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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Spital-Memoiren aus Wien ).

Im Jahre 1782 erschien in Wien eine kleine aber gewichtige Schrift:
"Gedanken über einige dem Publikum sehr nützliche Verbesserungen in Wien,"
welche besonders die Gebrechen der Wiener Krankenhäuser und die daselbst
eingeschlichenen Mißbräuche an's Licht stellte. Joseph II. benutzte die Schrift
mit der begeisternden Menschenfreundlichkeit, die sein erhabenes Herz zu ei¬
nem unerschöpflichen Born des Volkswohls machte. Darauf gründete der
Kaiser das allgemeine Krankenhaus in Wien und traf alle Vorkehrungen,
daß dieses nach seiner Anlage so gigantische als segenbringende Institut seine
heilige Bestimmung erfülle, den hilflos Leidenden wo nicht stets die mög¬
liche Rettung, so doch Linderung ihrer Qualen zu gewähren. Mit des
großen Kaisers Tode dehnte sich mit der immer größern Anschwellung der
Bevölkerung Wiens diese Anstalt noch mehr aus. Nach der großen Anzahl
ihrer Kranken, wie nach der Ausdehnung ihrer Räumlichkeiten, hat sie schon
längst das Ansehen und die unermeßliche Wichtigkeit einer von Kranken be¬
wohnten Stadt erhalten. -- Obgleich Joseph's Nachfolger keine Umsicht,
keine Kosten sparten, damit diese Anstalt ihre für die Humanität und den
Staat gleich wichtige Bestimmung vollkommen erfülle, so haben sich doch,
da die Lichtperiode der josephinischen Preßfreiheit mit ihrem großen Spender
eingesargt wurde, uuter dem siebenfachen Siegel des gebotenen Schweigens,
auch in diesem Institute gefährliche Mißbräuche und Gebrechen eingeschlichen,
von welchen wir vor allem im Interesse der Humanität, dann aber anch im
Interesse der Negierung, die für diese Anstalt mit regem Eifer zu sorgen
strebt, die dichten, gefährlichen Schleier ziehen wollen. Zu dieser Enthül-,
lung drängt uns die heilige Pflicht, so viel als möglich zur Linderung von



*) Die nachfolgenden Mittheilungen scheinen uns um so geeigneter für ein größeres
Publikum, als die darin gerügten Mißstände gewiß auch in vielen andern großen Spi¬
tälern heimisch sind und es ein Mal Zeit, auf diesen Punkt die öffentliche Aufmerksam¬
keit zu lenken, zumal da hier viel leichter abzuhelfen ist, als bei andern Krankheits-
D. Red. zuständen unserer Gesellschaft.
Gr-nMe". it. 1"47. 72
Spital-Memoiren aus Wien ).

Im Jahre 1782 erschien in Wien eine kleine aber gewichtige Schrift:
„Gedanken über einige dem Publikum sehr nützliche Verbesserungen in Wien,"
welche besonders die Gebrechen der Wiener Krankenhäuser und die daselbst
eingeschlichenen Mißbräuche an's Licht stellte. Joseph II. benutzte die Schrift
mit der begeisternden Menschenfreundlichkeit, die sein erhabenes Herz zu ei¬
nem unerschöpflichen Born des Volkswohls machte. Darauf gründete der
Kaiser das allgemeine Krankenhaus in Wien und traf alle Vorkehrungen,
daß dieses nach seiner Anlage so gigantische als segenbringende Institut seine
heilige Bestimmung erfülle, den hilflos Leidenden wo nicht stets die mög¬
liche Rettung, so doch Linderung ihrer Qualen zu gewähren. Mit des
großen Kaisers Tode dehnte sich mit der immer größern Anschwellung der
Bevölkerung Wiens diese Anstalt noch mehr aus. Nach der großen Anzahl
ihrer Kranken, wie nach der Ausdehnung ihrer Räumlichkeiten, hat sie schon
längst das Ansehen und die unermeßliche Wichtigkeit einer von Kranken be¬
wohnten Stadt erhalten. — Obgleich Joseph's Nachfolger keine Umsicht,
keine Kosten sparten, damit diese Anstalt ihre für die Humanität und den
Staat gleich wichtige Bestimmung vollkommen erfülle, so haben sich doch,
da die Lichtperiode der josephinischen Preßfreiheit mit ihrem großen Spender
eingesargt wurde, uuter dem siebenfachen Siegel des gebotenen Schweigens,
auch in diesem Institute gefährliche Mißbräuche und Gebrechen eingeschlichen,
von welchen wir vor allem im Interesse der Humanität, dann aber anch im
Interesse der Negierung, die für diese Anstalt mit regem Eifer zu sorgen
strebt, die dichten, gefährlichen Schleier ziehen wollen. Zu dieser Enthül-,
lung drängt uns die heilige Pflicht, so viel als möglich zur Linderung von



