Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

manu nachzusehen, das im Jahre I8!N zu München erschien; die mythologische Bedeu¬
tung desselben hat vor Allem I. Grimm in'ö rechte Licht gestellt. Herrn Hans Bril n-
ner, einem Maler von München, ist es gelungen, die Sage in einem schönen Bilde
wiederzugeben, welches arabeskenartig alle ihre Einzelnheiten darstellt. Es ist Heuer
für den Kunstverein in Salzburg gemalt worden, und wird wohl bald durch den Druck
vervielfältigt werden.


Vit.
Aus Berlin.
Das WeihnachtSfesi,

Es ist Weihnachten. Auf dem Schloßplatz reiht sich Bude an Bude, die Abende
sind herzhaft kalt aber klar, und in den hellerleuchteten, im Augenblick entstandenen
bretternen Gassen" drängt sich ein unabsehbares Gewühl, Alles, was in Berlin Gemüth
hat, und es ist eine Verleumdung, wenn man uns nachsagt, wir hätten nur Witz; ---
wir kaufen für unsere Kleinen die geschlitzten Pyramiden aus grünem Papier mit bun¬
ten Bändern ebensogut ein, wie in irgend einem unsauberen Winkel der abstracten Ge¬
müthseligkeit, und wir hängen Thorncr Pfefferkuchen daran, und Königsberger Marzipan,
und stecken kleine Lichterchen an. Die Spielsachen haben freilich auf dem ephemeren,
zerbrechlichen Machwerk keinen Raum mehr, sie müssen sich auf den Tischen und Kom¬
moden ausbreiten.

Ueberhaupt war es sonst doch hübscher mit den duftigen, grünen Tanncnbciumen,
mit den Nüssen mit Goldschaum umwickelt, und den unzähligen Wachskerzen. Es sah
mehr nach dem Walde aus, und man konnte sich bequemer einbilden, daß das fremde,
liebe Christkind seine Gaben auf diese frischen, waldnrsprünglichen Blätter ausstreute,
und wenn sich eine tüchtige Schaar schwarzlockigcr Kinder darum drängte und tobte,
auf Steckenpferden ritt, auf unharmonischen Trompeten endete, tactlos die Trommel
schlug und die hölzerne Flinte anlegre, dann konnte man wohl, wenn man nichts bes¬
seres zu thun hatte, poetisch werden und sich einbilden, daß die grüne Tanne toll
würde mit dem tollen Völkchen, daß sie sich vorkäme wie im Traume, als ob die ge-
sammten Sterne vom dunkelblauen Himmel heruntergefallen wären und sich wie srischge-
fallencr Schnee auf ihre Nadeln gesetzt hätten, und als ob aus Moos und Pilzen die
alte verzauberte Welt der Elfen und Kobolde leibhaftig wieder ausgestanden wäre, und
sie in verrückten Sprüngen umtanzte. Ist es nicht eine Art Traum, wenn das latente
Gemüth Berlins plötzlich zum Vorschein kommt, und aus den Kasernen wie ans den
kasernenähnlichen Häusern, die von lauter Gcheimeräthen bewohnt sind, lustig zu allen
Fenstern heransschcint?

Ja selbst das Löschpapier der Vossischen Zeitung wird einmal gemüthlich; er ........
Rellstab -- tritt seine Wcihnachtswanderuugeu an, und alte und neue Witze krystalli-
siren sich auf den ergrauenden Haaren seines noch immer herausfordernden und schalk¬
haften Bartes. Seiner Brille entgeht bei der Gelegenheit Nichts, ein Wachsflgurcnka-
binet eben so wenig, als ein in der Spandauer Straße vergessener Schmutzhaufen.

Es ist Weihnachten, und wer sich zu Hause kein Fest bereiten kaun, will wenig¬
stens die Herrlichkeiten sehen. In dem engen Universitätsgäßchen drängen sich Drosch-


manu nachzusehen, das im Jahre I8!N zu München erschien; die mythologische Bedeu¬
tung desselben hat vor Allem I. Grimm in'ö rechte Licht gestellt. Herrn Hans Bril n-
ner, einem Maler von München, ist es gelungen, die Sage in einem schönen Bilde
wiederzugeben, welches arabeskenartig alle ihre Einzelnheiten darstellt. Es ist Heuer
für den Kunstverein in Salzburg gemalt worden, und wird wohl bald durch den Druck
vervielfältigt werden.


