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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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i.
Michelet's Geschichte der Revolution.

Sie erhalten diesmal Ihre Korrespondenz von einem Halbkranke", der übri¬
gens vollkommen Zeit hat das Bett zu hüten, denn -- es geschieht hier Nichts. Die
Kammer fängt zwar nun nachgerade an in Bewegung zu kommen, die Arbeitzeit
naht; vorerst hat sie gestern die Verhandlung über eine kleine Bankrcform ange¬
fangen; die Verhandlung über das neue llntcrrichtsgcsetz steht bevor; ebenso die
über eine Dnodcz-ZMcform. Von all' dem Nächstens, für heute in Ermange¬
lung eines Bessern die folgende Würdigung eines der neuen Geschichtswerke über
die Revolution. --

Für einen Kranken ist Herrn Michelet's -- "Kistmro "lo I" Revolution inn-
en""" ein ganz guter Fund. Die Revolution in einer Harlekinsjacke -- das
ist freilich oft sehr böse, aber hat auch seine lustige Seite, lind deswegen, wenn
Sie etwa auch unpäßlich sein sollten, lesen Sie Herrn Michelet; das wird Ih¬
nen wohl thun.

Die französische Revolution, oder besser die Schreckenszeit charaktcrisnt
Victor Hugo, der Große, mit dem Stich-, Schlag-, Knall- und Fallwort:
"jUiltre om^t treibe -- im zw'me nur->la"8 im ciel inen! "Ein schwarzer
Punkt in einem blauen Himmel!" Das war schon anständig, schon aller Ehren
werth; aber Kinderspiel gegen meinen Krankenpfleger und Tröster. Herr Michelet
ist die vollkommene tollgcwvrdene Phrase der Victor Hugo'schen Poesie. Sein
ganzes Werk hat nur als eine letzte Ausartung der gräßlichen Unnatur, zu der
die Phrase in neuester Zeit hinaufgeschraubt wurde, Bedeutung. Herr Victor
Hugo ist nichts weniger als der Erfinder dieses hochtrabenden Hahncnschritts,
aber einer der gewaltigsten Heroen desselben. Die Phrase ist überhaupt ein fran¬
zösisches Lebenselement und in der Geschichte Frankreichs von der größten Bedeu¬
tung. Jeder wirklich volksthümliche Charakter hat wenigstens eine oder ein paar
Phrasen, die ihm mehr geholfen, sein Ansehen zu erlangen und zu erhalten, als


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i.
Michelet's Geschichte der Revolution.

Sie erhalten diesmal Ihre Korrespondenz von einem Halbkranke», der übri¬
gens vollkommen Zeit hat das Bett zu hüten, denn — es geschieht hier Nichts. Die
Kammer fängt zwar nun nachgerade an in Bewegung zu kommen, die Arbeitzeit
naht; vorerst hat sie gestern die Verhandlung über eine kleine Bankrcform ange¬
fangen; die Verhandlung über das neue llntcrrichtsgcsetz steht bevor; ebenso die
über eine Dnodcz-ZMcform. Von all' dem Nächstens, für heute in Ermange¬
lung eines Bessern die folgende Würdigung eines der neuen Geschichtswerke über
die Revolution. —

Für einen Kranken ist Herrn Michelet's — „Kistmro «lo I» Revolution inn-
en««" ein ganz guter Fund. Die Revolution in einer Harlekinsjacke — das
ist freilich oft sehr böse, aber hat auch seine lustige Seite, lind deswegen, wenn
Sie etwa auch unpäßlich sein sollten, lesen Sie Herrn Michelet; das wird Ih¬
nen wohl thun.

Die französische Revolution, oder besser die Schreckenszeit charaktcrisnt
Victor Hugo, der Große, mit dem Stich-, Schlag-, Knall- und Fallwort:
«jUiltre om^t treibe — im zw'me nur->la»8 im ciel inen! „Ein schwarzer
Punkt in einem blauen Himmel!" Das war schon anständig, schon aller Ehren
werth; aber Kinderspiel gegen meinen Krankenpfleger und Tröster. Herr Michelet
ist die vollkommene tollgcwvrdene Phrase der Victor Hugo'schen Poesie. Sein
ganzes Werk hat nur als eine letzte Ausartung der gräßlichen Unnatur, zu der
die Phrase in neuester Zeit hinaufgeschraubt wurde, Bedeutung. Herr Victor
Hugo ist nichts weniger als der Erfinder dieses hochtrabenden Hahncnschritts,
aber einer der gewaltigsten Heroen desselben. Die Phrase ist überhaupt ein fran¬
zösisches Lebenselement und in der Geschichte Frankreichs von der größten Bedeu¬
tung. Jeder wirklich volksthümliche Charakter hat wenigstens eine oder ein paar
Phrasen, die ihm mehr geholfen, sein Ansehen zu erlangen und zu erhalten, als


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[0137] T a g e b u c!>. i. Michelet's Geschichte der Revolution. Sie erhalten diesmal Ihre Korrespondenz von einem Halbkranke», der übri¬ gens vollkommen Zeit hat das Bett zu hüten, denn — es geschieht hier Nichts. Die Kammer fängt zwar nun nachgerade an in Bewegung zu kommen, die Arbeitzeit naht; vorerst hat sie gestern die Verhandlung über eine kleine Bankrcform ange¬ fangen; die Verhandlung über das neue llntcrrichtsgcsetz steht bevor; ebenso die über eine Dnodcz-ZMcform. Von all' dem Nächstens, für heute in Ermange¬ lung eines Bessern die folgende Würdigung eines der neuen Geschichtswerke über die Revolution. — Für einen Kranken ist Herrn Michelet's — „Kistmro «lo I» Revolution inn- en««" ein ganz guter Fund. Die Revolution in einer Harlekinsjacke — das ist freilich oft sehr böse, aber hat auch seine lustige Seite, lind deswegen, wenn Sie etwa auch unpäßlich sein sollten, lesen Sie Herrn Michelet; das wird Ih¬ nen wohl thun. Die französische Revolution, oder besser die Schreckenszeit charaktcrisnt Victor Hugo, der Große, mit dem Stich-, Schlag-, Knall- und Fallwort: «jUiltre om^t treibe — im zw'me nur->la»8 im ciel inen! „Ein schwarzer Punkt in einem blauen Himmel!" Das war schon anständig, schon aller Ehren werth; aber Kinderspiel gegen meinen Krankenpfleger und Tröster. Herr Michelet ist die vollkommene tollgcwvrdene Phrase der Victor Hugo'schen Poesie. Sein ganzes Werk hat nur als eine letzte Ausartung der gräßlichen Unnatur, zu der die Phrase in neuester Zeit hinaufgeschraubt wurde, Bedeutung. Herr Victor Hugo ist nichts weniger als der Erfinder dieses hochtrabenden Hahncnschritts, aber einer der gewaltigsten Heroen desselben. Die Phrase ist überhaupt ein fran¬ zösisches Lebenselement und in der Geschichte Frankreichs von der größten Bedeu¬ tung. Jeder wirklich volksthümliche Charakter hat wenigstens eine oder ein paar Phrasen, die ihm mehr geholfen, sein Ansehen zu erlangen und zu erhalten, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/137>, abgerufen am 26.06.2024.