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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Bis dahin war "die Sacht, mit, einzelnen - Abweichungen, im Ganzen im Ge¬
leise geblieben; sie nahm aber plötzlich eine neue Wendung durch das Einschmug¬
geln sentimentaler Rücksichten.

Ein Mitglied der Herrencurie, der Fürst Felix Lychnowski nahm das Wort:
.^Es hat ^ sich bei Vielen von uns das Bedenken erhoben, ob es.Ms zustehe, ob
es der Würde der Herrencuric angemessen sei (Murren der Vcrsannulung) einer Be¬
rathung beizuwohnen, aus der eine Berufung auf die ^Geschäftsordnung , uns ent¬
fernen konnte...." Nachdem aber diese Zweifel durch die Erklärung des Landtags-
marschalls beseitigt waren, haben wir uns ebenso entschieden gegen den Vorschlag
erklärt, uns auf eine bloße Dankadresse zu beschränken. Die höchste Loyalität
liegt in der höchsten Wahrheit. Es wäre Lüge, dem König zu. sagen,
daß sein Volk nichts mehr wünscht. Es wäre aber ebenso Frevel, es ihm
auf eine Weise zu sagen, die sein großes, weiches, warmes Herz verletzen, ihn
schmerzlich berühren, als Undank ausgelegt werden könnte--

Darum beschwöre ich Sie, wenn Sie auch Alles sagen, was Ihnen das
Herz bewegt, es in Formen zu hüllen, die uns dem Zwecke einer/Verständigung
nähern, ohne deshalb unsrer Unabhängigkeit zu schaden--"

Der Redner beantragte deshalb die Auslassung derjenigen Stelle der Adresse,
welche "mit Schmerz" auf die Thronrede hinweist, .und die. Ersetzung des Aus¬
drucks "Verwahrung" durch eine Erklärung des "Vertrauens", daß der König
auf die Wünsche der Versammlung eingehen werde.

Dieser Vorschlag gewann dadurch an Bedeutung, daß der ehemalige Staats¬
minister, Graf Armin sich seiner annahm. Ich habe schon früher erwähnt, daß
bereits in den Vorberathnngen dieser Staatsmann Versucht hatte, eine Mittels¬
partei zwischen den entschiedenen Liberalen und den entschiedenen Konservativen
zu bilden. Alles sah daher seiner Rede mit Spannung entgegen.

Er erklärte^sich mit dem ersten und dritte" Theil der Adresse einverstanden;
gegen den zweiten dagegen, der die Bedenken der VerM
er aus drei Gründen stimmen zu müssen.

Einmal sei eine solche Ausführung nicht nöthig. Die Stände könnten
sich ihrer Rechte nie vergeben, weder durch eine neue Dankadresse, noch auch,
weipl sie keine Adresse votirten; ein Vorbehalt ihrer Rechte verstände sich immer
von selbst.

Sie sei ferner nicht vollständig begründet. Es seien allerdings,in
der' Versammlung Ansichten laut geworden -- und .er selber, sei zum Theil mit
ihnen einverstanden, namentlich in Betreff der alljährlichen Einberufung der Stände
--, nach denen durch das Patent vom Z. Februar die Versprechungen der Krone
nicht vollständig erfüllt seien; aber um diese Ansicht als die Ansicht d-er gan¬
zen Versammlung dem König vorzulegen, dazu sei man noch nicht berechtigt.
(Hier entsteht die Frage: wie soll man anders darüber in's Klare kommen, als
durch eine ausfiihrliche Discussion und endliche Abstimmung?)

Endlich sei sie schädlich. In der ersten Ansprache der Stände an Se.
Majestät ist Alles, was darin überflüssig, nicht dahin gehörig; und es schadet dem
Charakter dieser Ansprache, es schadet dem Eindrucke, den sie auf das Volk machen


Bis dahin war "die Sacht, mit, einzelnen - Abweichungen, im Ganzen im Ge¬
leise geblieben; sie nahm aber plötzlich eine neue Wendung durch das Einschmug¬
geln sentimentaler Rücksichten.

Ein Mitglied der Herrencurie, der Fürst Felix Lychnowski nahm das Wort:
.^Es hat ^ sich bei Vielen von uns das Bedenken erhoben, ob es.Ms zustehe, ob
es der Würde der Herrencuric angemessen sei (Murren der Vcrsannulung) einer Be¬
rathung beizuwohnen, aus der eine Berufung auf die ^Geschäftsordnung , uns ent¬
fernen konnte...." Nachdem aber diese Zweifel durch die Erklärung des Landtags-
marschalls beseitigt waren, haben wir uns ebenso entschieden gegen den Vorschlag
erklärt, uns auf eine bloße Dankadresse zu beschränken. Die höchste Loyalität
liegt in der höchsten Wahrheit. Es wäre Lüge, dem König zu. sagen,
daß sein Volk nichts mehr wünscht. Es wäre aber ebenso Frevel, es ihm
auf eine Weise zu sagen, die sein großes, weiches, warmes Herz verletzen, ihn
schmerzlich berühren, als Undank ausgelegt werden könnte—

Darum beschwöre ich Sie, wenn Sie auch Alles sagen, was Ihnen das
Herz bewegt, es in Formen zu hüllen, die uns dem Zwecke einer/Verständigung
nähern, ohne deshalb unsrer Unabhängigkeit zu schaden—"

Der Redner beantragte deshalb die Auslassung derjenigen Stelle der Adresse,
welche „mit Schmerz" auf die Thronrede hinweist, .und die. Ersetzung des Aus¬
drucks „Verwahrung" durch eine Erklärung des „Vertrauens", daß der König
auf die Wünsche der Versammlung eingehen werde.

