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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ein angemessenes Schlachtfeld aussuchen, von der Rheinarmee Verstärkung
empfangen und seiue Bewegungen concentriren können ^)."

An Stelle bassin mußte jetzt der Erzherzog seine Armee hinter dem
Tagliamento aufstellen, ehe sie vollzählig war und sich so dem Augriff eiues
Generals aussetzen, der nnter Allen am gewandtesten war, seinen Fehler zu
benutzen. Es war den 10. März 1797, daß die beiden Gegner sich zum
ersten Mal am Tagliamento gegenüberstanden, beide jung, geschickt, uner¬
schrocken; aber der Eine seiner Soldaten so sicher wie seiner selbst, der Andre
höchst unsicher über den Ausgang. Nach einigen Scharmützeln, um den
Gegner zu versuchen, ließ Bonaparte Bivouak aufschlagen. Der Erzherzog
wurde dadurch getäuscht; er glaubte, daß die französische Armee, ermüdet
durch einen langen Marsch, Nuhe halten wollte und ließ seinerseits Bivouak
ausschlagen; aber zwei Stunden darauf stellten sich die Franzosen plötzlich
wieder in Reihe, stürzten sich in den Fluß und waren schon in der schönsten
Ordnung am andern Ufer in Schlachtordnung aufgestellt, als der Feind erst
zu den Waffen lief. Nach einem tapfern Widerstand sah sich der Erzherzog
zum Rückzug genöthigt, mit Zurücklassung vou 4 -- 500 Gefangenen.

Inzwischen hatte Massen" das österreichische Corps des Generals Lu-
signan vor sich hergetrieben, sich des Passes von Tarvis bemächtigt und so
die Division des General Bayalitsch abgeschnitten. Um diese Division zu
befreien, verließ der Erzherzog auf einen Augenblick das Gros seiner Armee,
vereinigte sich mit 0000 ungarischen Grenadieren mit der Division Lusignan,



*) Eine Erklärung des Erzherzogs selbst über seine Stellung zum Hofkriegsrath
wird hier am Orte sein. -- Fehlerhast werden immer die Plane von Männern ausfallen,
die ohne Kenntniß des Krieges den Umfang und den Werth der Operationen nicht zu
würdigen verstehe" und ihren Gang nach politischen Ansichten bestimmen, eben so jene
Vorschläge, die, entfernt vom Kriegsschauplatze entworfen, den Umständen nicht mehr
entsprechen, wenn sie zur Ausführung gelangen. Dem Erzherzoge wurde vom Wiener
Hofe die Geheimhaltung der ihm ertheilten Befehle und ihre schnellste Befolgung ohne
weitere Einwendung zur unbedingten Pflicht gemacht. Ein Feldherr, der unzweckmäßige
Weisungen über Operationen erhält, deren Ausführung, unabhängig von jeder fremden
Thcinahme und ausschließlich an einem großen zusammenhängenden Entwurf ihn allein
obliegt, ist nicht nur berechtigt, sondern auch verbunden, den Zweck nach seiner bessern
Einsicht und Ueberzeugung zu verfolgen. Sind aber solche Anordnungen durch politische
ihm unbekannte Beweggründe veranlaßt, beruht ihre Ausführung auf mehreren unab¬
hängigen Generalen und Armeen, dann wird blinder Gehorsam zum Gesetz, weil es
weniger schädlich ist, daß das ganze Triebwerk nach einem fehlerhaften Plane fortgeht,
als daß jede einzelne Feder sich mit einer eignen abgesonderten Schnellkraft bewegt.
Das Opfer desjenigen, der in einer solchen Lage seine bessere Ueberzeugung mit dem
Gefühle aufgibt, auch seinen Ruhm auf's Spiel zu setzen, ist eines der größten unter
den vielen, welche der Feldherr dem öffentlichen Wohl zu bringen gezwungen ist.

ein angemessenes Schlachtfeld aussuchen, von der Rheinarmee Verstärkung
empfangen und seiue Bewegungen concentriren können ^)."

