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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Er könnte etwa bei der Berathung dieses Entwurfs erklären: er fühle sich
nicht competent, denselben anzunehmen, so lange ihm nicht die Prädicate bei¬
gelegt wären, die nach den frühern Erklärungen dem Reichstage zukämen.

Er kann das in der That! Allein, was unmittelbar durch die Wirk¬
samkeit des gegenwärtigen Landtags erreicht wurde, war eigentlich Neben¬
sache; es kam darauf an, der Krone, dem preußischem Volk, der deutschen
Nation und dem Auslande gegenüber die sittliche Würde, die politische Ent¬
schlossenheit, die klare Einsicht der Volksvertreter zu bethätigen. Es ist im
Allgemeinen in den deutsche" Ständen, oder ich will lieber sagen, um
nicht zu weit zu gehen, in der Auffassung der landständischen Verhältnisse
von Seiten der historischen Schule, die Ansicht die anregende gewesen, die
Regierung als über den Ständen stehend zu betrachten; nicht nur an Macht,
denn das versteht sich von selbst, sondern anch an Einsicht. Das Gouver¬
nement verwirft nicht nur die Ansichten der Stände, es belehrt sie; es setzt
ihnen nicht nur Schranke", sondern es weist ihnen nach, daß diese Schran¬
ken ihnen heilsam wären, ihrer politischen Unmündigkeit wegen.

Es kam nun darauf an, diesen Begriff zu widerlegen. Es kam darauf an,
der Negierung, die nicht als Regierung, sondern als Schule sprach, die nicht den
Willen, sondern den Verstand der Volksvertreter zu lenken unternahm, durch
ein ebenso anständiges als bestimmtes Verhalten zu zeigen, daß auch außer¬
halb ihrer Sphäre eine bestimmte, festabgeschlosseue Bildung, eine entschiedene
politische Gesinnung, eine durch Prans und unmittelbare Anschauung ge¬
schulte Doctrin zu senden sei.

Der König und seine Beamten, so weit sie in seinem Namen handeln,
haben das Recht, Gesetze zu geben, sie auszuführen, zu richten, zu belohnen
und zu bestrafen. Sie haben das Recht, sie haben die Macht. Aber wenn die
Regierung meiner politischen Ansicht eine eigene entgegensetzt, so stellt sie sich
mir gleich. Es mag eine Frage des Rechts, es mag eine Frage der Politik
sein; die Akten liegen vor, wenn ich überhaupt ein Urtheil habe, so kaun
ich auch darüber urtheilen, so weit meine Kenntniß reicht, so weit meine
Bildung mich trägt. Aber eine Meinung ist werthlos, so lauge man nicht den
Muth seiner Meinung hat. Die liberalste Gesinnung ohne Charakter ist
leer und eitel; die höchste Bildung unfruchtbar, sobald sie nicht das Innere,
das Gefühl läutert und erhebt. Ausländer nud Einheimische haben gewett¬
eifert, dem deutschen Volk die Fähigkeit einer politischen Wirksamkeit abzu¬
sprechen. Nie gab es in der deutschen Geschichte einen Moment, in welchem
diese Ansicht auf eine glänzendere Weise hätte widerlegt werden können. Der
schönste Lorbeer war feil!


Er könnte etwa bei der Berathung dieses Entwurfs erklären: er fühle sich
nicht competent, denselben anzunehmen, so lange ihm nicht die Prädicate bei¬
gelegt wären, die nach den frühern Erklärungen dem Reichstage zukämen.

Er kann das in der That! Allein, was unmittelbar durch die Wirk¬
samkeit des gegenwärtigen Landtags erreicht wurde, war eigentlich Neben¬
sache; es kam darauf an, der Krone, dem preußischem Volk, der deutschen
Nation und dem Auslande gegenüber die sittliche Würde, die politische Ent¬
schlossenheit, die klare Einsicht der Volksvertreter zu bethätigen. Es ist im
Allgemeinen in den deutsche» Ständen, oder ich will lieber sagen, um
nicht zu weit zu gehen, in der Auffassung der landständischen Verhältnisse
von Seiten der historischen Schule, die Ansicht die anregende gewesen, die
Regierung als über den Ständen stehend zu betrachten; nicht nur an Macht,
denn das versteht sich von selbst, sondern anch an Einsicht. Das Gouver¬
nement verwirft nicht nur die Ansichten der Stände, es belehrt sie; es setzt
ihnen nicht nur Schranke», sondern es weist ihnen nach, daß diese Schran¬
ken ihnen heilsam wären, ihrer politischen Unmündigkeit wegen.

