Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

betete und protestantischen Europa, als ein bizarrer, verletzender -- ja für
den Nichtkatholiken als ein empörender Akt erscheinen, aber sie liegt in den
Dogmen der katholischen Kirche, und von ihrem Gesichtspunkte ans ist
dieser Akt ein motivirter. Sieht mau uun überhaupt von der Polemik ge-
gegen die katholischen Dogmen ab und stellt sich auf den Standpunkt der
katholischen Anschauung, so wird man in dem Aktenstück des Fürsten Die-
penbrock einen merkwürdigen Fortschritt, ein merkwürdiges Erkennen des
Zeitgeistes und der Nothwendigkeit "ach seinen Gesehen und Anforderungen
zu sprechen, gewahr. Da ist nicht mehr von Holle, Fegefeuer, Teufeln und
ewiger Verdammuiß die Rede, der feingebildete, psychologische Kirchenfürst
Schlesiens motivirt seinen Akt uicht als religiöser Fanatiker, sondern als
Staatsmann, wir mochten sagen als Advokat.

Der Bischof sieht sich mit "Schmerz genöthigt, die anvertraute kirch¬
liche Strafgewalt anzuwenden-,--' "weil Alles zusammentrifft, um den Fall
reich an Aergerniß zu macheu." Die Sentenz bezeichnet zuerst die hohe
Geburt des Fürsten H. und das Beispiel, das grade ein Mann in seiner Stel-
lung Andern gibt, sie erinnert an den Fall, daß der Fürst schon vor fünf
Jahren die Couvalidirnng seiner ersten Ehe von dem päpstlichen Stuhle uuter
der Betheuerung erflehte, daß es für ihn und seiue Familie die höchste
Wohlthat wäre; sie bezeichnet es ferner als ein doppeltes Aergerniß, daß
der geniale Fürst in den letzten Jahren, sich se ib se berufen an die Spitze
der Katholiken in Schlesien gestellt und sich als eifrigster Vertreter der ka¬
tholischen Kirche gebährt hat; sie weist endlich ans den sehr modernen Um¬
stand hin, daß der Fürst erst im vorigen Jahre nach einer Audienz in Rom
den höchsten päpstlichen Ehrcuorden erhalten hat, der nun auf der Brust
desjenigen glänzt, der der Kirche und ihrer Autorität vor Aller Welt ver¬
ächtlich den Rücken wendet; endlich sei sogar "von dem Anhange des Fürsten
die falsche Nachricht verbreitet worden, daß er für sein gutes Geld gewiß
die Dispense zur Einsegnung einer zweiten "polygamischen!" Ehe erhalten
werde und sie sogar schon in Händen habe, da man für Geld am rechten
Orte Alles haben könnte, eine Lästerung, die durch Unser Schweigen nur
zu leicht ferneren Glauben finden konnte!"

Diese ganze Motivirung ist fern von aller Spur von Fanatismus und
Bigotterie, die Kirche wird darin blos als durch Nothwehr zur Aufrechthal-
tung ihrer Ehre zur Aussprechung der Excommunication gezwungen hingestellt
und der "Bann der Kirche" wird mit allen seinen gesetzlichen Folgen über
den Betreffenden verhängt. Man muß, wie gesagt, mit dem katholischen Stand¬
punkt und mit den Formen vertraut sein, in welchem noch in jüngster Zeit


betete und protestantischen Europa, als ein bizarrer, verletzender — ja für
den Nichtkatholiken als ein empörender Akt erscheinen, aber sie liegt in den
Dogmen der katholischen Kirche, und von ihrem Gesichtspunkte ans ist
dieser Akt ein motivirter. Sieht mau uun überhaupt von der Polemik ge-
gegen die katholischen Dogmen ab und stellt sich auf den Standpunkt der
katholischen Anschauung, so wird man in dem Aktenstück des Fürsten Die-
penbrock einen merkwürdigen Fortschritt, ein merkwürdiges Erkennen des
Zeitgeistes und der Nothwendigkeit »ach seinen Gesehen und Anforderungen
zu sprechen, gewahr. Da ist nicht mehr von Holle, Fegefeuer, Teufeln und
ewiger Verdammuiß die Rede, der feingebildete, psychologische Kirchenfürst
Schlesiens motivirt seinen Akt uicht als religiöser Fanatiker, sondern als
Staatsmann, wir mochten sagen als Advokat.

