Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.Aur neuesten Literatur. Eine neue Schrift von David Ätranß. Seit etwa 4 Jahren hat sich die Befrcinngsliteratnr, die damals in geschlos¬ So ist es der Fall mit einer kleinen Schrift, mit welcher F. Strauß *) Mambrin bei Bassermann, Gin'Ma. IV. 1Si7.7
Aur neuesten Literatur. Eine neue Schrift von David Ätranß. Seit etwa 4 Jahren hat sich die Befrcinngsliteratnr, die damals in geschlos¬ So ist es der Fall mit einer kleinen Schrift, mit welcher F. Strauß *) Mambrin bei Bassermann, Gin'Ma. IV. 1Si7.7
<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184821"/> <div n="1"> <head> Aur neuesten Literatur.</head><lb/> <div n="2"> <head> <note type="byline"> Eine neue Schrift von David Ätranß.</note> </head><lb/> <p xml:id="ID_199"> Seit etwa 4 Jahren hat sich die Befrcinngsliteratnr, die damals in geschlos¬<lb/> sener Phalanx gegen das Heerlager der mauerumgürteten Trojaner zu Felde<lb/> rückte, nach allen Seiten hin verstreut; es wird keine Hauptschlacht mehr geliefert<lb/> und wenn die Erbitterung zwischen den Parteien um nichts abgenommen hat, so<lb/> geht doch in den kleinen Plänkeleien die allgemeine Uebersicht des Kampfes gar<lb/> zu leicht verloren. Man muß daher von Zeit zu Zeit die Männer, welche ehe¬<lb/> mals sich um das Banner der Emancipation schaarten, auch in ihren kleinen ver¬<lb/> einzelten Angriffen verfolgen, wenn man die Bewegung des Ganzen uicht aus<lb/> den Augen verliere» null. In der Regel versteckt sich diese Polemik gegen un¬<lb/> mittelbare Zustände hinter Darstellungen der Vergangenheit, die in irgend eine<lb/> Beziehung zu den Fragen der Gegenwart gebracht wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_200" next="#ID_201"> So ist es der Fall mit einer kleinen Schrift, mit welcher F. Strauß<lb/> so eben wieder der Reaction den Fehdehandschuh hingeworfen hat: Julian der<lb/> Apostat oder der Romantiker ans dem Throne der Cäsaren"). Nach¬<lb/> dem Strauß dnrch seine wissenschaftlichen Thaten, durch das „Leben Jesu" und die<lb/> „Dogmatik" den Augiasstall der Romantik gesäubert, drängte sich eine Schaar jüngerer<lb/> Freiheitsfreunde in seine Fußtapfen, und es entstand ein so allgemeines Getöse,<lb/> daß die Stimme des Einzelnen sich uicht mehr vernehmlich machen konnte, nud<lb/> daß bald genug, in der schnellen Ueberwindung intellectu ekler Standpunkte, die<lb/> Behauptung sich laut machte, Strauß sei längst überholt, man sei in der Be¬<lb/> freiung viel weiter gekommen, eine Behauptung, der in unmittelbarer Folge die<lb/> zweite sich anschloß, Strauß selber sei ein Reactionär, ein Romantiker, ein Ob-<lb/> sturant. Mau darf nur etwas unerhört Abgeschmacktes aussprechen, se' findet<lb/> es jedesmal seine Gläubigen; die mäßige Dummheit wird eher nach Gebühr ge¬<lb/> würdigt. Keiner von den Epigonen der modernen Freiheitskämpfe erfreute<lb/> sich der objectiven Ruhe, der wissenschaftlichen Bildung und der Superiorität ih-</p><lb/> <note xml:id="FID_5" place="foot"> *) Mambrin bei Bassermann,</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gin'Ma. IV. 1Si7.7</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
Aur neuesten Literatur.
Eine neue Schrift von David Ätranß.
Seit etwa 4 Jahren hat sich die Befrcinngsliteratnr, die damals in geschlos¬
sener Phalanx gegen das Heerlager der mauerumgürteten Trojaner zu Felde
rückte, nach allen Seiten hin verstreut; es wird keine Hauptschlacht mehr geliefert
und wenn die Erbitterung zwischen den Parteien um nichts abgenommen hat, so
geht doch in den kleinen Plänkeleien die allgemeine Uebersicht des Kampfes gar
zu leicht verloren. Man muß daher von Zeit zu Zeit die Männer, welche ehe¬
mals sich um das Banner der Emancipation schaarten, auch in ihren kleinen ver¬
einzelten Angriffen verfolgen, wenn man die Bewegung des Ganzen uicht aus
den Augen verliere» null. In der Regel versteckt sich diese Polemik gegen un¬
mittelbare Zustände hinter Darstellungen der Vergangenheit, die in irgend eine
Beziehung zu den Fragen der Gegenwart gebracht wird.
So ist es der Fall mit einer kleinen Schrift, mit welcher F. Strauß
so eben wieder der Reaction den Fehdehandschuh hingeworfen hat: Julian der
Apostat oder der Romantiker ans dem Throne der Cäsaren"). Nach¬
dem Strauß dnrch seine wissenschaftlichen Thaten, durch das „Leben Jesu" und die
„Dogmatik" den Augiasstall der Romantik gesäubert, drängte sich eine Schaar jüngerer
Freiheitsfreunde in seine Fußtapfen, und es entstand ein so allgemeines Getöse,
daß die Stimme des Einzelnen sich uicht mehr vernehmlich machen konnte, nud
daß bald genug, in der schnellen Ueberwindung intellectu ekler Standpunkte, die
Behauptung sich laut machte, Strauß sei längst überholt, man sei in der Be¬
freiung viel weiter gekommen, eine Behauptung, der in unmittelbarer Folge die
zweite sich anschloß, Strauß selber sei ein Reactionär, ein Romantiker, ein Ob-
sturant. Mau darf nur etwas unerhört Abgeschmacktes aussprechen, se' findet
es jedesmal seine Gläubigen; die mäßige Dummheit wird eher nach Gebühr ge¬
würdigt. Keiner von den Epigonen der modernen Freiheitskämpfe erfreute
sich der objectiven Ruhe, der wissenschaftlichen Bildung und der Superiorität ih-
*) Mambrin bei Bassermann,
Gin'Ma. IV. 1Si7.7
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