mit
Ausnahme jener, denen wir besondere Adressen angaben) Briefe und Packete
unter der Adresse des Redacteurs oder der Verlagshandlung nach Leipzig
zu adressiren.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur- I. Kuronda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0596] auf freieres Gemeindewesen, auf Oeffentlichkeit und dergleichen antifeudale Zu¬ stände antragen? Es muß also doch nicht das bloße Hirngespinnst einiger in's „Ausland" geflüchteten Literaten sein, die von der Morschheit unserer Zustände, von der Gefahr, die Oesterreich bedroht, sprechen. Es muß also in der That ein neues System, ein frischeres, der Zeit angemesseneres Verfahren nothwendig sein. Man erzählt sich hier, daß der König vo» Preußen vor Kurzem gegen sein Ministerium sich beklagt habe, daß man ihn bisher in dem Glauben erhielt, es sei blos die schlechte Presse, welche gegen die Bureaukratie zu Felde ziehe, während die Mehr¬ heit auf dem Landtage in beiden Curien beweise, daß mehr als die Hälfte der Nation in dieser Kritik des Regicrungsprinzips einstimme. Bei uns in Oester¬ reich kann das erlauchte Kaiserhaus zu dieser Ueberzeugung noch nicht kommen, denn wir haben keine schlechte Presse, sondern blos eine elende, wir haben keinen Landtag, sondern blos landständische Privatversammlungcn, wir haben keine Or¬ gane, durch welche der Monarch die Stimme seiner Völker hört (mit Ausnahme etwa Ungarns, das eine ganz exzeptionelle Stelle hat.) Wie können wir die Wünsche deo Nation an den Stufen des Thrones niederlegen? Diese Frage wird die erste sein, mit welcher die Krone sich beschäftigen muß, sobald sie sich überhaupt überzeugt haben wird, daß diese Stimme zu hören ein nothwendiges Gesetz der Selbsterhaltung ist, und deshalb ist die Wirksamkeit der Stände, auch ohne Ein¬ wirkung auf die Legislation. und trotz aller mittelalterlichen, einseitigen, unzu¬ reichenden Elemente, aus denen sie bestehen, hoch zu bewillkommnen. Ein kleiner charakteristischer Zug über den neuen Geist unserer ständischen Corporation ist folgender. Letzthin bei dem Begräbnis; des Erzherzogs Karl ver¬ sammelten sich die verschiedenen Staatskörper in der Burg in großer Galla, um der Leiche zu folgen. Jeder Corporation war ein besonderer Platz angewiesen. Der erste Platz nächst der kaiserlichen Familie war den Ministern und geheimen Räthen, der zweite der Generalität, der dritte den Landständen und dein Magistrat u. f. w. angewiesen. Als nun die österreichischen Landstände unter ihrem Präses dem Grafen Mvntecucnli in den Saal traten und der im voraus bestimmte Platz ihnen angewiesen wurde, antwortete Gras Montecnculi: „die Landstände sind die nächsten Beiräthe der Krone und sie nehmen daher auch den ihnen gebührenden Platz ,in Anspruch;" und mit diesen Worten schritt er gefolgt von den Laiidständen vorwärts und stellte sich in die Mitte der geheimen Räthe — die bekanntlich bei uns ganz was anders zu bedeuten haben, als in Preußen, wo dies ein leerer Titel ist. Es ist vielleicht kleinlich, einen solchen Zug zu erzählen, aber — er S. charakterisirt. [Abbildung] Wiederholt bitten wir unsere Herren Korrespondenten (mit Ausnahme jener, denen wir besondere Adressen angaben) Briefe und Packete unter der Adresse des Redacteurs oder der Verlagshandlung nach Leipzig zu adressiren. Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur- I. Kuronda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/596>, abgerufen am 01.07.2024.