Der Bischof sieht sich mit „Schmerz genöthigt, die anvertraute kirch¬
liche Strafgewalt anzuwenden-,--' „weil Alles zusammentrifft, um den Fall
reich an Aergerniß zu macheu." Die Sentenz bezeichnet zuerst die hohe
Geburt des Fürsten H. und das Beispiel, das grade ein Mann in seiner Stel-
lung Andern gibt, sie erinnert an den Fall, daß der Fürst schon vor fünf
Jahren die Couvalidirnng seiner ersten Ehe von dem päpstlichen Stuhle uuter
der Betheuerung erflehte, daß es für ihn und seiue Familie die höchste
Wohlthat wäre; sie bezeichnet es ferner als ein doppeltes Aergerniß, daß
der geniale Fürst in den letzten Jahren, sich se ib se berufen an die Spitze
der Katholiken in Schlesien gestellt und sich als eifrigster Vertreter der ka¬
tholischen Kirche gebährt hat; sie weist endlich ans den sehr modernen Um¬
stand hin, daß der Fürst erst im vorigen Jahre nach einer Audienz in Rom
den höchsten päpstlichen Ehrcuorden erhalten hat, der nun auf der Brust
desjenigen glänzt, der der Kirche und ihrer Autorität vor Aller Welt ver¬
ächtlich den Rücken wendet; endlich sei sogar „von dem Anhange des Fürsten
die falsche Nachricht verbreitet worden, daß er für sein gutes Geld gewiß
die Dispense zur Einsegnung einer zweiten „polygamischen!" Ehe erhalten
werde und sie sogar schon in Händen habe, da man für Geld am rechten
Orte Alles haben könnte, eine Lästerung, die durch Unser Schweigen nur
zu leicht ferneren Glauben finden konnte!"

