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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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thumc (und wir verstehen unter dieser Bezeichnung nicht etwa blos die aristo¬
kratischen Städtebewohner, den Geldbeutel der hohen Finanz und Industrie,
sondern alle jene Elemente, welche den Kern des Volkes bilden, die Capaci-
täten, die Gewerbe aller Art in Stadt- und Landgemeinden) die Betheili¬
gung bei den ständischen Rechten erworben werden? Durch Zusätze zu den
alten Landesverfassungen! Durch Zusätze, die der Regierung uur nach lang¬
jährigem Kampfe abgerungen werden könnten, während gleichzeitig ein zwei¬
ter Kampf mit der ultraaristvkratischen-antiliberalen Partei zu sichren wäre,
der gewiß diese Znständnisse in die allerengsten Schranken einzuengen trachten
wird. Und dieses alles um eine alte Landesverfassung wieder zu beleben,
deren Grundprinzipien im Mittelalter wurzeln und die in noch gar vielen
andern Stellen faul und mvderhaft ist!

Wir verkeimen nicht den Werth und die Wichtigkeit der historischen
Entwickelung und des Fortbanens auf bestehenden Grundlagen, aber wo
dieser historische Stufengang einmal unterbrochen ist, da ist es besser, an
dem Neuen statt an dem Alten zu bauen. In einem, großen Theil Oester¬
reichs ist nun einmal die Geltung der alten Landesordnung durch fünfzig
Jahre und noch darüber unterbrochen geblieben und der Adel, der die
Hände in den Schooß legte und zusah, hat sich's selber zuzuschreiben, daß
es so kam. Und nnn, nach so lauger Unterbrechung, während welcher die
meisten gebildeten Staaten Enropa's eine ganz andere Richtung in ihrer
Entwickelung genommen haben, sollen wir, die Masse der österreichischen
Bevölkerung, dem Adel helfen, seine alten Privilegien wieder restauriren,
damit er uns dann nach sich ziehe. Der Umweg ist etwas weit,
etwas sehr weit! Wir glauben, das Interesse des Bürgerthums, des Ge-
sammtvolkes hat ein viel näheres Ziel. Wenn die Presse, wenn die öffent¬
liche Meinung der Regierung bessere Zustände abgewinnen soll, so sollen
diese nicht in einer Restauration alter Verhältnisse, sondern in einer Orga¬
nisation von neuen, die den Bedürfnissen der Gegenwart, den Erfahrungen
der neuern Politik und dem wahren Schwerpunkte der heutigen Bevölkerung,
der nicht mehr im Adel liegt, besser entsprechen, als die alten Wladislav'-
schen und Ferdinandmischen Landesordnungen.

Dennoch aber wollen wir keineswegs übersehen, daß die landständischen
Bewegungen in ihren Prinzipien durchaus berechtigt sind und wir ge¬
stehen gerne zu, daß ihre Wirksamkeit, wenn sie ihre Aufgabe ver¬
stehen, von großem praktischem Nutzen für die Gesammtheit werden könnte.
Zuerst wird der Fortschrittspartei durch die Landtage ein wichtiger und


thumc (und wir verstehen unter dieser Bezeichnung nicht etwa blos die aristo¬
kratischen Städtebewohner, den Geldbeutel der hohen Finanz und Industrie,
sondern alle jene Elemente, welche den Kern des Volkes bilden, die Capaci-
täten, die Gewerbe aller Art in Stadt- und Landgemeinden) die Betheili¬
gung bei den ständischen Rechten erworben werden? Durch Zusätze zu den
alten Landesverfassungen! Durch Zusätze, die der Regierung uur nach lang¬
jährigem Kampfe abgerungen werden könnten, während gleichzeitig ein zwei¬
ter Kampf mit der ultraaristvkratischen-antiliberalen Partei zu sichren wäre,
der gewiß diese Znständnisse in die allerengsten Schranken einzuengen trachten
wird. Und dieses alles um eine alte Landesverfassung wieder zu beleben,
deren Grundprinzipien im Mittelalter wurzeln und die in noch gar vielen
andern Stellen faul und mvderhaft ist!

