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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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girr des Tumultes sich über die Art und Weise, wie er anzustellen, besprochen
und nachher, als die Kavallerie auf die dichtgedrängte Masse einHieb, aus natür¬
lichem Instinkt sich durch vorgeworfene Wagen, die grade zur Stelle waren, zu
schützen gesucht; dies ist die ganze künstliche Anlage und Leitung, wovon man so
viel gefabelt. Der "Rheinische Beobachter" freilich, der sich auch von hier wie
von überall Bären aufbinden läßt, enthielt zwar eine Korrespondenz a la Münch-
hausen, worin sehr viel por großer kommunistischer Verschwörung elegant geklei¬
deten Männern mit Masken vor den Gesichtern, unter den Tumultuanten und
einer gefundenen abgehauenen Hand mit einem goldenen Siegelring u. f. in.
stand, ist aber, wie es diesem Klatschblatt oft zu geschehen pflegt, hier tüchtig aus¬
gelacht und verspottet worden. Trotzdem, daß seit jenem Abend auch nicht die
mindeste Ruhestörung vorgekommen, oder auch nur zu befürchten ist, dauern die
außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln denn doch noch immer fort. Posten von
Infanterie stehen an vielen Orten, wo sie sonst fehlten, und Cavallerie-
Patrouillcn durchreiten des Abends alle Straßen. Wenn nun auch dies
Niemanden stört, so ist dies doch nicht mit Schließung aller öffentlichen
Lokale schon um to Uhr der Fall, die jetzt auch noch ausnahmsweise statt¬
findet. Grade im Sommer, wo die späten Abende so schön sind, ist dies
doppelt lästig, und man kommt jetzt leicht in Gefahr, bei der Rückkehr von
einem Spaziergang oder aus dem Theater, wenn dasselbe gar bisweilen bis ge¬
gen drei Viertel zehn Uhr dauert, hungrig und durstig zu Bett gehen zu müssen,
denn mit dem Schlage zehn Uhr wird man unerbittlich ans jedem öffentlichen
Lokale hinausgetrieben.

Uebrigens ist es uns doppelt schmerzlich, daß grade in Würtemberg, einem
in vieler Beziehung am mildesten und gerechtesten regierten Staaten Deutschlands,
solche Tumulte vorfallen mußten und man sogar sich nicht scheute, das Herz eines
wahrhaft edeln Monarchen zu betrüben Möge daher die wirklich Schuldigen die
Straft des Gesetzes treffen, Unschuldige aber nicht durch lächerlichen Argwohn und
Vcrfolguugspcst geplagt werden.

Das hiesige Theater entfaltete in letzter Zeit viel Regsamkeit, und Baron
Gall beginnt allmälig in der Gunst des Publikums, die ihm anfänglich sehr
spärlich zu Theil ward, zu steigen. Unter den vielen Gästen aller Art, die in
letzter Zeit hier auftraten, machte Frl. Bayer aus Dresden in ungewöhnlicher
Weise Furore, und es ist nur Eine Stimme über den innern Gehalt und die
äußere Grazie dieser ächt deutschen Künstlerin, die man mit um so größern Opfern
hier engagiren möchte, als grade ihr Fach ungenügend besetzt ist, nachdem Fräu¬
lein von Stubenrauch, die in diesem Nollenkreis noch immer vermißt wird, sich
ganz von der Bühne zurückgezogen hat. Sonst gastirten noch mit vielem Beifall
(so daß sie in Folge dessen auch engagirt worden): der Bassist Lehr aus Ham¬
burg und die Soubrette Mad. Goltermaun ans Schwerin. Letztere in Spiel,
Gesang und äußerer Erscheinung mit Recht zu loben; die übrigen Gäste waren
unbedeutender, ausgenommen etwa noch Herr Ncer aus Coburg.


I-s.

girr des Tumultes sich über die Art und Weise, wie er anzustellen, besprochen
und nachher, als die Kavallerie auf die dichtgedrängte Masse einHieb, aus natür¬
lichem Instinkt sich durch vorgeworfene Wagen, die grade zur Stelle waren, zu
schützen gesucht; dies ist die ganze künstliche Anlage und Leitung, wovon man so
viel gefabelt. Der „Rheinische Beobachter" freilich, der sich auch von hier wie
von überall Bären aufbinden läßt, enthielt zwar eine Korrespondenz a la Münch-
hausen, worin sehr viel por großer kommunistischer Verschwörung elegant geklei¬
deten Männern mit Masken vor den Gesichtern, unter den Tumultuanten und
einer gefundenen abgehauenen Hand mit einem goldenen Siegelring u. f. in.
stand, ist aber, wie es diesem Klatschblatt oft zu geschehen pflegt, hier tüchtig aus¬
gelacht und verspottet worden. Trotzdem, daß seit jenem Abend auch nicht die
mindeste Ruhestörung vorgekommen, oder auch nur zu befürchten ist, dauern die
außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln denn doch noch immer fort. Posten von
Infanterie stehen an vielen Orten, wo sie sonst fehlten, und Cavallerie-
Patrouillcn durchreiten des Abends alle Straßen. Wenn nun auch dies
Niemanden stört, so ist dies doch nicht mit Schließung aller öffentlichen
Lokale schon um to Uhr der Fall, die jetzt auch noch ausnahmsweise statt¬
findet. Grade im Sommer, wo die späten Abende so schön sind, ist dies
doppelt lästig, und man kommt jetzt leicht in Gefahr, bei der Rückkehr von
einem Spaziergang oder aus dem Theater, wenn dasselbe gar bisweilen bis ge¬
gen drei Viertel zehn Uhr dauert, hungrig und durstig zu Bett gehen zu müssen,
denn mit dem Schlage zehn Uhr wird man unerbittlich ans jedem öffentlichen
Lokale hinausgetrieben.

Uebrigens ist es uns doppelt schmerzlich, daß grade in Würtemberg, einem
in vieler Beziehung am mildesten und gerechtesten regierten Staaten Deutschlands,
solche Tumulte vorfallen mußten und man sogar sich nicht scheute, das Herz eines
wahrhaft edeln Monarchen zu betrüben Möge daher die wirklich Schuldigen die
Straft des Gesetzes treffen, Unschuldige aber nicht durch lächerlichen Argwohn und
Vcrfolguugspcst geplagt werden.

Das hiesige Theater entfaltete in letzter Zeit viel Regsamkeit, und Baron
Gall beginnt allmälig in der Gunst des Publikums, die ihm anfänglich sehr
spärlich zu Theil ward, zu steigen. Unter den vielen Gästen aller Art, die in
letzter Zeit hier auftraten, machte Frl. Bayer aus Dresden in ungewöhnlicher
Weise Furore, und es ist nur Eine Stimme über den innern Gehalt und die
äußere Grazie dieser ächt deutschen Künstlerin, die man mit um so größern Opfern
hier engagiren möchte, als grade ihr Fach ungenügend besetzt ist, nachdem Fräu¬
lein von Stubenrauch, die in diesem Nollenkreis noch immer vermißt wird, sich
ganz von der Bühne zurückgezogen hat. Sonst gastirten noch mit vielem Beifall
(so daß sie in Folge dessen auch engagirt worden): der Bassist Lehr aus Ham¬
burg und die Soubrette Mad. Goltermaun ans Schwerin. Letztere in Spiel,
Gesang und äußerer Erscheinung mit Recht zu loben; die übrigen Gäste waren
unbedeutender, ausgenommen etwa noch Herr Ncer aus Coburg.


I-s.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/500>, abgerufen am 01.07.2024.