Diese ganze Motivirung ist fern von aller Spur von Fanatismus und
Bigotterie, die Kirche wird darin blos als durch Nothwehr zur Aufrechthal-
tung ihrer Ehre zur Aussprechung der Excommunication gezwungen hingestellt
und der „Bann der Kirche" wird mit allen seinen gesetzlichen Folgen über
den Betreffenden verhängt. Man muß, wie gesagt, mit dem katholischen Stand¬
punkt und mit den Formen vertraut sein, in welchem noch in jüngster Zeit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272070"/>
          <p xml:id="ID_671" prev="#ID_670"> betete und protestantischen Europa, als ein bizarrer, verletzender &#x2014; ja für<lb/>
den Nichtkatholiken als ein empörender Akt erscheinen, aber sie liegt in den<lb/>
Dogmen der katholischen Kirche, und von ihrem Gesichtspunkte ans ist<lb/>
dieser Akt ein motivirter. Sieht mau uun überhaupt von der Polemik ge-<lb/>
gegen die katholischen Dogmen ab und stellt sich auf den Standpunkt der<lb/>
katholischen Anschauung, so wird man in dem Aktenstück des Fürsten Die-<lb/>
penbrock einen merkwürdigen Fortschritt, ein merkwürdiges Erkennen des<lb/>
Zeitgeistes und der Nothwendigkeit »ach seinen Gesehen und Anforderungen<lb/>
zu sprechen, gewahr. Da ist nicht mehr von Holle, Fegefeuer, Teufeln und<lb/>
ewiger Verdammuiß die Rede, der feingebildete, psychologische Kirchenfürst<lb/>
Schlesiens motivirt seinen Akt uicht als religiöser Fanatiker, sondern als<lb/>
Staatsmann, wir mochten sagen als Advokat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_672"> Der Bischof sieht sich mit &#x201E;Schmerz genöthigt, die anvertraute kirch¬<lb/>
liche Strafgewalt anzuwenden-,--' &#x201E;weil Alles zusammentrifft, um den Fall<lb/>
reich an Aergerniß zu macheu." Die Sentenz bezeichnet zuerst die hohe<lb/>
Geburt des Fürsten H. und das Beispiel, das grade ein Mann in seiner Stel-<lb/>
lung Andern gibt, sie erinnert an den Fall, daß der Fürst schon vor fünf<lb/>
Jahren die Couvalidirnng seiner ersten Ehe von dem päpstlichen Stuhle uuter<lb/>
der Betheuerung erflehte, daß es für ihn und seiue Familie die höchste<lb/>
Wohlthat wäre; sie bezeichnet es ferner als ein doppeltes Aergerniß, daß<lb/>
der geniale Fürst in den letzten Jahren, sich se ib se berufen an die Spitze<lb/>
der Katholiken in Schlesien gestellt und sich als eifrigster Vertreter der ka¬<lb/>
tholischen Kirche gebährt hat; sie weist endlich ans den sehr modernen Um¬<lb/>
stand hin, daß der Fürst erst im vorigen Jahre nach einer Audienz in Rom<lb/>
den höchsten päpstlichen Ehrcuorden erhalten hat, der nun auf der Brust<lb/>
desjenigen glänzt, der der Kirche und ihrer Autorität vor Aller Welt ver¬<lb/>
ächtlich den Rücken wendet; endlich sei sogar &#x201E;von dem Anhange des Fürsten<lb/>
die falsche Nachricht verbreitet worden, daß er für sein gutes Geld gewiß<lb/>
die Dispense zur Einsegnung einer zweiten &#x201E;polygamischen!" Ehe erhalten<lb/>
werde und sie sogar schon in Händen habe, da man für Geld am rechten<lb/>
Orte Alles haben könnte, eine Lästerung, die durch Unser Schweigen nur<lb/>
zu leicht ferneren Glauben finden konnte!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_673" next="#ID_674"> Diese ganze Motivirung ist fern von aller Spur von Fanatismus und<lb/>
Bigotterie, die Kirche wird darin blos als durch Nothwehr zur Aufrechthal-<lb/>
tung ihrer Ehre zur Aussprechung der Excommunication gezwungen hingestellt<lb/>
und der &#x201E;Bann der Kirche" wird mit allen seinen gesetzlichen Folgen über<lb/>
den Betreffenden verhängt. Man muß, wie gesagt, mit dem katholischen Stand¬<lb/>
punkt und mit den Formen vertraut sein, in welchem noch in jüngster Zeit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0171] betete und protestantischen Europa, als ein bizarrer, verletzender — ja für den Nichtkatholiken als ein empörender Akt erscheinen, aber sie liegt in den Dogmen der katholischen Kirche, und von ihrem Gesichtspunkte ans ist dieser Akt ein motivirter. Sieht mau uun überhaupt von der Polemik ge- gegen die katholischen Dogmen ab und stellt sich auf den Standpunkt der katholischen Anschauung, so wird man in dem Aktenstück des Fürsten Die- penbrock einen merkwürdigen Fortschritt, ein merkwürdiges Erkennen des Zeitgeistes und der Nothwendigkeit »ach seinen Gesehen und Anforderungen zu sprechen, gewahr. Da ist nicht mehr von Holle, Fegefeuer, Teufeln und ewiger Verdammuiß die Rede, der feingebildete, psychologische Kirchenfürst Schlesiens motivirt seinen Akt uicht als religiöser Fanatiker, sondern als Staatsmann, wir mochten sagen als Advokat. Der Bischof sieht sich mit „Schmerz genöthigt, die anvertraute kirch¬ liche Strafgewalt anzuwenden-,--' „weil Alles zusammentrifft, um den Fall reich an Aergerniß zu macheu." Die Sentenz bezeichnet zuerst die hohe Geburt des Fürsten H. und das Beispiel, das grade ein Mann in seiner Stel- lung Andern gibt, sie erinnert an den Fall, daß der Fürst schon vor fünf Jahren die Couvalidirnng seiner ersten Ehe von dem päpstlichen Stuhle uuter der Betheuerung erflehte, daß es für ihn und seiue Familie die höchste Wohlthat wäre; sie bezeichnet es ferner als ein doppeltes Aergerniß, daß der geniale Fürst in den letzten Jahren, sich se ib se berufen an die Spitze der Katholiken in Schlesien gestellt und sich als eifrigster Vertreter der ka¬ tholischen Kirche gebährt hat; sie weist endlich ans den sehr modernen Um¬ stand hin, daß der Fürst erst im vorigen Jahre nach einer Audienz in Rom den höchsten päpstlichen Ehrcuorden erhalten hat, der nun auf der Brust desjenigen glänzt, der der Kirche und ihrer Autorität vor Aller Welt ver¬ ächtlich den Rücken wendet; endlich sei sogar „von dem Anhange des Fürsten die falsche Nachricht verbreitet worden, daß er für sein gutes Geld gewiß die Dispense zur Einsegnung einer zweiten „polygamischen!" Ehe erhalten werde und sie sogar schon in Händen habe, da man für Geld am rechten Orte Alles haben könnte, eine Lästerung, die durch Unser Schweigen nur zu leicht ferneren Glauben finden konnte!" Diese ganze Motivirung ist fern von aller Spur von Fanatismus und Bigotterie, die Kirche wird darin blos als durch Nothwehr zur Aufrechthal- tung ihrer Ehre zur Aussprechung der Excommunication gezwungen hingestellt und der „Bann der Kirche" wird mit allen seinen gesetzlichen Folgen über den Betreffenden verhängt. Man muß, wie gesagt, mit dem katholischen Stand¬ punkt und mit den Formen vertraut sein, in welchem noch in jüngster Zeit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/171
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/171>, abgerufen am 22.07.2024.