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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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neue Werk mangelhaft sei, nicht Anstand nehmen würde, diese Mängel z" heben.
Sie haben freilich zugleich in Beziehung aus ihre Rechte Verwahrung eingelegt!
aber beides stimmt nicht zu einander. Der Regierung bleibt doch immer das
letzte Urtheil anheimgestellt.

Nach dreitägigen Ferien trat die Versammlung am Ä<>. April wieder zu¬
sammen.

Von den Petitionen, die bis jetzt an die Comites vertheilt sind, sind fol¬
gende von allgemeinem Interesse: Verstärkung der Curie des Herrcnstandes; Re¬
form des ständischen Wahlgesetzes der Städte; Emanzipation der Juden; gleich¬
mäßige Besteuerung des Grundeigenthums; Abänderung der gesetzmäßigen Be¬
stimmungen, ans welchen die Wählbarkeit aus dem Staude der Landgemeinden zu
Krcistagsmitgliedern beruht; vermehrte Vertretung der Stadt- und Landgemein¬
den; Preßfreiheit.

Die von beiden Curien vorgetragene Bitte, die Präclusivfrist von > 4 Tagen
für Einbringung von Bitten und Beschwerden zu verlängern, wurde vom König
genehmigt.

Die erste Sitzung der Hcrrcneuric war von Interesse, weil hier die Ansicht
von der Bestimmung beider Curien auseinandergesetzt werden mußte. "Möge bei-
den Versammlungen," sagte der Marschall, "ein Gedanke fern bleiben, welcher
leicht geeignet ist, einer von beiden Versammlungen, gleichviel welcher, und dann
sortwucherud durch die Kraft des Gegensatzes auch der andern sich zu bemächtigen,
nämlich der falsche Gedanke, daß die Interessen des Bestehenden in
der ersten, die Interessen der Bewegung dagegen in der andern
Versammlung ihre natürliche, nothwendige und grundsätzliche
Vertretung finden. Ich nenne diesen Gedanken falsch, weil Heilsames
nur dann zu erwarten ist, wenn beide Interessen aufgehen in der Liebe zum
Guten, über welches man sich verständigen muß, und wenn folglich das Streben,
bei dem Guten zu beharren, und das Streben, das Gute zu ergreifen, in beiden
Versammlungen gleichmäßig vertreten ist-- "

Der Prinz von Preußen erklärte sich mit dieser Ansicht einverstanden.
"Die vier Stände des vereinigten Landtags haben alle ein und dasselbe Interesse,
das Wohl des Königs und des Vaterlandes. In beiden Curien können und
werden diese Interessen das gemeinsame Ziel sein. Sollten jedoch Anträge kom¬
men, die nicht das Wohl des Königs und des Vaterlandes bezwecken, so wird
sich eine Fraction in beiden Versammlungen bilden, um die Interessen des Throns
zu wahren, und daß diese in dieser Versammlung ihre Hauptstütze
finden werde, scheint mir Gewißheit...."

Was wohl geeignet sein kann, dieser Versammlung einige Sympathien zu
erwecken, ist die Anerkennung, welche sie dem Prinzip der Oeffentlichkeit gezollt hat.

Der Fürst Lichnowöki erklärte die allcrvvllständigste und unbe¬
dingteste Veröffentlichung aller Verhandlungen für unumgänglich nothwendig
und von äußerster Wichtigkeit. Es sei bekannt, daß gegen die abgesonderte Stel¬
lung des Herrcnstandes in verschiedenen Ständen sich eine Art von Mißstimmung
gegen diese Versammlung ausgedrückt habe. Es bleibe der Versammlung kein
anderes Mittel, als die Veröffentlichung der Verhandlungen, und er betrachte es


neue Werk mangelhaft sei, nicht Anstand nehmen würde, diese Mängel z» heben.
Sie haben freilich zugleich in Beziehung aus ihre Rechte Verwahrung eingelegt!
aber beides stimmt nicht zu einander. Der Regierung bleibt doch immer das
letzte Urtheil anheimgestellt.

Nach dreitägigen Ferien trat die Versammlung am Ä<>. April wieder zu¬
sammen.

Von den Petitionen, die bis jetzt an die Comites vertheilt sind, sind fol¬
gende von allgemeinem Interesse: Verstärkung der Curie des Herrcnstandes; Re¬
form des ständischen Wahlgesetzes der Städte; Emanzipation der Juden; gleich¬
mäßige Besteuerung des Grundeigenthums; Abänderung der gesetzmäßigen Be¬
stimmungen, ans welchen die Wählbarkeit aus dem Staude der Landgemeinden zu
Krcistagsmitgliedern beruht; vermehrte Vertretung der Stadt- und Landgemein¬
den; Preßfreiheit.

Die von beiden Curien vorgetragene Bitte, die Präclusivfrist von > 4 Tagen
für Einbringung von Bitten und Beschwerden zu verlängern, wurde vom König
genehmigt.

Die erste Sitzung der Hcrrcneuric war von Interesse, weil hier die Ansicht
von der Bestimmung beider Curien auseinandergesetzt werden mußte. „Möge bei-
den Versammlungen," sagte der Marschall, „ein Gedanke fern bleiben, welcher
leicht geeignet ist, einer von beiden Versammlungen, gleichviel welcher, und dann
sortwucherud durch die Kraft des Gegensatzes auch der andern sich zu bemächtigen,
nämlich der falsche Gedanke, daß die Interessen des Bestehenden in
der ersten, die Interessen der Bewegung dagegen in der andern
Versammlung ihre natürliche, nothwendige und grundsätzliche
Vertretung finden. Ich nenne diesen Gedanken falsch, weil Heilsames
nur dann zu erwarten ist, wenn beide Interessen aufgehen in der Liebe zum
Guten, über welches man sich verständigen muß, und wenn folglich das Streben,
bei dem Guten zu beharren, und das Streben, das Gute zu ergreifen, in beiden
Versammlungen gleichmäßig vertreten ist— "

Der Prinz von Preußen erklärte sich mit dieser Ansicht einverstanden.
„Die vier Stände des vereinigten Landtags haben alle ein und dasselbe Interesse,
das Wohl des Königs und des Vaterlandes. In beiden Curien können und
werden diese Interessen das gemeinsame Ziel sein. Sollten jedoch Anträge kom¬
men, die nicht das Wohl des Königs und des Vaterlandes bezwecken, so wird
sich eine Fraction in beiden Versammlungen bilden, um die Interessen des Throns
zu wahren, und daß diese in dieser Versammlung ihre Hauptstütze
finden werde, scheint mir Gewißheit...."

Was wohl geeignet sein kann, dieser Versammlung einige Sympathien zu
erwecken, ist die Anerkennung, welche sie dem Prinzip der Oeffentlichkeit gezollt hat.

Der Fürst Lichnowöki erklärte die allcrvvllständigste und unbe¬
dingteste Veröffentlichung aller Verhandlungen für unumgänglich nothwendig
und von äußerster Wichtigkeit. Es sei bekannt, daß gegen die abgesonderte Stel¬
lung des Herrcnstandes in verschiedenen Ständen sich eine Art von Mißstimmung
gegen diese Versammlung ausgedrückt habe. Es bleibe der Versammlung kein
anderes Mittel, als die Veröffentlichung der Verhandlungen, und er betrachte es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/185>, abgerufen am 01.07.2024.