Vit.
Aus Berlin.
Das WeihnachtSfesi,

Es ist Weihnachten. Auf dem Schloßplatz reiht sich Bude an Bude, die Abende
sind herzhaft kalt aber klar, und in den hellerleuchteten, im Augenblick entstandenen
bretternen Gassen" drängt sich ein unabsehbares Gewühl, Alles, was in Berlin Gemüth
hat, und es ist eine Verleumdung, wenn man uns nachsagt, wir hätten nur Witz; —-
wir kaufen für unsere Kleinen die geschlitzten Pyramiden aus grünem Papier mit bun¬
ten Bändern ebensogut ein, wie in irgend einem unsauberen Winkel der abstracten Ge¬
müthseligkeit, und wir hängen Thorncr Pfefferkuchen daran, und Königsberger Marzipan,
und stecken kleine Lichterchen an. Die Spielsachen haben freilich auf dem ephemeren,
zerbrechlichen Machwerk keinen Raum mehr, sie müssen sich auf den Tischen und Kom¬
moden ausbreiten.

Ueberhaupt war es sonst doch hübscher mit den duftigen, grünen Tanncnbciumen,
mit den Nüssen mit Goldschaum umwickelt, und den unzähligen Wachskerzen. Es sah
mehr nach dem Walde aus, und man konnte sich bequemer einbilden, daß das fremde,
liebe Christkind seine Gaben auf diese frischen, waldnrsprünglichen Blätter ausstreute,
und wenn sich eine tüchtige Schaar schwarzlockigcr Kinder darum drängte und tobte,
auf Steckenpferden ritt, auf unharmonischen Trompeten endete, tactlos die Trommel
schlug und die hölzerne Flinte anlegre, dann konnte man wohl, wenn man nichts bes¬
seres zu thun hatte, poetisch werden und sich einbilden, daß die grüne Tanne toll
würde mit dem tollen Völkchen, daß sie sich vorkäme wie im Traume, als ob die ge-
sammten Sterne vom dunkelblauen Himmel heruntergefallen wären und sich wie srischge-
fallencr Schnee auf ihre Nadeln gesetzt hätten, und als ob aus Moos und Pilzen die
alte verzauberte Welt der Elfen und Kobolde leibhaftig wieder ausgestanden wäre, und
sie in verrückten Sprüngen umtanzte. Ist es nicht eine Art Traum, wenn das latente
Gemüth Berlins plötzlich zum Vorschein kommt, und aus den Kasernen wie ans den
kasernenähnlichen Häusern, die von lauter Gcheimeräthen bewohnt sind, lustig zu allen
Fenstern heransschcint?

Ja selbst das Löschpapier der Vossischen Zeitung wird einmal gemüthlich; er ........
Rellstab — tritt seine Wcihnachtswanderuugeu an, und alte und neue Witze krystalli-
siren sich auf den ergrauenden Haaren seines noch immer herausfordernden und schalk¬
haften Bartes. Seiner Brille entgeht bei der Gelegenheit Nichts, ein Wachsflgurcnka-
binet eben so wenig, als ein in der Spandauer Straße vergessener Schmutzhaufen.

