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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Jugend kaum erträglich lesen, noch weniger schreiben und rechnen kann, so
bleibt dermal schon an vielen Schulen kaum mehr die halbe Zeit und wohl
uoch geringere Neigung der Lehrenden für die Einübung der vulgären Kennt¬
nisse übrig. Abgesehen davon, daß viele Seelsorger, und leider meistens
die jüngern, theils wegen mangelhaftem Studium der Pädagogik, welche in
den bischöflichen Seminarien so zu sagen bei Seite gestellt ist, theils we¬
gen einseitiger strengen Förderung äußerer Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit
blos auf wörtliches Auswendiglernen und Auswendigüben des Katechismus
dringen, ist man seit dem Fortschritt der Mode, Klöster und geistliche Orden
jährlich dichter zu pflanzen, nun auch auf die Einführung der Schulbrü-
der gekommen. Bevor noch eine Erlaubniß der Regierung erwirkt ist, wurde
mit besonderer Gunst nud Hilfe des Konsistoriums vou Brixen eine Colonie
dieser Brüder im Oberinnthale von einem Weltpriester angelegt, dessen Stre¬
ben Tag für Tag ausschließend auf Ordensstiftnngen gerichtet ist. Aus dem
von ihm errichteten Sammelhaus zu Kronburg hat man schon an mehrere
Orte, wo der Dechant und Ortöseelsorger gewonnen waren, mit oder gegen
den Willen der Gemeinden dergleichen Schulbrüder sich verschrieben. Es
sind Beispiele vorhanden, daß selbst brave Lehrer den neuen Gästen weichen
mußten; man spricht anch davon, daß ein einflußreicher Canonicus zu Brixen
diese Brüder thunlichst vermehret wünsche, um durch sie uach und uach die
Wirthschastereieu der Pfarrer zu ersetzen. Wenig läge daran, ob dies er¬
reicht wird; wir möchten auch nicht entgegen sein, daß die Schulbrüder den
Unterricht, zumal auf dem Laude, ertheilen; schwerlich wäre das Geschäft
in unfähigern Händen, als jetzt mehrseitig wahrgenommen werden muß, wo¬
für die Gründe in der höchst mangelhaften Vorbildung der Lehramts - Kan¬
didaten und noch mehr in der äußerst magern Belohnung der Lehrer zu
suchen sind. Aber die neuen Lehrer sind nur dem Namen nach Schnlbrüder;
ihre Aufgabe ist, so weit wir sie in Tirol an einzelnen Orten während ihres
kurzen Hierseins kennen lernten, eine kirchliche. In Frankreich durch die
Jesuiten geschaffen, haben die Jünger Loyola's diese untergeordnete Genossen¬
schaft in unsere Thäler gerufen, wie ihre Gönner uns die Ligorianer als
Vorläufer der Jesuiten in's Land brachten. Man hält unsere Landschulen
unter der durch die politische Schulverfassuug geregelten Leitung der Seel¬
sorger für zu frei und dem Einflusse der neuen katholischen Partei zu ent¬
legen. Die Schulbrüdcr beobachten eine Lehrmethode, deren Wirkung auf
Herbeiführung möglich größter Unselbständigkeit unseres Volkes berechnet
ist. Dies beweisen Thatsachen. In der Gemeinde Lana an der Etsch er¬
langten diese Brüder durch die Bemühungen des dortigen Dechcmts die


Jugend kaum erträglich lesen, noch weniger schreiben und rechnen kann, so
bleibt dermal schon an vielen Schulen kaum mehr die halbe Zeit und wohl
uoch geringere Neigung der Lehrenden für die Einübung der vulgären Kennt¬
nisse übrig. Abgesehen davon, daß viele Seelsorger, und leider meistens
die jüngern, theils wegen mangelhaftem Studium der Pädagogik, welche in
den bischöflichen Seminarien so zu sagen bei Seite gestellt ist, theils we¬
gen einseitiger strengen Förderung äußerer Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit
blos auf wörtliches Auswendiglernen und Auswendigüben des Katechismus
dringen, ist man seit dem Fortschritt der Mode, Klöster und geistliche Orden
jährlich dichter zu pflanzen, nun auch auf die Einführung der Schulbrü-
der gekommen. Bevor noch eine Erlaubniß der Regierung erwirkt ist, wurde
mit besonderer Gunst nud Hilfe des Konsistoriums vou Brixen eine Colonie
dieser Brüder im Oberinnthale von einem Weltpriester angelegt, dessen Stre¬
ben Tag für Tag ausschließend auf Ordensstiftnngen gerichtet ist. Aus dem
von ihm errichteten Sammelhaus zu Kronburg hat man schon an mehrere
Orte, wo der Dechant und Ortöseelsorger gewonnen waren, mit oder gegen
den Willen der Gemeinden dergleichen Schulbrüder sich verschrieben. Es
sind Beispiele vorhanden, daß selbst brave Lehrer den neuen Gästen weichen
mußten; man spricht anch davon, daß ein einflußreicher Canonicus zu Brixen