Wir verkeimen nicht den Werth und die Wichtigkeit der historischen
Entwickelung und des Fortbanens auf bestehenden Grundlagen, aber wo
dieser historische Stufengang einmal unterbrochen ist, da ist es besser, an
dem Neuen statt an dem Alten zu bauen. In einem, großen Theil Oester¬
reichs ist nun einmal die Geltung der alten Landesordnung durch fünfzig
Jahre und noch darüber unterbrochen geblieben und der Adel, der die
Hände in den Schooß legte und zusah, hat sich's selber zuzuschreiben, daß
es so kam. Und nnn, nach so lauger Unterbrechung, während welcher die
meisten gebildeten Staaten Enropa's eine ganz andere Richtung in ihrer
Entwickelung genommen haben, sollen wir, die Masse der österreichischen
Bevölkerung, dem Adel helfen, seine alten Privilegien wieder restauriren,
damit er uns dann nach sich ziehe. Der Umweg ist etwas weit,
etwas sehr weit! Wir glauben, das Interesse des Bürgerthums, des Ge-
sammtvolkes hat ein viel näheres Ziel. Wenn die Presse, wenn die öffent¬
liche Meinung der Regierung bessere Zustände abgewinnen soll, so sollen
diese nicht in einer Restauration alter Verhältnisse, sondern in einer Orga¬
nisation von neuen, die den Bedürfnissen der Gegenwart, den Erfahrungen
der neuern Politik und dem wahren Schwerpunkte der heutigen Bevölkerung,
der nicht mehr im Adel liegt, besser entsprechen, als die alten Wladislav'-
schen und Ferdinandmischen Landesordnungen.

Dennoch aber wollen wir keineswegs übersehen, daß die landständischen
Bewegungen in ihren Prinzipien durchaus berechtigt sind und wir ge¬
stehen gerne zu, daß ihre Wirksamkeit, wenn sie ihre Aufgabe ver¬
stehen, von großem praktischem Nutzen für die Gesammtheit werden könnte.
Zuerst wird der Fortschrittspartei durch die Landtage ein wichtiger und


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[0130] thumc (und wir verstehen unter dieser Bezeichnung nicht etwa blos die aristo¬ kratischen Städtebewohner, den Geldbeutel der hohen Finanz und Industrie, sondern alle jene Elemente, welche den Kern des Volkes bilden, die Capaci- täten, die Gewerbe aller Art in Stadt- und Landgemeinden) die Betheili¬ gung bei den ständischen Rechten erworben werden? Durch Zusätze zu den alten Landesverfassungen! Durch Zusätze, die der Regierung uur nach lang¬ jährigem Kampfe abgerungen werden könnten, während gleichzeitig ein zwei¬ ter Kampf mit der ultraaristvkratischen-antiliberalen Partei zu sichren wäre, der gewiß diese Znständnisse in die allerengsten Schranken einzuengen trachten wird. Und dieses alles um eine alte Landesverfassung wieder zu beleben, deren Grundprinzipien im Mittelalter wurzeln und die in noch gar vielen andern Stellen faul und mvderhaft ist! Wir verkeimen nicht den Werth und die Wichtigkeit der historischen Entwickelung und des Fortbanens auf bestehenden Grundlagen, aber wo dieser historische Stufengang einmal unterbrochen ist, da ist es besser, an dem Neuen statt an dem Alten zu bauen. In einem, großen Theil Oester¬ reichs ist nun einmal die Geltung der alten Landesordnung durch fünfzig Jahre und noch darüber unterbrochen geblieben und der Adel, der die Hände in den Schooß legte und zusah, hat sich's selber zuzuschreiben, daß es so kam. Und nnn, nach so lauger Unterbrechung, während welcher die meisten gebildeten Staaten Enropa's eine ganz andere Richtung in ihrer Entwickelung genommen haben, sollen wir, die Masse der österreichischen Bevölkerung, dem Adel helfen, seine alten Privilegien wieder restauriren, damit er uns dann nach sich ziehe. Der Umweg ist etwas weit, etwas sehr weit! Wir glauben, das Interesse des Bürgerthums, des Ge- sammtvolkes hat ein viel näheres Ziel. Wenn die Presse, wenn die öffent¬ liche Meinung der Regierung bessere Zustände abgewinnen soll, so sollen diese nicht in einer Restauration alter Verhältnisse, sondern in einer Orga¬ nisation von neuen, die den Bedürfnissen der Gegenwart, den Erfahrungen der neuern Politik und dem wahren Schwerpunkte der heutigen Bevölkerung, der nicht mehr im Adel liegt, besser entsprechen, als die alten Wladislav'- schen und Ferdinandmischen Landesordnungen. Dennoch aber wollen wir keineswegs übersehen, daß die landständischen Bewegungen in ihren Prinzipien durchaus berechtigt sind und wir ge¬ stehen gerne zu, daß ihre Wirksamkeit, wenn sie ihre Aufgabe ver¬ stehen, von großem praktischem Nutzen für die Gesammtheit werden könnte. Zuerst wird der Fortschrittspartei durch die Landtage ein wichtiger und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/130>, abgerufen am 22.07.2024.