Es ist Weihnachten, und wer sich zu Hause kein Fest bereiten kaun, will wenig¬
stens die Herrlichkeiten sehen. In dem engen Universitätsgäßchen drängen sich Drosch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185324"/>
            <p xml:id="ID_1942" prev="#ID_1941"> manu nachzusehen, das im Jahre I8!N zu München erschien; die mythologische Bedeu¬<lb/>
tung desselben hat vor Allem I. Grimm in'ö rechte Licht gestellt. Herrn Hans Bril n-<lb/>
ner, einem Maler von München, ist es gelungen, die Sage in einem schönen Bilde<lb/>
wiederzugeben, welches arabeskenartig alle ihre Einzelnheiten darstellt. Es ist Heuer<lb/>
für den Kunstverein in Salzburg gemalt worden, und wird wohl bald durch den Druck<lb/>
vervielfältigt werden.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Vit.<lb/>
Aus Berlin.</head><lb/>
            <div n="3">
              <head> Das WeihnachtSfesi,</head><lb/>
              <p xml:id="ID_1943"> Es ist Weihnachten. Auf dem Schloßplatz reiht sich Bude an Bude, die Abende<lb/>
sind herzhaft kalt aber klar, und in den hellerleuchteten, im Augenblick entstandenen<lb/>
bretternen Gassen" drängt sich ein unabsehbares Gewühl, Alles, was in Berlin Gemüth<lb/>
hat, und es ist eine Verleumdung, wenn man uns nachsagt, wir hätten nur Witz; &#x2014;-<lb/>
wir kaufen für unsere Kleinen die geschlitzten Pyramiden aus grünem Papier mit bun¬<lb/>
ten Bändern ebensogut ein, wie in irgend einem unsauberen Winkel der abstracten Ge¬<lb/>
müthseligkeit, und wir hängen Thorncr Pfefferkuchen daran, und Königsberger Marzipan,<lb/>
und stecken kleine Lichterchen an. Die Spielsachen haben freilich auf dem ephemeren,<lb/>
zerbrechlichen Machwerk keinen Raum mehr, sie müssen sich auf den Tischen und Kom¬<lb/>
moden ausbreiten.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1944"> Ueberhaupt war es sonst doch hübscher mit den duftigen, grünen Tanncnbciumen,<lb/>
mit den Nüssen mit Goldschaum umwickelt, und den unzähligen Wachskerzen. Es sah<lb/>
mehr nach dem Walde aus, und man konnte sich bequemer einbilden, daß das fremde,<lb/>
liebe Christkind seine Gaben auf diese frischen, waldnrsprünglichen Blätter ausstreute,<lb/>
und wenn sich eine tüchtige Schaar schwarzlockigcr Kinder darum drängte und tobte,<lb/>
auf Steckenpferden ritt, auf unharmonischen Trompeten endete, tactlos die Trommel<lb/>
schlug und die hölzerne Flinte anlegre, dann konnte man wohl, wenn man nichts bes¬<lb/>
seres zu thun hatte, poetisch werden und sich einbilden, daß die grüne Tanne toll<lb/>
würde mit dem tollen Völkchen, daß sie sich vorkäme wie im Traume, als ob die ge-<lb/>
sammten Sterne vom dunkelblauen Himmel heruntergefallen wären und sich wie srischge-<lb/>
fallencr Schnee auf ihre Nadeln gesetzt hätten, und als ob aus Moos und Pilzen die<lb/>
alte verzauberte Welt der Elfen und Kobolde leibhaftig wieder ausgestanden wäre, und<lb/>
sie in verrückten Sprüngen umtanzte. Ist es nicht eine Art Traum, wenn das latente<lb/>
Gemüth Berlins plötzlich zum Vorschein kommt, und aus den Kasernen wie ans den<lb/>
kasernenähnlichen Häusern, die von lauter Gcheimeräthen bewohnt sind, lustig zu allen<lb/>
Fenstern heransschcint?</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1945"> Ja selbst das Löschpapier der Vossischen Zeitung wird einmal gemüthlich; er ........<lb/>
Rellstab &#x2014; tritt seine Wcihnachtswanderuugeu an, und alte und neue Witze krystalli-<lb/>
siren sich auf den ergrauenden Haaren seines noch immer herausfordernden und schalk¬<lb/>
haften Bartes. Seiner Brille entgeht bei der Gelegenheit Nichts, ein Wachsflgurcnka-<lb/>