diese Brüder thunlichst vermehret wünsche, um durch sie uach und uach die
Wirthschastereieu der Pfarrer zu ersetzen. Wenig läge daran, ob dies er¬
reicht wird; wir möchten auch nicht entgegen sein, daß die Schulbrüder den
Unterricht, zumal auf dem Laude, ertheilen; schwerlich wäre das Geschäft
in unfähigern Händen, als jetzt mehrseitig wahrgenommen werden muß, wo¬
für die Gründe in der höchst mangelhaften Vorbildung der Lehramts - Kan¬
didaten und noch mehr in der äußerst magern Belohnung der Lehrer zu
suchen sind. Aber die neuen Lehrer sind nur dem Namen nach Schnlbrüder;
ihre Aufgabe ist, so weit wir sie in Tirol an einzelnen Orten während ihres
kurzen Hierseins kennen lernten, eine kirchliche. In Frankreich durch die
Jesuiten geschaffen, haben die Jünger Loyola's diese untergeordnete Genossen¬
schaft in unsere Thäler gerufen, wie ihre Gönner uns die Ligorianer als
Vorläufer der Jesuiten in's Land brachten. Man hält unsere Landschulen
unter der durch die politische Schulverfassuug geregelten Leitung der Seel¬
sorger für zu frei und dem Einflusse der neuen katholischen Partei zu ent¬
legen. Die Schulbrüdcr beobachten eine Lehrmethode, deren Wirkung auf
Herbeiführung möglich größter Unselbständigkeit unseres Volkes berechnet
ist. Dies beweisen Thatsachen. In der Gemeinde Lana an der Etsch er¬
langten diese Brüder durch die Bemühungen des dortigen Dechcmts die


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[0392] Jugend kaum erträglich lesen, noch weniger schreiben und rechnen kann, so bleibt dermal schon an vielen Schulen kaum mehr die halbe Zeit und wohl uoch geringere Neigung der Lehrenden für die Einübung der vulgären Kennt¬ nisse übrig. Abgesehen davon, daß viele Seelsorger, und leider meistens die jüngern, theils wegen mangelhaftem Studium der Pädagogik, welche in den bischöflichen Seminarien so zu sagen bei Seite gestellt ist, theils we¬ gen einseitiger strengen Förderung äußerer Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit blos auf wörtliches Auswendiglernen und Auswendigüben des Katechismus dringen, ist man seit dem Fortschritt der Mode, Klöster und geistliche Orden jährlich dichter zu pflanzen, nun auch auf die Einführung der Schulbrü- der gekommen. Bevor noch eine Erlaubniß der Regierung erwirkt ist, wurde mit besonderer Gunst nud Hilfe des Konsistoriums vou Brixen eine Colonie dieser Brüder im Oberinnthale von einem Weltpriester angelegt, dessen Stre¬ ben Tag für Tag ausschließend auf Ordensstiftnngen gerichtet ist. Aus dem von ihm errichteten Sammelhaus zu Kronburg hat man schon an mehrere Orte, wo der Dechant und Ortöseelsorger gewonnen waren, mit oder gegen den Willen der Gemeinden dergleichen Schulbrüder sich verschrieben. Es sind Beispiele vorhanden, daß selbst brave Lehrer den neuen Gästen weichen mußten; man spricht anch davon, daß ein einflußreicher Canonicus zu Brixen diese Brüder thunlichst vermehret wünsche, um durch sie uach und uach die Wirthschastereieu der Pfarrer zu ersetzen. Wenig läge daran, ob dies er¬ reicht wird; wir möchten auch nicht entgegen sein, daß die Schulbrüder den Unterricht, zumal auf dem Laude, ertheilen; schwerlich wäre das Geschäft in unfähigern Händen, als jetzt mehrseitig wahrgenommen werden muß, wo¬ für die Gründe in der höchst mangelhaften Vorbildung der Lehramts - Kan¬ didaten und noch mehr in der äußerst magern Belohnung der Lehrer zu suchen sind. Aber die neuen Lehrer sind nur dem Namen nach Schnlbrüder; ihre Aufgabe ist, so weit wir sie in Tirol an einzelnen Orten während ihres kurzen Hierseins kennen lernten, eine kirchliche. In Frankreich durch die Jesuiten geschaffen, haben die Jünger Loyola's diese untergeordnete Genossen¬ schaft in unsere Thäler gerufen, wie ihre Gönner uns die Ligorianer als Vorläufer der Jesuiten in's Land brachten. Man hält unsere Landschulen unter der durch die politische Schulverfassuug geregelten Leitung der Seel¬ sorger für zu frei und dem Einflusse der neuen katholischen Partei zu ent¬ legen. Die Schulbrüdcr beobachten eine Lehrmethode, deren Wirkung auf Herbeiführung möglich größter Unselbständigkeit unseres Volkes berechnet ist. Dies beweisen Thatsachen. In der Gemeinde Lana an der Etsch er¬ langten diese Brüder durch die Bemühungen des dortigen Dechcmts die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/392>, abgerufen am 01.07.2024.