An Stelle bassin mußte jetzt der Erzherzog seine Armee hinter dem
Tagliamento aufstellen, ehe sie vollzählig war und sich so dem Augriff eiues
Generals aussetzen, der nnter Allen am gewandtesten war, seinen Fehler zu
benutzen. Es war den 10. März 1797, daß die beiden Gegner sich zum
ersten Mal am Tagliamento gegenüberstanden, beide jung, geschickt, uner¬
schrocken; aber der Eine seiner Soldaten so sicher wie seiner selbst, der Andre
höchst unsicher über den Ausgang. Nach einigen Scharmützeln, um den
Gegner zu versuchen, ließ Bonaparte Bivouak aufschlagen. Der Erzherzog
wurde dadurch getäuscht; er glaubte, daß die französische Armee, ermüdet
durch einen langen Marsch, Nuhe halten wollte und ließ seinerseits Bivouak
ausschlagen; aber zwei Stunden darauf stellten sich die Franzosen plötzlich
wieder in Reihe, stürzten sich in den Fluß und waren schon in der schönsten
Ordnung am andern Ufer in Schlachtordnung aufgestellt, als der Feind erst
zu den Waffen lief. Nach einem tapfern Widerstand sah sich der Erzherzog
zum Rückzug genöthigt, mit Zurücklassung vou 4 — 500 Gefangenen.

Inzwischen hatte Massen« das österreichische Corps des Generals Lu-
signan vor sich hergetrieben, sich des Passes von Tarvis bemächtigt und so
die Division des General Bayalitsch abgeschnitten. Um diese Division zu
befreien, verließ der Erzherzog auf einen Augenblick das Gros seiner Armee,
vereinigte sich mit 0000 ungarischen Grenadieren mit der Division Lusignan,



*) Eine Erklärung des Erzherzogs selbst über seine Stellung zum Hofkriegsrath
wird hier am Orte sein. — Fehlerhast werden immer die Plane von Männern ausfallen,
die ohne Kenntniß des Krieges den Umfang und den Werth der Operationen nicht zu
würdigen verstehe» und ihren Gang nach politischen Ansichten bestimmen, eben so jene
Vorschläge, die, entfernt vom Kriegsschauplatze entworfen, den Umständen nicht mehr
entsprechen, wenn sie zur Ausführung gelangen. Dem Erzherzoge wurde vom Wiener
Hofe die Geheimhaltung der ihm ertheilten Befehle und ihre schnellste Befolgung ohne
weitere Einwendung zur unbedingten Pflicht gemacht. Ein Feldherr, der unzweckmäßige
Weisungen über Operationen erhält, deren Ausführung, unabhängig von jeder fremden
Thcinahme und ausschließlich an einem großen zusammenhängenden Entwurf ihn allein
obliegt, ist nicht nur berechtigt, sondern auch verbunden, den Zweck nach seiner bessern
Einsicht und Ueberzeugung zu verfolgen. Sind aber solche Anordnungen durch politische
ihm unbekannte Beweggründe veranlaßt, beruht ihre Ausführung auf mehreren unab¬
hängigen Generalen und Armeen, dann wird blinder Gehorsam zum Gesetz, weil es
weniger schädlich ist, daß das ganze Triebwerk nach einem fehlerhaften Plane fortgeht,
als daß jede einzelne Feder sich mit einer eignen abgesonderten Schnellkraft bewegt.
Das Opfer desjenigen, der in einer solchen Lage seine bessere Ueberzeugung mit dem
Gefühle aufgibt, auch seinen Ruhm auf's Spiel zu setzen, ist eines der größten unter
den vielen, welche der Feldherr dem öffentlichen Wohl zu bringen gezwungen ist.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/253>, abgerufen am 22.07.2024.