binet eben so wenig, als ein in der Spandauer Straße vergessener Schmutzhaufen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1946" next="#ID_1947"> Es ist Weihnachten, und wer sich zu Hause kein Fest bereiten kaun, will wenig¬<lb/>
stens die Herrlichkeiten sehen.  In dem engen Universitätsgäßchen drängen sich Drosch-</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0560] manu nachzusehen, das im Jahre I8!N zu München erschien; die mythologische Bedeu¬ tung desselben hat vor Allem I. Grimm in'ö rechte Licht gestellt. Herrn Hans Bril n- ner, einem Maler von München, ist es gelungen, die Sage in einem schönen Bilde wiederzugeben, welches arabeskenartig alle ihre Einzelnheiten darstellt. Es ist Heuer für den Kunstverein in Salzburg gemalt worden, und wird wohl bald durch den Druck vervielfältigt werden. Vit. Aus Berlin. Das WeihnachtSfesi, Es ist Weihnachten. Auf dem Schloßplatz reiht sich Bude an Bude, die Abende sind herzhaft kalt aber klar, und in den hellerleuchteten, im Augenblick entstandenen bretternen Gassen" drängt sich ein unabsehbares Gewühl, Alles, was in Berlin Gemüth hat, und es ist eine Verleumdung, wenn man uns nachsagt, wir hätten nur Witz; —- wir kaufen für unsere Kleinen die geschlitzten Pyramiden aus grünem Papier mit bun¬ ten Bändern ebensogut ein, wie in irgend einem unsauberen Winkel der abstracten Ge¬ müthseligkeit, und wir hängen Thorncr Pfefferkuchen daran, und Königsberger Marzipan, und stecken kleine Lichterchen an. Die Spielsachen haben freilich auf dem ephemeren, zerbrechlichen Machwerk keinen Raum mehr, sie müssen sich auf den Tischen und Kom¬ moden ausbreiten. Ueberhaupt war es sonst doch hübscher mit den duftigen, grünen Tanncnbciumen, mit den Nüssen mit Goldschaum umwickelt, und den unzähligen Wachskerzen. Es sah mehr nach dem Walde aus, und man konnte sich bequemer einbilden, daß das fremde, liebe Christkind seine Gaben auf diese frischen, waldnrsprünglichen Blätter ausstreute, und wenn sich eine tüchtige Schaar schwarzlockigcr Kinder darum drängte und tobte, auf Steckenpferden ritt, auf unharmonischen Trompeten endete, tactlos die Trommel schlug und die hölzerne Flinte anlegre, dann konnte man wohl, wenn man nichts bes¬ seres zu thun hatte, poetisch werden und sich einbilden, daß die grüne Tanne toll würde mit dem tollen Völkchen, daß sie sich vorkäme wie im Traume, als ob die ge- sammten Sterne vom dunkelblauen Himmel heruntergefallen wären und sich wie srischge- fallencr Schnee auf ihre Nadeln gesetzt hätten, und als ob aus Moos und Pilzen die alte verzauberte Welt der Elfen und Kobolde leibhaftig wieder ausgestanden wäre, und sie in verrückten Sprüngen umtanzte. Ist es nicht eine Art Traum, wenn das latente Gemüth Berlins plötzlich zum Vorschein kommt, und aus den Kasernen wie ans den kasernenähnlichen Häusern, die von lauter Gcheimeräthen bewohnt sind, lustig zu allen Fenstern heransschcint? Ja selbst das Löschpapier der Vossischen Zeitung wird einmal gemüthlich; er ........ Rellstab — tritt seine Wcihnachtswanderuugeu an, und alte und neue Witze krystalli- siren sich auf den ergrauenden Haaren seines noch immer herausfordernden und schalk¬ haften Bartes. Seiner Brille entgeht bei der Gelegenheit Nichts, ein Wachsflgurcnka- binet eben so wenig, als ein in der Spandauer Straße vergessener Schmutzhaufen. Es ist Weihnachten, und wer sich zu Hause kein Fest bereiten kaun, will wenig¬ stens die Herrlichkeiten sehen. In dem engen Universitätsgäßchen drängen sich Drosch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/560
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/560>, abgerufen am 04.12.2024.