Es kam nun darauf an, diesen Begriff zu widerlegen. Es kam darauf an,
der Negierung, die nicht als Regierung, sondern als Schule sprach, die nicht den
Willen, sondern den Verstand der Volksvertreter zu lenken unternahm, durch
ein ebenso anständiges als bestimmtes Verhalten zu zeigen, daß auch außer¬
halb ihrer Sphäre eine bestimmte, festabgeschlosseue Bildung, eine entschiedene
politische Gesinnung, eine durch Prans und unmittelbare Anschauung ge¬
schulte Doctrin zu senden sei.

Der König und seine Beamten, so weit sie in seinem Namen handeln,
haben das Recht, Gesetze zu geben, sie auszuführen, zu richten, zu belohnen
und zu bestrafen. Sie haben das Recht, sie haben die Macht. Aber wenn die
Regierung meiner politischen Ansicht eine eigene entgegensetzt, so stellt sie sich
mir gleich. Es mag eine Frage des Rechts, es mag eine Frage der Politik
sein; die Akten liegen vor, wenn ich überhaupt ein Urtheil habe, so kaun
ich auch darüber urtheilen, so weit meine Kenntniß reicht, so weit meine
Bildung mich trägt. Aber eine Meinung ist werthlos, so lauge man nicht den
Muth seiner Meinung hat. Die liberalste Gesinnung ohne Charakter ist
leer und eitel; die höchste Bildung unfruchtbar, sobald sie nicht das Innere,
das Gefühl läutert und erhebt. Ausländer nud Einheimische haben gewett¬
eifert, dem deutschen Volk die Fähigkeit einer politischen Wirksamkeit abzu¬
sprechen. Nie gab es in der deutschen Geschichte einen Moment, in welchem
diese Ansicht auf eine glänzendere Weise hätte widerlegt werden können. Der
schönste Lorbeer war feil!


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[0122] Er könnte etwa bei der Berathung dieses Entwurfs erklären: er fühle sich nicht competent, denselben anzunehmen, so lange ihm nicht die Prädicate bei¬ gelegt wären, die nach den frühern Erklärungen dem Reichstage zukämen. Er kann das in der That! Allein, was unmittelbar durch die Wirk¬ samkeit des gegenwärtigen Landtags erreicht wurde, war eigentlich Neben¬ sache; es kam darauf an, der Krone, dem preußischem Volk, der deutschen Nation und dem Auslande gegenüber die sittliche Würde, die politische Ent¬ schlossenheit, die klare Einsicht der Volksvertreter zu bethätigen. Es ist im Allgemeinen in den deutsche» Ständen, oder ich will lieber sagen, um nicht zu weit zu gehen, in der Auffassung der landständischen Verhältnisse von Seiten der historischen Schule, die Ansicht die anregende gewesen, die Regierung als über den Ständen stehend zu betrachten; nicht nur an Macht, denn das versteht sich von selbst, sondern anch an Einsicht. Das Gouver¬ nement verwirft nicht nur die Ansichten der Stände, es belehrt sie; es setzt ihnen nicht nur Schranke», sondern es weist ihnen nach, daß diese Schran¬ ken ihnen heilsam wären, ihrer politischen Unmündigkeit wegen. Es kam nun darauf an, diesen Begriff zu widerlegen. Es kam darauf an, der Negierung, die nicht als Regierung, sondern als Schule sprach, die nicht den Willen, sondern den Verstand der Volksvertreter zu lenken unternahm, durch ein ebenso anständiges als bestimmtes Verhalten zu zeigen, daß auch außer¬ halb ihrer Sphäre eine bestimmte, festabgeschlosseue Bildung, eine entschiedene politische Gesinnung, eine durch Prans und unmittelbare Anschauung ge¬ schulte Doctrin zu senden sei. Der König und seine Beamten, so weit sie in seinem Namen handeln, haben das Recht, Gesetze zu geben, sie auszuführen, zu richten, zu belohnen und zu bestrafen. Sie haben das Recht, sie haben die Macht. Aber wenn die Regierung meiner politischen Ansicht eine eigene entgegensetzt, so stellt sie sich mir gleich. Es mag eine Frage des Rechts, es mag eine Frage der Politik sein; die Akten liegen vor, wenn ich überhaupt ein Urtheil habe, so kaun ich auch darüber urtheilen, so weit meine Kenntniß reicht, so weit meine Bildung mich trägt. Aber eine Meinung ist werthlos, so lauge man nicht den Muth seiner Meinung hat. Die liberalste Gesinnung ohne Charakter ist leer und eitel; die höchste Bildung unfruchtbar, sobald sie nicht das Innere, das Gefühl läutert und erhebt. Ausländer nud Einheimische haben gewett¬ eifert, dem deutschen Volk die Fähigkeit einer politischen Wirksamkeit abzu¬ sprechen. Nie gab es in der deutschen Geschichte einen Moment, in welchem diese Ansicht auf eine glänzendere Weise hätte widerlegt werden können. Der schönste Lorbeer war feil!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/122>, abgerufen am 22.07.2024.