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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ßer, sie haben in der Presse noch nicht ihr Organ gesunde", und wenn sie
es gesunden, steht uns ein noch bitterer und erweiterter Kampf bevor, der
fortgesetzte Kampf nach oben und der neue Kampf nach der Seite.

Die aristokratische Partei, als die reichste, wenn auch keineswegs die
mächtigste, hat in letzterer Zeit zuerst versucht, sich ein Organ nach außen
zu verschaffen, und sie hat dazu ein viel legaleres und breiteres Feld, als
das Bürgerthum: ihre ständischen Versammlungen. Ziemlich zaghaft und
mit halb unsichern, halb ungeübten Schritten, keineswegs noch einig mit
sich selbst, ist sie in die Arena getreten. Gleichzeitig aber griff sie zu einem
modernen, ausgebildeten und wirksamen Mittel: zu der Presse, Die Schrift:
"Oesterreich und seiue Zukunft" ist das Programm der landständischen, li¬
beralen Adelspartci. Dieses Programm ist mit großem politischem Talente
und mit noch größerem Takt entworfen. Der landständischc Adel, wohl
wissend, daß er allein und ohne Unterstützung der öffentlichen Meinung
machtlos bleiben muß, reicht in diesem Buche dem Bürgerthum die Hand.
"Unser gemeinschaftlicher Feind," sagt er zu ihm, "ist die Bureaukratie, sie
hemmt alleu Fortschritt, sie beeinträchtigt die persönliche Freiheit, sie hemmt
die Intelligenz, den materiellen Aufschwung, ihre Macht zu entwurzeln ist
in unserm wie in eurem Interesse; unsere alten Privilegien und Rechte ver-
briefen uus zwar die Unabhängigkeit und den Widerstand gegen sie, aber
diese Verbriefuugeu sind bestaubt und halb vergessen; sollen wir sie zur er¬
neuerten Kraft bringen, so müssen sie durch die Sympathieen des Landes,
dnrch die öffentliche Meinung unterstützt werden. Gebt uns eure Zustim¬
mung, laßt uns unsere alten Rechte, unsere alte Stellung als Landesver¬
treter wieder aufnehmen, wir meinen es wahr und ehrlich mit euch. Zwar
gibt die alte Landesordnung den meisten Provinzen, uns (Prälaten) Herren
und Rittern, allein das Recht, zu stimme" und im Landhause zu sitzen, die
Städte, das Bürgerthum siud ausgeschlossen -- allein sitzen wir erst fest, so
wollen wir euch die Schranken öffnen und euch gleichfalls einen Antheil an
,der ständischen Verwaltung zuertheilcn. Jetzt freilich können wir noch nicht
darauf antragen, denn erstens ist der ständische Einfluß noch zu gering, um
eine solche Reform der Landesordnung durchzusetzen, zweitens. sind nach den
jetzigen Statuten die Städte am Landtage nur durch die Bürgermeister ver¬
treten; die Bürgermeister aber siud von der Regierung eingesetzte Beamte.
Vermehrer.wir also die Zahl der stimmfähigen Städte, so vermehren wir,
zugleich die Stimmen der Bureaukratie innerhalb der landständischen Wirk¬
samkeit. Bevor wir daher die Städte zu dem Landtag zuziehen können,
müssen wir auf eine neue und bessere Städteordnung hinarbeiten, worin wir


ßer, sie haben in der Presse noch nicht ihr Organ gesunde», und wenn sie
es gesunden, steht uns ein noch bitterer und erweiterter Kampf bevor, der
fortgesetzte Kampf nach oben und der neue Kampf nach der Seite.

Die aristokratische Partei, als die reichste, wenn auch keineswegs die
mächtigste, hat in letzterer Zeit zuerst versucht, sich ein Organ nach außen
zu verschaffen, und sie hat dazu ein viel legaleres und breiteres Feld, als
das Bürgerthum: ihre ständischen Versammlungen. Ziemlich zaghaft und
mit halb unsichern, halb ungeübten Schritten, keineswegs noch einig mit
sich selbst, ist sie in die Arena getreten. Gleichzeitig aber griff sie zu einem
modernen, ausgebildeten und wirksamen Mittel: zu der Presse, Die Schrift:
„Oesterreich und seiue Zukunft" ist das Programm der landständischen, li¬
beralen Adelspartci. Dieses Programm ist mit großem politischem Talente
und mit noch größerem Takt entworfen. Der landständischc Adel, wohl
wissend, daß er allein und ohne Unterstützung der öffentlichen Meinung
machtlos bleiben muß, reicht in diesem Buche dem Bürgerthum die Hand.
„Unser gemeinschaftlicher Feind," sagt er zu ihm, „ist die Bureaukratie, sie
hemmt alleu Fortschritt, sie beeinträchtigt die persönliche Freiheit, sie hemmt
die Intelligenz, den materiellen Aufschwung, ihre Macht zu entwurzeln ist
in unserm wie in eurem Interesse; unsere alten Privilegien und Rechte ver-
briefen uus zwar die Unabhängigkeit und den Widerstand gegen sie, aber
diese Verbriefuugeu sind bestaubt und halb vergessen; sollen wir sie zur er¬
neuerten Kraft bringen, so müssen sie durch die Sympathieen des Landes,
dnrch die öffentliche Meinung unterstützt werden. Gebt uns eure Zustim¬
mung, laßt uns unsere alten Rechte, unsere alte Stellung als Landesver¬
treter wieder aufnehmen, wir meinen es wahr und ehrlich mit euch. Zwar
gibt die alte Landesordnung den meisten Provinzen, uns (Prälaten) Herren
und Rittern, allein das Recht, zu stimme» und im Landhause zu sitzen, die
Städte, das Bürgerthum siud ausgeschlossen — allein sitzen wir erst fest, so
wollen wir euch die Schranken öffnen und euch gleichfalls einen Antheil an
,der ständischen Verwaltung zuertheilcn. Jetzt freilich können wir noch nicht
darauf antragen, denn erstens ist der ständische Einfluß noch zu gering, um
eine solche Reform der Landesordnung durchzusetzen, zweitens. sind nach den
jetzigen Statuten die Städte am Landtage nur durch die Bürgermeister ver¬
treten; die Bürgermeister aber siud von der Regierung eingesetzte Beamte.
Vermehrer.wir also die Zahl der stimmfähigen Städte, so vermehren wir,
zugleich die Stimmen der Bureaukratie innerhalb der landständischen Wirk¬
samkeit. Bevor wir daher die Städte zu dem Landtag zuziehen können,
müssen wir auf eine neue und bessere Städteordnung hinarbeiten, worin wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/128>, abgerufen am 22.07.2024.