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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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gemeine Selbstverbesseruug der Bureaukratie und aus die Fortschritte, die
die Nothwendigkeit und der Drang der Zeit herbeiführen muß. Nothiven
digkeit! Drang der Zeit! Inhaltsschwere Worte, wo es sich um politische
Bewegungen handelt, dringende und rauhe Mahner, denen mau so bald als
möglich Thüren und Wege offnen soll, wenn man nicht will, daß sie am
Ende durch das Dach oder durch die Mauer in das Haus brechen. Hier
sind wir auf dem Puukt, auf welchem der Vorposten von Oesterreich's Zu¬
kunft steht, indem er mahnend auf die neu erwachten Landstände hinweist,
als die Wege und Thüren, durch welche die öffentliche Meinung
die gefährlichen Gäste ruhig einführen und als feindliche
Rathgeber der Regierung gegenüber stellen soll. Wenn wir
nun die beiden erwähnten Artikel und ihre Vorläufer betrachten, wenn wir
sehen, wie zugleich das vorhandene Element des Fortschritts verworfen und
doch dieser Fortschritt in seiner vollsten Ausdehnung verlangt wird; wie dem
ärgsten Mißtrauen gegen eine, wenn auch zumeist aristokratische, doch mit
des Landes Wohl und Wehe innig verbundene Corporation das Vertrauen
auf besoldete Beamte entgegengestellt wird; wie endlich einerseits auf den
Drang der Zeit und die Nothwendigkeit gehofft und andererseits der einzige
friedliche Weg diese Mahnungen der Regierung mit Ernst entgegenzustellen
verleitet werden will -- so wissen wir wahrlich nicht, ob wir über dieses
Kauderwälsch einer öffentlichen Meinung lächeln oder trauernd ausrufen
sollen: Mäuner des Fortschritts legt euch schlafe" wie jener große Kaiser
und laßt euern Bart bis auf bessere Zeiten um den Tisch heriun wachsen.
Vornämlich wenn man weiß, wie gut es sich in Oesterreich lebt, wenn
mau vou Adel und gar noch reich ist, so muß man sich staunend fragen,
welche egoistische Standesinteressen denn diese Herren ängstlich vertheidigen
und was Großes sie denn in den jetzigen Zeitverhältnissen für sich dadurch
gewinnen wollen, daß sie dem, nach allgemeiner Nivellirung strebenden Fort¬
schritt huldigend einen politischen Wirkungskreis ansprechen. Wäre es ihren
egoistischen Standesinteressen am Ende nicht angemessener, Alles so lange
als möglich hübsch beim Alten zu erhalten, und statt Geld und Zeit in
Privatvereinen zu opfern, in den ständischen Sälen über Steuern, Hy¬
pothekenbank, Straßenbau, Lottospiel u. s. w. zu sprechen, und
sich mit der Bureaukratie zu verfeinden, solche Lapalien unserm lieben Herr
Gott und dein betreffenden Commissair oder Referenten überließen, den
Herrn Bureaukraten, die am Ende nicht gar so bärbeißig sind, hie und da
die Hand drückten und so das traurige Leben angenehm und sorgenlos ge¬
nießen würden? Und wenn es die ernste Mahnung der Zeit, wenn es die


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gemeine Selbstverbesseruug der Bureaukratie und aus die Fortschritte, die
die Nothwendigkeit und der Drang der Zeit herbeiführen muß. Nothiven
digkeit! Drang der Zeit! Inhaltsschwere Worte, wo es sich um politische
Bewegungen handelt, dringende und rauhe Mahner, denen mau so bald als
möglich Thüren und Wege offnen soll, wenn man nicht will, daß sie am
Ende durch das Dach oder durch die Mauer in das Haus brechen. Hier
sind wir auf dem Puukt, auf welchem der Vorposten von Oesterreich's Zu¬
kunft steht, indem er mahnend auf die neu erwachten Landstände hinweist,
als die Wege und Thüren, durch welche die öffentliche Meinung
die gefährlichen Gäste ruhig einführen und als feindliche
Rathgeber der Regierung gegenüber stellen soll. Wenn wir
nun die beiden erwähnten Artikel und ihre Vorläufer betrachten, wenn wir
sehen, wie zugleich das vorhandene Element des Fortschritts verworfen und
doch dieser Fortschritt in seiner vollsten Ausdehnung verlangt wird; wie dem
ärgsten Mißtrauen gegen eine, wenn auch zumeist aristokratische, doch mit
des Landes Wohl und Wehe innig verbundene Corporation das Vertrauen
auf besoldete Beamte entgegengestellt wird; wie endlich einerseits auf den
Drang der Zeit und die Nothwendigkeit gehofft und andererseits der einzige
friedliche Weg diese Mahnungen der Regierung mit Ernst entgegenzustellen
verleitet werden will — so wissen wir wahrlich nicht, ob wir über dieses
Kauderwälsch einer öffentlichen Meinung lächeln oder trauernd ausrufen
sollen: Mäuner des Fortschritts legt euch schlafe» wie jener große Kaiser
und laßt euern Bart bis auf bessere Zeiten um den Tisch heriun wachsen.
Vornämlich wenn man weiß, wie gut es sich in Oesterreich lebt, wenn
mau vou Adel und gar noch reich ist, so muß man sich staunend fragen,
welche egoistische Standesinteressen denn diese Herren ängstlich vertheidigen
und was Großes sie denn in den jetzigen Zeitverhältnissen für sich dadurch
gewinnen wollen, daß sie dem, nach allgemeiner Nivellirung strebenden Fort¬
schritt huldigend einen politischen Wirkungskreis ansprechen. Wäre es ihren
egoistischen Standesinteressen am Ende nicht angemessener, Alles so lange
als möglich hübsch beim Alten zu erhalten, und statt Geld und Zeit in
Privatvereinen zu opfern, in den ständischen Sälen über Steuern, Hy¬
pothekenbank, Straßenbau, Lottospiel u. s. w. zu sprechen, und
sich mit der Bureaukratie zu verfeinden, solche Lapalien unserm lieben Herr
Gott und dein betreffenden Commissair oder Referenten überließen, den
Herrn Bureaukraten, die am Ende nicht gar so bärbeißig sind, hie und da
die Hand drückten und so das traurige Leben angenehm und sorgenlos ge¬
nießen würden? Und wenn es die ernste Mahnung der Zeit, wenn es die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/135>, abgerufen am 01.07.2024.