Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Um Vergebung, meine Herren, Sie haben den Zettel nicht gelesen; hier
steht, freilich in etwas feinen Buchstaben: ein lebendiger und geistvoller Dialog
wird die Musik ersetzen, welche die Handlung eigentlich stört!!! --

Grade so ergeht es dem Bruder des berühmten Mannes. DaS Publikum
des Salons, in den Du eintratest, hat sich betrogen; es glaubte eine berühmte
Person vor sich zu haben, und hatte nichts als ihren Namen, nichts als -- Dich.

Du bist im Anfang etwas verblüfft, aber Dn weißt Dich zu fassen. Du
forderst eine Dame auf, Du tanzest nach besten Kräften. Plötzlich fragt sie doch:
Ihr Herr Bruder tanzt wohl nicht?

Nein, meine Gnädige.

Das wußte ich wohl; ausgezeichnete Männer mögen nicht wnzen. --
Du bist pikirt, und das gibt Dir Lebe", Du bist gescheidter als gewöhuliy,
die Einfälle sprudeln aus Deinem Munde. Du bist mit Dir selber zufrieden
und denkst: man wird doch sehen, daß auch Herrmann nicht ganz auf den K'pf
gefallen ist.

Da sagt die Dame vom Hause zu Dir: Ihr Herr Bruder ist sehr gcistmch.
Er hat nicht kommen können?
Nein, gnädige Frau.

Ich verstehe; seine Augenblicke sind kostbar, er hat sie nicht in unserer lang-
weiligen Gesellschaft verschwenden wollen.

So, so -- denkst Du -- meine Augenblicke sind also nicht kostbar? Was
meinen Bruder langweilt, ist für mich zu gut.

Du nimmst eine Droschke, der Kutscher fordert zu viel; Du streitest Dich, er
schlägt noch höher auf, Du merkst Dir seine Nummer und citirst ihn vor einen
Commissär. -- Wie heißen Sie, Kläger? fragt Dich dieser.

Bauer.

Ah, der große Bauer! wollen Sie nicht die Güte haben -- er bringt einen
Stuhl.

Ich bin nur sein Bruder.

So so. -- Er nimmt den Stuhl wieder weg. Der Kutscher fordert zwei
Thaler.

Zwei Thaler wegen wäre ich nicht hergekommen, aber man muß diese Leute
doch strafen, die einen betrügen wollen.

Ach mein Herr, sagt der Polizeicommissär, um zwei Thaler willen werden
Sie den schönen Namen, den Sie führen, nicht compromittiren wollen; geben Sie
die zwei Thaler, und lassen Sie uns nicht weiter davon reden.

Eines Morgeus erzeigt Dein Bruder Dir die Ehre, Dich zu besuche". Ah
da bist Du.

Ja, Herr Bruder.

Herr Bruder, was soll das heißen?


Um Vergebung, meine Herren, Sie haben den Zettel nicht gelesen; hier
steht, freilich in etwas feinen Buchstaben: ein lebendiger und geistvoller Dialog
wird die Musik ersetzen, welche die Handlung eigentlich stört!!! —

Grade so ergeht es dem Bruder des berühmten Mannes. DaS Publikum
des Salons, in den Du eintratest, hat sich betrogen; es glaubte eine berühmte
Person vor sich zu haben, und hatte nichts als ihren Namen, nichts als — Dich.

Du bist im Anfang etwas verblüfft, aber Dn weißt Dich zu fassen. Du
forderst eine Dame auf, Du tanzest nach besten Kräften. Plötzlich fragt sie doch:
Ihr Herr Bruder tanzt wohl nicht?

Nein, meine Gnädige.

Das wußte ich wohl; ausgezeichnete Männer mögen nicht wnzen. —
Du bist pikirt, und das gibt Dir Lebe», Du bist gescheidter als gewöhuliy,
die Einfälle sprudeln aus Deinem Munde. Du bist mit Dir selber zufrieden
und denkst: man wird doch sehen, daß auch Herrmann nicht ganz auf den K'pf
gefallen ist.

