Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Zeit über nichts zu thun, als den jungen Herrn spazieren zu sichren, med
seine Zuneigung zu gewinnen, was in sofern nicht besonders schwierig war,
als er geduldig stehen blieb, wenn der junge Freiherr den Spielen der
Gassenjungen zusah und als daß er sich alle Tage vier bis fünfmal über
die Moldau sichren ließ, was dem Knaben unsäglichen Spaß machte. Die
Baronin hatte ihre Tochter indeß im Kloster untergebracht und blieb nur
noch in Prag, weil der Mann ihrer Schwester auf'S Land zur Jagd gegan¬
gen war, und sie diese nicht allein lassen wollte. Obwohl die Gesellschaft
noch nicht vollständig beisammen, und grade der eleganteste Theil derselben
noch auf dem Lande war, gab doch die Gräfin ihrer Schwester zu Ehren
eine glänzende Soiree, bei der sie ihr alle Bekannten des Hauses vorstellen
wollte. Die Gräfin gehörte nämlich nicht zur orömv der Gesellschaft, und
so stolz sie war, und so viel Geld sie ausgab, gelang es ihr doch nicht recht,
in der höchsten Region festen Fuß zu fassen, sondern sie mußte mit einzelnen
Ausspringern derselben vorlieb nehmen. Sie hatte daher die beste Ausrede,
wenn ihre Schwester nach einem oder dein andern glänzenden Namen fragte,
der nicht aus der Liste stand, diesen Grund vorzuschützen, und da einige der
jungen Herren, die überall zu haben sind, wo sie Spaß und hübsche Ge¬
sichter vermuthen, im Salon der Gräfin erschienen, war ihre ländliche Schwe¬
ster vor Stolz und Freude außer sich. Wenn der gute Baron, ihr Mann,
geahnt hätte, welche gefährliche Vorsätze in diesem Augenblick die Seele sei¬
ner Frau durchkreuzten, so würde er den heiligen Hubertus angerufen und
seiue Nase sich bis zum schönsten Ponceaurvth kolorirt haben. Sie sah sich
auch als Sonne eines solchen Himmels und war heute so gesprächig und
animirt, daß die Herren, welche das Glück hatten, sich mit ihr zu unterhal¬
ten, aus dem Lachen gar nicht herauskamen. Die Gräfin, in einiger Angst
über den zweifelhaften Charakter dieser Heiterkeit gab den Bitten einiger Her¬
ren nach, eine Quadrille spielen zu lassen, die damals nach 20 jähriger Ver¬
bannung in den Salons wieder Aufnahme fand. Det neue Hofmeister wurde
daher, sobald der Thee herumgegeben war, ans seinem Kännnerlcin in den
Salon citirt rend als er verlegen und erröthend sich verneigt hatte, sogleich
an das Piano geschoben, wo man ihm die "wuto-volvo Quadrillen vor¬
legte, die übrigens ihre Wirkung auch auf dein ordinären Boden eines Bür¬
gerhauses .thun. Mit den ersten Tönen der Quadrille war der ? tern der
Baronin untergegangen und sie von allen Herren verlassen worden; Jeder
lief, sich eine Tänzerin zu holen, und da selbst die älteren Damen -- ganz
alte lud die Gräfin nicht -- bei der Ueberzahl der Herren vergriffen waren,
mußte sie allein auf dem Sopha sitze" bleibe". In ihrem stillen ländlichen


die Zeit über nichts zu thun, als den jungen Herrn spazieren zu sichren, med
seine Zuneigung zu gewinnen, was in sofern nicht besonders schwierig war,
als er geduldig stehen blieb, wenn der junge Freiherr den Spielen der
Gassenjungen zusah und als daß er sich alle Tage vier bis fünfmal über
die Moldau sichren ließ, was dem Knaben unsäglichen Spaß machte. Die
Baronin hatte ihre Tochter indeß im Kloster untergebracht und blieb nur
noch in Prag, weil der Mann ihrer Schwester auf'S Land zur Jagd gegan¬
gen war, und sie diese nicht allein lassen wollte. Obwohl die Gesellschaft
noch nicht vollständig beisammen, und grade der eleganteste Theil derselben
noch auf dem Lande war, gab doch die Gräfin ihrer Schwester zu Ehren
eine glänzende Soiree, bei der sie ihr alle Bekannten des Hauses vorstellen
wollte. Die Gräfin gehörte nämlich nicht zur orömv der Gesellschaft, und
so stolz sie war, und so viel Geld sie ausgab, gelang es ihr doch nicht recht,
in der höchsten Region festen Fuß zu fassen, sondern sie mußte mit einzelnen
Ausspringern derselben vorlieb nehmen. Sie hatte daher die beste Ausrede,
