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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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kann; dazu gehört doch die Geburt. Er könnte viel mehr, wenn er mili¬
tärische Ansichten hätte und wenn seine Hitze überhaupt ein Ganzes in Ueber¬
sicht begreifen und festhalten könnte. Das kann er aber nicht und hat er
nicht. Herd kann er sein und achtet nicht genug die stillen Kräfte und Tu¬
genden." -- In durchaus constitutionellen Sinn sind auch einige Briefe der
Oberpräsidenten v. Schön und v. Vincke gehalten. Die Bureaukratie sagte
damals Keinem zu. "So hätte denn der liebe Gott," schreibt (1815) der
jetzige Minister Eichhorn, "durch das Schwert unsers Heeres und durch
die Treue und Hingebung des treuen Volkes, das in ihm ist, uns herrlich
und zu den schönsten Hoffnungen wieder aufgerichtet. Alter Freund, sei
nicht verdrießlich, das elende Gesindel von Diplomaten, das weder für
eigene, noch weniger für seines Volkes Ehre Gefühl hat, kann es unmöglich
lange mehr machen. Neben solcher Kraft und Tüchtigkeit, die in so vielen
sich erweckt, und mit jeder Uebung, deren es wohl noch mehrere geben wird,
ein neues Wachsthum gewinnt, kann solche Schwäche und Leerheit nicht
lange mehr bestehen."

Es war eine eigenthümliche Zeit, diese Gährung der Freiheits-Ten¬
denzen, diese wunderbare Verschmelzung der alten Romantik mit Ahnungen
des neuen Geistes: reich an Hoffnungen, reich an Wünschen, reich an Illu¬
sionen. Es war nur ein scheinbarer Reichthum, denn nur das hat der Geist
wahrhaft erworben, was er klar begreift. Darum wollen wir uns aber un¬
serer jetzigen Klarheit nicht überheben; es mußte jeuer Gährungsprozeß der
trüben Elemente vorausgehen, ehe sie, geklärt, zu einem begeisterten Trank
sich erheben konnten.




kann; dazu gehört doch die Geburt. Er könnte viel mehr, wenn er mili¬
tärische Ansichten hätte und wenn seine Hitze überhaupt ein Ganzes in Ueber¬
sicht begreifen und festhalten könnte. Das kann er aber nicht und hat er
nicht. Herd kann er sein und achtet nicht genug die stillen Kräfte und Tu¬
genden." — In durchaus constitutionellen Sinn sind auch einige Briefe der
Oberpräsidenten v. Schön und v. Vincke gehalten. Die Bureaukratie sagte
damals Keinem zu. „So hätte denn der liebe Gott," schreibt (1815) der
jetzige Minister Eichhorn, „durch das Schwert unsers Heeres und durch
die Treue und Hingebung des treuen Volkes, das in ihm ist, uns herrlich
und zu den schönsten Hoffnungen wieder aufgerichtet. Alter Freund, sei
nicht verdrießlich, das elende Gesindel von Diplomaten, das weder für
eigene, noch weniger für seines Volkes Ehre Gefühl hat, kann es unmöglich
lange mehr machen. Neben solcher Kraft und Tüchtigkeit, die in so vielen
sich erweckt, und mit jeder Uebung, deren es wohl noch mehrere geben wird,
ein neues Wachsthum gewinnt, kann solche Schwäche und Leerheit nicht
lange mehr bestehen."

Es war eine eigenthümliche Zeit, diese Gährung der Freiheits-Ten¬
denzen, diese wunderbare Verschmelzung der alten Romantik mit Ahnungen
des neuen Geistes: reich an Hoffnungen, reich an Wünschen, reich an Illu¬
sionen. Es war nur ein scheinbarer Reichthum, denn nur das hat der Geist
wahrhaft erworben, was er klar begreift. Darum wollen wir uns aber un¬
serer jetzigen Klarheit nicht überheben; es mußte jeuer Gährungsprozeß der
trüben Elemente vorausgehen, ehe sie, geklärt, zu einem begeisterten Trank
sich erheben konnten.




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[0477] kann; dazu gehört doch die Geburt. Er könnte viel mehr, wenn er mili¬ tärische Ansichten hätte und wenn seine Hitze überhaupt ein Ganzes in Ueber¬ sicht begreifen und festhalten könnte. Das kann er aber nicht und hat er nicht. Herd kann er sein und achtet nicht genug die stillen Kräfte und Tu¬ genden." — In durchaus constitutionellen Sinn sind auch einige Briefe der Oberpräsidenten v. Schön und v. Vincke gehalten. Die Bureaukratie sagte damals Keinem zu. „So hätte denn der liebe Gott," schreibt (1815) der jetzige Minister Eichhorn, „durch das Schwert unsers Heeres und durch die Treue und Hingebung des treuen Volkes, das in ihm ist, uns herrlich und zu den schönsten Hoffnungen wieder aufgerichtet. Alter Freund, sei nicht verdrießlich, das elende Gesindel von Diplomaten, das weder für eigene, noch weniger für seines Volkes Ehre Gefühl hat, kann es unmöglich lange mehr machen. Neben solcher Kraft und Tüchtigkeit, die in so vielen sich erweckt, und mit jeder Uebung, deren es wohl noch mehrere geben wird, ein neues Wachsthum gewinnt, kann solche Schwäche und Leerheit nicht lange mehr bestehen." Es war eine eigenthümliche Zeit, diese Gährung der Freiheits-Ten¬ denzen, diese wunderbare Verschmelzung der alten Romantik mit Ahnungen des neuen Geistes: reich an Hoffnungen, reich an Wünschen, reich an Illu¬ sionen. Es war nur ein scheinbarer Reichthum, denn nur das hat der Geist wahrhaft erworben, was er klar begreift. Darum wollen wir uns aber un¬ serer jetzigen Klarheit nicht überheben; es mußte jeuer Gährungsprozeß der trüben Elemente vorausgehen, ehe sie, geklärt, zu einem begeisterten Trank sich erheben konnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/477>, abgerufen am 24.08.2024.