*) Die nachfolgenden Mittheilungen scheinen uns um so geeigneter für ein größeres
Publikum, als die darin gerügten Mißstände gewiß auch in vielen andern großen Spi¬
tälern heimisch sind und es ein Mal Zeit, auf diesen Punkt die öffentliche Aufmerksam¬
keit zu lenken, zumal da hier viel leichter abzuhelfen ist, als bei andern Krankheits-
D. Red. zuständen unserer Gesellschaft.
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[0557] Spital-Memoiren aus Wien ). Im Jahre 1782 erschien in Wien eine kleine aber gewichtige Schrift: „Gedanken über einige dem Publikum sehr nützliche Verbesserungen in Wien," welche besonders die Gebrechen der Wiener Krankenhäuser und die daselbst eingeschlichenen Mißbräuche an's Licht stellte. Joseph II. benutzte die Schrift mit der begeisternden Menschenfreundlichkeit, die sein erhabenes Herz zu ei¬ nem unerschöpflichen Born des Volkswohls machte. Darauf gründete der Kaiser das allgemeine Krankenhaus in Wien und traf alle Vorkehrungen, daß dieses nach seiner Anlage so gigantische als segenbringende Institut seine heilige Bestimmung erfülle, den hilflos Leidenden wo nicht stets die mög¬ liche Rettung, so doch Linderung ihrer Qualen zu gewähren. Mit des großen Kaisers Tode dehnte sich mit der immer größern Anschwellung der Bevölkerung Wiens diese Anstalt noch mehr aus. Nach der großen Anzahl ihrer Kranken, wie nach der Ausdehnung ihrer Räumlichkeiten, hat sie schon längst das Ansehen und die unermeßliche Wichtigkeit einer von Kranken be¬ wohnten Stadt erhalten. — Obgleich Joseph's Nachfolger keine Umsicht, keine Kosten sparten, damit diese Anstalt ihre für die Humanität und den Staat gleich wichtige Bestimmung vollkommen erfülle, so haben sich doch, da die Lichtperiode der josephinischen Preßfreiheit mit ihrem großen Spender eingesargt wurde, uuter dem siebenfachen Siegel des gebotenen Schweigens, auch in diesem Institute gefährliche Mißbräuche und Gebrechen eingeschlichen, von welchen wir vor allem im Interesse der Humanität, dann aber anch im Interesse der Negierung, die für diese Anstalt mit regem Eifer zu sorgen strebt, die dichten, gefährlichen Schleier ziehen wollen. Zu dieser Enthül-, lung drängt uns die heilige Pflicht, so viel als möglich zur Linderung von *) Die nachfolgenden Mittheilungen scheinen uns um so geeigneter für ein größeres Publikum, als die darin gerügten Mißstände gewiß auch in vielen andern großen Spi¬ tälern heimisch sind und es ein Mal Zeit, auf diesen Punkt die öffentliche Aufmerksam¬ keit zu lenken, zumal da hier viel leichter abzuhelfen ist, als bei andern Krankheits- D. Red. zuständen unserer Gesellschaft. Gr-nMe». it. 1»47. 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/557>, abgerufen am 22.07.2024.