wenn ihre Schwester nach einem oder dein andern glänzenden Namen fragte,
der nicht aus der Liste stand, diesen Grund vorzuschützen, und da einige der
jungen Herren, die überall zu haben sind, wo sie Spaß und hübsche Ge¬
sichter vermuthen, im Salon der Gräfin erschienen, war ihre ländliche Schwe¬
ster vor Stolz und Freude außer sich. Wenn der gute Baron, ihr Mann,
geahnt hätte, welche gefährliche Vorsätze in diesem Augenblick die Seele sei¬
ner Frau durchkreuzten, so würde er den heiligen Hubertus angerufen und
seiue Nase sich bis zum schönsten Ponceaurvth kolorirt haben. Sie sah sich
auch als Sonne eines solchen Himmels und war heute so gesprächig und
animirt, daß die Herren, welche das Glück hatten, sich mit ihr zu unterhal¬
ten, aus dem Lachen gar nicht herauskamen. Die Gräfin, in einiger Angst
über den zweifelhaften Charakter dieser Heiterkeit gab den Bitten einiger Her¬
ren nach, eine Quadrille spielen zu lassen, die damals nach 20 jähriger Ver¬
bannung in den Salons wieder Aufnahme fand. Det neue Hofmeister wurde
daher, sobald der Thee herumgegeben war, ans seinem Kännnerlcin in den
Salon citirt rend als er verlegen und erröthend sich verneigt hatte, sogleich
an das Piano geschoben, wo man ihm die „wuto-volvo Quadrillen vor¬
legte, die übrigens ihre Wirkung auch auf dein ordinären Boden eines Bür¬
gerhauses .thun. Mit den ersten Tönen der Quadrille war der ? tern der
Baronin untergegangen und sie von allen Herren verlassen worden; Jeder
lief, sich eine Tänzerin zu holen, und da selbst die älteren Damen — ganz
alte lud die Gräfin nicht — bei der Ueberzahl der Herren vergriffen waren,
mußte sie allein auf dem Sopha sitze» bleibe». In ihrem stillen ländlichen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271918"/>
              <p xml:id="ID_52" prev="#ID_51" next="#ID_53"> die Zeit über nichts zu thun, als den jungen Herrn spazieren zu sichren, med<lb/>
seine Zuneigung zu gewinnen, was in sofern nicht besonders schwierig war,<lb/>
als er geduldig stehen blieb, wenn der junge Freiherr den Spielen der<lb/>
Gassenjungen zusah und als daß er sich alle Tage vier bis fünfmal über<lb/>
die Moldau sichren ließ, was dem Knaben unsäglichen Spaß machte. Die<lb/>
Baronin hatte ihre Tochter indeß im Kloster untergebracht und blieb nur<lb/>
noch in Prag, weil der Mann ihrer Schwester auf'S Land zur Jagd gegan¬<lb/>
gen war, und sie diese nicht allein lassen wollte. Obwohl die Gesellschaft<lb/>
noch nicht vollständig beisammen, und grade der eleganteste Theil derselben<lb/>
noch auf dem Lande war, gab doch die Gräfin ihrer Schwester zu Ehren<lb/>
eine glänzende Soiree, bei der sie ihr alle Bekannten des Hauses vorstellen<lb/>
wollte. Die Gräfin gehörte nämlich nicht zur orömv der Gesellschaft, und<lb/>
so stolz sie war, und so viel Geld sie ausgab, gelang es ihr doch nicht recht,<lb/>
in der höchsten Region festen Fuß zu fassen, sondern sie mußte mit einzelnen<lb/>
Ausspringern derselben vorlieb nehmen. Sie hatte daher die beste Ausrede,<lb/>
wenn ihre Schwester nach einem oder dein andern glänzenden Namen fragte,<lb/>
der nicht aus der Liste stand, diesen Grund vorzuschützen, und da einige der<lb/>
jungen Herren, die überall zu haben sind, wo sie Spaß und hübsche Ge¬<lb/>
sichter vermuthen, im Salon der Gräfin erschienen, war ihre ländliche Schwe¬<lb/>
ster vor Stolz und Freude außer sich. Wenn der gute Baron, ihr Mann,<lb/>
geahnt hätte, welche gefährliche Vorsätze in diesem Augenblick die Seele sei¬<lb/>
ner Frau durchkreuzten, so würde er den heiligen Hubertus angerufen und<lb/>
seiue Nase sich bis zum schönsten Ponceaurvth kolorirt haben. Sie sah sich<lb/>
auch als Sonne eines solchen Himmels und war heute so gesprächig und<lb/>
animirt, daß die Herren, welche das Glück hatten, sich mit ihr zu unterhal¬<lb/>
ten, aus dem Lachen gar nicht herauskamen. Die Gräfin, in einiger Angst<lb/>