Dieser Vorschlag gewann dadurch an Bedeutung, daß der ehemalige Staats¬
minister, Graf Armin sich seiner annahm. Ich habe schon früher erwähnt, daß
bereits in den Vorberathnngen dieser Staatsmann Versucht hatte, eine Mittels¬
partei zwischen den entschiedenen Liberalen und den entschiedenen Konservativen
zu bilden. Alles sah daher seiner Rede mit Spannung entgegen.

Er erklärte^sich mit dem ersten und dritte» Theil der Adresse einverstanden;
gegen den zweiten dagegen, der die Bedenken der VerM
er aus drei Gründen stimmen zu müssen.

Einmal sei eine solche Ausführung nicht nöthig. Die Stände könnten
sich ihrer Rechte nie vergeben, weder durch eine neue Dankadresse, noch auch,
weipl sie keine Adresse votirten; ein Vorbehalt ihrer Rechte verstände sich immer
von selbst.

Sie sei ferner nicht vollständig begründet. Es seien allerdings,in
der' Versammlung Ansichten laut geworden — und .er selber, sei zum Theil mit
ihnen einverstanden, namentlich in Betreff der alljährlichen Einberufung der Stände
—, nach denen durch das Patent vom Z. Februar die Versprechungen der Krone
nicht vollständig erfüllt seien; aber um diese Ansicht als die Ansicht d-er gan¬
zen Versammlung dem König vorzulegen, dazu sei man noch nicht berechtigt.
(Hier entsteht die Frage: wie soll man anders darüber in's Klare kommen, als
durch eine ausfiihrliche Discussion und endliche Abstimmung?)

Endlich sei sie schädlich. In der ersten Ansprache der Stände an Se.
Majestät ist Alles, was darin überflüssig, nicht dahin gehörig; und es schadet dem
Charakter dieser Ansprache, es schadet dem Eindrucke, den sie auf das Volk machen


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[0146] Bis dahin war "die Sacht, mit, einzelnen - Abweichungen, im Ganzen im Ge¬ leise geblieben; sie nahm aber plötzlich eine neue Wendung durch das Einschmug¬ geln sentimentaler Rücksichten. Ein Mitglied der Herrencurie, der Fürst Felix Lychnowski nahm das Wort: .^Es hat ^ sich bei Vielen von uns das Bedenken erhoben, ob es.Ms zustehe, ob es der Würde der Herrencuric angemessen sei (Murren der Vcrsannulung) einer Be¬ rathung beizuwohnen, aus der eine Berufung auf die ^Geschäftsordnung , uns ent¬ fernen konnte...." Nachdem aber diese Zweifel durch die Erklärung des Landtags- marschalls beseitigt waren, haben wir uns ebenso entschieden gegen den Vorschlag erklärt, uns auf eine bloße Dankadresse zu beschränken. Die höchste Loyalität liegt in der höchsten Wahrheit. Es wäre Lüge, dem König zu. sagen, daß sein Volk nichts mehr wünscht. Es wäre aber ebenso Frevel, es ihm auf eine Weise zu sagen, die sein großes, weiches, warmes Herz verletzen, ihn schmerzlich berühren, als Undank ausgelegt werden könnte— Darum beschwöre ich Sie, wenn Sie auch Alles sagen, was Ihnen das Herz bewegt, es in Formen zu hüllen, die uns dem Zwecke einer/Verständigung nähern, ohne deshalb unsrer Unabhängigkeit zu schaden—" Der Redner beantragte deshalb die Auslassung derjenigen Stelle der Adresse, welche „mit Schmerz" auf die Thronrede hinweist, .und die. Ersetzung des Aus¬ drucks „Verwahrung" durch eine Erklärung des „Vertrauens", daß der König auf die Wünsche der Versammlung eingehen werde. Dieser Vorschlag gewann dadurch an Bedeutung, daß der ehemalige Staats¬ minister, Graf Armin sich seiner annahm. Ich habe schon früher erwähnt, daß bereits in den Vorberathnngen dieser Staatsmann Versucht hatte, eine Mittels¬ partei zwischen den entschiedenen Liberalen und den entschiedenen Konservativen zu bilden. Alles sah daher seiner Rede mit Spannung entgegen. Er erklärte^sich mit dem ersten und dritte» Theil der Adresse einverstanden; gegen den zweiten dagegen, der die Bedenken der VerM er aus drei Gründen stimmen zu müssen. Einmal sei eine solche Ausführung nicht nöthig. Die Stände könnten sich ihrer Rechte nie vergeben, weder durch eine neue Dankadresse, noch auch, weipl sie keine Adresse votirten; ein Vorbehalt ihrer Rechte verstände sich immer von selbst. Sie sei ferner nicht vollständig begründet. Es seien allerdings,in der' Versammlung Ansichten laut geworden — und .er selber, sei zum Theil mit ihnen einverstanden, namentlich in Betreff der alljährlichen Einberufung der Stände —, nach denen durch das Patent vom Z. Februar die Versprechungen der Krone nicht vollständig erfüllt seien; aber um diese Ansicht als die Ansicht d-er gan¬ zen Versammlung dem König vorzulegen, dazu sei man noch nicht berechtigt. (Hier entsteht die Frage: wie soll man anders darüber in's Klare kommen, als durch eine ausfiihrliche Discussion und endliche Abstimmung?) Endlich sei sie schädlich. In der ersten Ansprache der Stände an Se. Majestät ist Alles, was darin überflüssig, nicht dahin gehörig; und es schadet dem Charakter dieser Ansprache, es schadet dem Eindrucke, den sie auf das Volk machen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/146>, abgerufen am 03.07.2024.