Da sagt die Dame vom Hause zu Dir: Ihr Herr Bruder ist sehr gcistmch.
Er hat nicht kommen können?
Nein, gnädige Frau.

Ich verstehe; seine Augenblicke sind kostbar, er hat sie nicht in unserer lang-
weiligen Gesellschaft verschwenden wollen.

So, so — denkst Du -- meine Augenblicke sind also nicht kostbar? Was
meinen Bruder langweilt, ist für mich zu gut.

Du nimmst eine Droschke, der Kutscher fordert zu viel; Du streitest Dich, er
schlägt noch höher auf, Du merkst Dir seine Nummer und citirst ihn vor einen
Commissär. — Wie heißen Sie, Kläger? fragt Dich dieser.

Bauer.

Ah, der große Bauer! wollen Sie nicht die Güte haben — er bringt einen
Stuhl.

Ich bin nur sein Bruder.

So so. — Er nimmt den Stuhl wieder weg. Der Kutscher fordert zwei
Thaler.

Zwei Thaler wegen wäre ich nicht hergekommen, aber man muß diese Leute
doch strafen, die einen betrügen wollen.

Ach mein Herr, sagt der Polizeicommissär, um zwei Thaler willen werden
Sie den schönen Namen, den Sie führen, nicht compromittiren wollen; geben Sie
die zwei Thaler, und lassen Sie uns nicht weiter davon reden.

Eines Morgeus erzeigt Dein Bruder Dir die Ehre, Dich zu besuche«. Ah
da bist Du.

Ja, Herr Bruder.