über den zweifelhaften Charakter dieser Heiterkeit gab den Bitten einiger Her¬<lb/>
ren nach, eine Quadrille spielen zu lassen, die damals nach 20 jähriger Ver¬<lb/>
bannung in den Salons wieder Aufnahme fand. Det neue Hofmeister wurde<lb/>
daher, sobald der Thee herumgegeben war, ans seinem Kännnerlcin in den<lb/>
Salon citirt rend als er verlegen und erröthend sich verneigt hatte, sogleich<lb/>
an das Piano geschoben, wo man ihm die &#x201E;wuto-volvo Quadrillen vor¬<lb/>
legte, die übrigens ihre Wirkung auch auf dein ordinären Boden eines Bür¬<lb/>
gerhauses .thun. Mit den ersten Tönen der Quadrille war der ? tern der<lb/>
Baronin untergegangen und sie von allen Herren verlassen worden; Jeder<lb/>
lief, sich eine Tänzerin zu holen, und da selbst die älteren Damen &#x2014; ganz<lb/>
alte lud die Gräfin nicht &#x2014; bei der Ueberzahl der Herren vergriffen waren,<lb/>
mußte sie allein auf dem Sopha sitze» bleibe». In ihrem stillen ländlichen</p><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0019] die Zeit über nichts zu thun, als den jungen Herrn spazieren zu sichren, med seine Zuneigung zu gewinnen, was in sofern nicht besonders schwierig war, als er geduldig stehen blieb, wenn der junge Freiherr den Spielen der Gassenjungen zusah und als daß er sich alle Tage vier bis fünfmal über die Moldau sichren ließ, was dem Knaben unsäglichen Spaß machte. Die Baronin hatte ihre Tochter indeß im Kloster untergebracht und blieb nur noch in Prag, weil der Mann ihrer Schwester auf'S Land zur Jagd gegan¬ gen war, und sie diese nicht allein lassen wollte. Obwohl die Gesellschaft noch nicht vollständig beisammen, und grade der eleganteste Theil derselben noch auf dem Lande war, gab doch die Gräfin ihrer Schwester zu Ehren eine glänzende Soiree, bei der sie ihr alle Bekannten des Hauses vorstellen wollte. Die Gräfin gehörte nämlich nicht zur orömv der Gesellschaft, und so stolz sie war, und so viel Geld sie ausgab, gelang es ihr doch nicht recht, in der höchsten Region festen Fuß zu fassen, sondern sie mußte mit einzelnen Ausspringern derselben vorlieb nehmen. Sie hatte daher die beste Ausrede, wenn ihre Schwester nach einem oder dein andern glänzenden Namen fragte, der nicht aus der Liste stand, diesen Grund vorzuschützen, und da einige der jungen Herren, die überall zu haben sind, wo sie Spaß und hübsche Ge¬ sichter vermuthen, im Salon der Gräfin erschienen, war ihre ländliche Schwe¬ ster vor Stolz und Freude außer sich. Wenn der gute Baron, ihr Mann, geahnt hätte, welche gefährliche Vorsätze in diesem Augenblick die Seele sei¬ ner Frau durchkreuzten, so würde er den heiligen Hubertus angerufen und seiue Nase sich bis zum schönsten Ponceaurvth kolorirt haben. Sie sah sich auch als Sonne eines solchen Himmels und war heute so gesprächig und animirt, daß die Herren, welche das Glück hatten, sich mit ihr zu unterhal¬ ten, aus dem Lachen gar nicht herauskamen. Die Gräfin, in einiger Angst über den zweifelhaften Charakter dieser Heiterkeit gab den Bitten einiger Her¬ ren nach, eine Quadrille spielen zu lassen, die damals nach 20 jähriger Ver¬ bannung in den Salons wieder Aufnahme fand. Det neue Hofmeister wurde daher, sobald der Thee herumgegeben war, ans seinem Kännnerlcin in den Salon citirt rend als er verlegen und erröthend sich verneigt hatte, sogleich an das Piano geschoben, wo man ihm die „wuto-volvo Quadrillen vor¬ legte, die übrigens ihre Wirkung auch auf dein ordinären Boden eines Bür¬ gerhauses .thun. Mit den ersten Tönen der Quadrille war der ? tern der Baronin untergegangen und sie von allen Herren verlassen worden; Jeder lief, sich eine Tänzerin zu holen, und da selbst die älteren Damen — ganz alte lud die Gräfin nicht — bei der Ueberzahl der Herren vergriffen waren, mußte sie allein auf dem Sopha sitze» bleibe». In ihrem stillen ländlichen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/19
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/19>, abgerufen am 24.08.2024.