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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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terworfen. Da fällt das Auge des armen Jean plötzlich auf ein Paket von
ganz eigner Physiognomie; er schaut es erst oberflächlich an, erstaunt und
erschrickt fast, zweifelt dann, besieht dann das Ding mit Ruhe und Gründ¬
lichkeit und macht die wichtige Entdeckung, daß es zehntausend Frankenbillete
seien. Aber man glaube nur nicht, daß dieser Fund dein guten Manne
große Freude machte. Der ehrliche, barmherzige Proletarier denkt zuerst an
den Jammer dessen, der die Summe verloren, dann ängstigt ihn der Ge¬
danke, wie und ob er dein Besitzer das Gefundene zurückstellen könne.
Mittlerweile ist Mit. Marie vom Ball zurückgekommen und macht schon An¬
stalten zur Abreise in's andere Leben; da entdeckt sie plötzlich den ihr zugesteck¬
ten jungen Weltbürger und das thut auf sie eine Wirkung wie die Osterglocken
auf Goethe's Faust, sie entschließt sich am Leben zu bleiben und will der Ent¬
wicklung des kleinen Geschöpfes, mit dem eine-unsichtbare Macht sie be¬
schenkt hat, von nnn an sich widmen. Der Lumpensammler, der in anbe-
tracht seiner Jahre, dem Mädchen in einer väterlichen Zärtlichkeit zugethan
und ihr, eh' er sich zur Ruhe legt, noch gute Nacht oder eigentlich guten
Morgen sagen will, kömmt gerade Recht, um Zeuge des rührenden Auftritts
zu sein, erhöht die Rührung durch seine Reden und spielt selbst fünf Minu¬
ten lang, zur allgemeinen Erbauung des Publikums, die Kiudcrmagd.
Wo aber kommt das geheimnißvolle Findelkind her? das werden wir gleich
erfahren. Jener Spitzbube nämlich, der den Kassendiencr im Mondschein
erschlagen hatte, ist zu hohen Ehren und großen Gütern gekommen und be¬
sitzt unter Anderen auch eine Tochter die nicht so eingezogen wie Mit. Ma¬
rie, die einsame Räthen", ist. Die natürliche Folge der kleinen Freiheiten, die
das Fräulein sich genommen, ist oben besagter kleiner Schreihals. Nun soll sich
aber die junge Mutter, um einige nicht genau aufgeklärte Finanzverlegen-
heiten zu beseitigen, mit einem jungen Manne ans einem reichen Hause,
dem der vor zwanzig Jahren im - Mondschein Erschlagene zugehört hatte,
verheirathen, und bei dieser Veranlassung wird von den Betheiligten be¬
schlossen, das neugeborne Kind dnrch eine gewisse Mad. Polard nicht etwa
blos verbergen, sondern geradezu umbringen zu lassen.


Das warum wird offenbar,
Wenn die Todten auferstehen.

Diese Mad. Polard, obgleich eine abgefeimte und in's liebe Geld bis
zum Wahnsinn verliebte Person, hat aber nicht den Muth sich ihres Auf¬
trags zu entledigen und statt zu tödten legt sie die ihr anvertraute Kleinig¬
keit bei Mit. Marie nieder, deren gutes Herz ihr hinlänglich bekannt ist.
Sie verliert bei dieser Gelegenheit ihr Sündengeld und MattreJcau findet es. --


terworfen. Da fällt das Auge des armen Jean plötzlich auf ein Paket von
ganz eigner Physiognomie; er schaut es erst oberflächlich an, erstaunt und
erschrickt fast, zweifelt dann, besieht dann das Ding mit Ruhe und Gründ¬
lichkeit und macht die wichtige Entdeckung, daß es zehntausend Frankenbillete
seien. Aber man glaube nur nicht, daß dieser Fund dein guten Manne
große Freude machte. Der ehrliche, barmherzige Proletarier denkt zuerst an
den Jammer dessen, der die Summe verloren, dann ängstigt ihn der Ge¬
danke, wie und ob er dein Besitzer das Gefundene zurückstellen könne.
Mittlerweile ist Mit. Marie vom Ball zurückgekommen und macht schon An¬
stalten zur Abreise in's andere Leben; da entdeckt sie plötzlich den ihr zugesteck¬
ten jungen Weltbürger und das thut auf sie eine Wirkung wie die Osterglocken
auf Goethe's Faust, sie entschließt sich am Leben zu bleiben und will der Ent¬
wicklung des kleinen Geschöpfes, mit dem eine-unsichtbare Macht sie be¬
schenkt hat, von nnn an sich widmen. Der Lumpensammler, der in anbe-
tracht seiner Jahre, dem Mädchen in einer väterlichen Zärtlichkeit zugethan
und ihr, eh' er sich zur Ruhe legt, noch gute Nacht oder eigentlich guten
Morgen sagen will, kömmt gerade Recht, um Zeuge des rührenden Auftritts
zu sein, erhöht die Rührung durch seine Reden und spielt selbst fünf Minu¬
ten lang, zur allgemeinen Erbauung des Publikums, die Kiudcrmagd.
Wo aber kommt das geheimnißvolle Findelkind her? das werden wir gleich
erfahren. Jener Spitzbube nämlich, der den Kassendiencr im Mondschein
erschlagen hatte, ist zu hohen Ehren und großen Gütern gekommen und be¬
sitzt unter Anderen auch eine Tochter die nicht so eingezogen wie Mit. Ma¬
rie, die einsame Räthen«, ist. Die natürliche Folge der kleinen Freiheiten, die
das Fräulein sich genommen, ist oben besagter kleiner Schreihals. Nun soll sich
aber die junge Mutter, um einige nicht genau aufgeklärte Finanzverlegen-
heiten zu beseitigen, mit einem jungen Manne ans einem reichen Hause,
dem der vor zwanzig Jahren im - Mondschein Erschlagene zugehört hatte,
verheirathen, und bei dieser Veranlassung wird von den Betheiligten be¬
schlossen, das neugeborne Kind dnrch eine gewisse Mad. Polard nicht etwa
blos verbergen, sondern geradezu umbringen zu lassen.


Das warum wird offenbar,
Wenn die Todten auferstehen.

Diese Mad. Polard, obgleich eine abgefeimte und in's liebe Geld bis
zum Wahnsinn verliebte Person, hat aber nicht den Muth sich ihres Auf¬
trags zu entledigen und statt zu tödten legt sie die ihr anvertraute Kleinig¬
keit bei Mit. Marie nieder, deren gutes Herz ihr hinlänglich bekannt ist.
Sie verliert bei dieser Gelegenheit ihr Sündengeld und MattreJcau findet es. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/488>, abgerufen am 22.07.2024.