Herr Bruder, was soll das heißen?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0530" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185294"/>
          <p xml:id="ID_1795"> Um Vergebung, meine Herren, Sie haben den Zettel nicht gelesen; hier<lb/>
steht, freilich in etwas feinen Buchstaben: ein lebendiger und geistvoller Dialog<lb/>
wird die Musik ersetzen, welche die Handlung eigentlich stört!!! &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1796"> Grade so ergeht es dem Bruder des berühmten Mannes. DaS Publikum<lb/>
des Salons, in den Du eintratest, hat sich betrogen; es glaubte eine berühmte<lb/>
Person vor sich zu haben, und hatte nichts als ihren Namen, nichts als &#x2014; Dich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1797"> Du bist im Anfang etwas verblüfft, aber Dn weißt Dich zu fassen. Du<lb/>
forderst eine Dame auf, Du tanzest nach besten Kräften. Plötzlich fragt sie doch:<lb/>
Ihr Herr Bruder tanzt wohl nicht?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1798"> Nein, meine Gnädige.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1799"> Das wußte ich wohl; ausgezeichnete Männer mögen nicht wnzen. &#x2014;<lb/>
Du bist pikirt, und das gibt Dir Lebe», Du bist gescheidter als gewöhuliy,<lb/>
die Einfälle sprudeln aus Deinem Munde.  Du bist mit Dir selber zufrieden<lb/>
und denkst: man wird doch sehen, daß auch Herrmann nicht ganz auf den K'pf<lb/>
gefallen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1800"> Da sagt die Dame vom Hause zu Dir: Ihr Herr Bruder ist sehr gcistmch.<lb/>
Er hat nicht kommen können?<lb/>
Nein, gnädige Frau.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1801"> Ich verstehe; seine Augenblicke sind kostbar, er hat sie nicht in unserer lang-<lb/>
weiligen Gesellschaft verschwenden wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1802"> So, so &#x2014; denkst Du -- meine Augenblicke sind also nicht kostbar? Was<lb/>
meinen Bruder langweilt, ist für mich zu gut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1803"> Du nimmst eine Droschke, der Kutscher fordert zu viel; Du streitest Dich, er<lb/>
schlägt noch höher auf, Du merkst Dir seine Nummer und citirst ihn vor einen<lb/>
Commissär. &#x2014; Wie heißen Sie, Kläger? fragt Dich dieser.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1804"> Bauer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1805"> Ah, der große Bauer! wollen Sie nicht die Güte haben &#x2014; er bringt einen<lb/>
Stuhl.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1806"> Ich bin nur sein Bruder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1807"> So so. &#x2014; Er nimmt den Stuhl wieder weg. Der Kutscher fordert zwei<lb/>
Thaler.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1808"> Zwei Thaler wegen wäre ich nicht hergekommen, aber man muß diese Leute<lb/>
doch strafen, die einen betrügen wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1809"> Ach mein Herr, sagt der Polizeicommissär, um zwei Thaler willen werden<lb/>
Sie den schönen Namen, den Sie führen, nicht compromittiren wollen; geben Sie<lb/>
die zwei Thaler, und lassen Sie uns nicht weiter davon reden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1810"> Eines Morgeus erzeigt Dein Bruder Dir die Ehre, Dich zu besuche«. Ah<lb/>
da bist Du.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1811"> Ja, Herr Bruder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1812"> Herr Bruder, was soll das heißen?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0530] Um Vergebung, meine Herren, Sie haben den Zettel nicht gelesen; hier steht, freilich in etwas feinen Buchstaben: ein lebendiger und geistvoller Dialog wird die Musik ersetzen, welche die Handlung eigentlich stört!!! — Grade so ergeht es dem Bruder des berühmten Mannes. DaS Publikum des Salons, in den Du eintratest, hat sich betrogen; es glaubte eine berühmte Person vor sich zu haben, und hatte nichts als ihren Namen, nichts als — Dich. Du bist im Anfang etwas verblüfft, aber Dn weißt Dich zu fassen. Du forderst eine Dame auf, Du tanzest nach besten Kräften. Plötzlich fragt sie doch: Ihr Herr Bruder tanzt wohl nicht? Nein, meine Gnädige. Das wußte ich wohl; ausgezeichnete Männer mögen nicht wnzen. — Du bist pikirt, und das gibt Dir Lebe», Du bist gescheidter als gewöhuliy, die Einfälle sprudeln aus Deinem Munde. Du bist mit Dir selber zufrieden und denkst: man wird doch sehen, daß auch Herrmann nicht ganz auf den K'pf gefallen ist. Da sagt die Dame vom Hause zu Dir: Ihr Herr Bruder ist sehr gcistmch. Er hat nicht kommen können? Nein, gnädige Frau. Ich verstehe; seine Augenblicke sind kostbar, er hat sie nicht in unserer lang- weiligen Gesellschaft verschwenden wollen. So, so — denkst Du -- meine Augenblicke sind also nicht kostbar? Was meinen Bruder langweilt, ist für mich zu gut. Du nimmst eine Droschke, der Kutscher fordert zu viel; Du streitest Dich, er schlägt noch höher auf, Du merkst Dir seine Nummer und citirst ihn vor einen Commissär. — Wie heißen Sie, Kläger? fragt Dich dieser. Bauer. Ah, der große Bauer! wollen Sie nicht die Güte haben — er bringt einen Stuhl. Ich bin nur sein Bruder. So so. — Er nimmt den Stuhl wieder weg. Der Kutscher fordert zwei Thaler. Zwei Thaler wegen wäre ich nicht hergekommen, aber man muß diese Leute doch strafen, die einen betrügen wollen. Ach mein Herr, sagt der Polizeicommissär, um zwei Thaler willen werden Sie den schönen Namen, den Sie führen, nicht compromittiren wollen; geben Sie die zwei Thaler, und lassen Sie uns nicht weiter davon reden. Eines Morgeus erzeigt Dein Bruder Dir die Ehre, Dich zu besuche«. Ah da bist Du. Ja, Herr Bruder. Herr Bruder, was soll das heißen?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/530
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/530>, abgerufen am 22.07.2024.