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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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raschen und sichern Blick ausgestattet, beunruhigt sich der Erzherzog wenig
über diese Bewegung und beschränkt sich darauf, seineu rechten Flügel zu
verstärken, der die Wälder von Liptingen hartnäckig vertheidigt. Er stellt
sich selber zu Fuß an die Spitze seiner Grenadiere und wirft nach einem
blutigen Gefecht die Franzosen in die Ebene zurück. Jourdan will Se. Cyr
zurückrufen, aber es war zu spät; es blieb ihm nur seine Nachhut, die sich
gegen die wiederholten Angriffe der österreichischen Kürassiere nicht halten
konnte. Eine schreckliche Verwirrung bemächtigt sich der französischen Armee;
trotz aller heroischen Anstrengungen wird Jourdan von der Flucht mit fort¬
gerissen. Aber die österreichische Armee, selbst erschöpft, konnte diesen Sieg
nicht benutzen. Jourdan stellte sich in den Pässen des Schwarzwaldes auf,
übergab das Kommando seinem Obersten und begab sich nach Paris, um
sich über den schlechten Zustand seines Heeres zu beklagen.

Hätte der Erzherzog ohne Verzug die besiegte Armee verfolgt, so hätte
er sie vollständig aufreiben können. Dann wäre es Zeit gewesen nach der
Schweiz zurückzukehren und Massena abzuschneiden. Aber der Hofkriegsrath,
nach dem falschen Grundsatz, daß der Schlüssel des Krieges in den Bergen sei,
verbot dem Erzherzog gegen den Rhein vorzurücken, bevor die Schweiz ge¬
räumt sei.

Der Erzherzog bewerkstelligte seine Vereinigung mit dem Corps seines
Unterfeldherrn Holz und zwang nach 14tägigeiu Kampf Massena seine Ver¬
theidigungslinie zusammenzuziehen, sich in Zürich zu concentriren und seinen
rechten Flügel hinter den Se. Gotthard aufzustellen; die Hälfte der Schweiz
war in seinen Händen. Bald räumt Massena auch Zürich, der Erzherzog
zieht ein; aber geschwächt durch die Absendung eines Corps von 25,000
Mann zur italienischen Armee, wartete er auf die Ankunft der russischen
Armee unter Korsakoff, als der Hofrath einen neuen Kriegsplan ersann, der
vollständig die Stellung der Truppen veränderte. Da sich die Oesterreicher
mit den Russen nicht recht vertrugen, so wurde ausgemacht, daß man die
Truppen jeder Nation nur gemeinsam wolle kämpfen lassen; der Erzherzog
empfing Befehl seine Stellung an Suwarow zu überlassen, der aus Italien
kommeu sollte, um sich in der Schweiz mit Korsakoff zu vereinigen und sich
sofort nach dem Rhein zu begeben, um dort für sich zu agiren.

Die Folge war, daß Massena seinen unfähigen Gegner Korsakoff in der
Schlacht bei Zürich vernichtete und daß Suwarow nun gerade zur Zeit kam,
die Niederlage seiner Landsleute zu theilen.

Als der Erzherzog dieses erfuhr, nahm er es auf sich, sich der Schweiz
zu nähern und machte Suwarow den Vorschlag, gemeinschaftlich zu operiren.


raschen und sichern Blick ausgestattet, beunruhigt sich der Erzherzog wenig
über diese Bewegung und beschränkt sich darauf, seineu rechten Flügel zu
verstärken, der die Wälder von Liptingen hartnäckig vertheidigt. Er stellt
sich selber zu Fuß an die Spitze seiner Grenadiere und wirft nach einem
blutigen Gefecht die Franzosen in die Ebene zurück. Jourdan will Se. Cyr
zurückrufen, aber es war zu spät; es blieb ihm nur seine Nachhut, die sich
gegen die wiederholten Angriffe der österreichischen Kürassiere nicht halten
konnte. Eine schreckliche Verwirrung bemächtigt sich der französischen Armee;
trotz aller heroischen Anstrengungen wird Jourdan von der Flucht mit fort¬
gerissen. Aber die österreichische Armee, selbst erschöpft, konnte diesen Sieg
nicht benutzen. Jourdan stellte sich in den Pässen des Schwarzwaldes auf,
übergab das Kommando seinem Obersten und begab sich nach Paris, um
sich über den schlechten Zustand seines Heeres zu beklagen.

Hätte der Erzherzog ohne Verzug die besiegte Armee verfolgt, so hätte
er sie vollständig aufreiben können. Dann wäre es Zeit gewesen nach der
Schweiz zurückzukehren und Massena abzuschneiden. Aber der Hofkriegsrath,
nach dem falschen Grundsatz, daß der Schlüssel des Krieges in den Bergen sei,
verbot dem Erzherzog gegen den Rhein vorzurücken, bevor die Schweiz ge¬
räumt sei.

Der Erzherzog bewerkstelligte seine Vereinigung mit dem Corps seines
Unterfeldherrn Holz und zwang nach 14tägigeiu Kampf Massena seine Ver¬
theidigungslinie zusammenzuziehen, sich in Zürich zu concentriren und seinen
rechten Flügel hinter den Se. Gotthard aufzustellen; die Hälfte der Schweiz
war in seinen Händen. Bald räumt Massena auch Zürich, der Erzherzog
zieht ein; aber geschwächt durch die Absendung eines Corps von 25,000
Mann zur italienischen Armee, wartete er auf die Ankunft der russischen
Armee unter Korsakoff, als der Hofrath einen neuen Kriegsplan ersann, der
vollständig die Stellung der Truppen veränderte. Da sich die Oesterreicher
mit den Russen nicht recht vertrugen, so wurde ausgemacht, daß man die
Truppen jeder Nation nur gemeinsam wolle kämpfen lassen; der Erzherzog
empfing Befehl seine Stellung an Suwarow zu überlassen, der aus Italien
kommeu sollte, um sich in der Schweiz mit Korsakoff zu vereinigen und sich
sofort nach dem Rhein zu begeben, um dort für sich zu agiren.

Die Folge war, daß Massena seinen unfähigen Gegner Korsakoff in der
Schlacht bei Zürich vernichtete und daß Suwarow nun gerade zur Zeit kam,
die Niederlage seiner Landsleute zu theilen.

Als der Erzherzog dieses erfuhr, nahm er es auf sich, sich der Schweiz
zu nähern und machte Suwarow den Vorschlag, gemeinschaftlich zu operiren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/256>, abgerufen am 22.07.2024.