Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band. Das Passahfest ist mit dem Frühling kommen. Da feiert frohe Rast die Judenstadt, Der Fremde selbst wird gastlich aufgenommen, Und Juda's Sitte macht ihn froh und satt. ' Verbanne sei heut' des Lebens bitt'res Kranken, Verbanne das Lied, das heut' an Schmerzen rührt; -- Es lebt das Fest, des Tages Angedenken, Der Israel aus seiner Haft geführt. Und festlich steht des Rabbi's Chaims's Halle Für Jung und Alt -- im festlichen Gemisch -- Die Enkel und Verwandten sitzen alle Im Kreise um den weißgedeckten Tisch. Die schöne, reiche Tafel! auf ihr prangt In Schüsseln blank, was das Gesetz verlangt, Der grüne Lattich und das Fleisch vom Lamme, Die Kost der Väter im Aegypterland Steht prangend, und die Sabbalhlampenflamme Läßt heit're Schatten tanzen an der Wand. Wie stolz das südlichdunkle Auge blitzt Des Patriarchen mit getheiltem Barte, Der königlich auf hohem Pfühle sitzt -- Um ihn der Enkel Kreis, der dichtgeschaarte. Er hat ein Väterpfand aus alten Tagen, Mit krausen Lettern, ein vergilbtes Buch, Die heilige Agada ausgeschlagen, Und liest d'raus singend manchen theuren Spruch. Und wie der Vers von seiner Lippe schäumt, Die Seele von der Väter Heimath träumt. Ach, eine frohe Botschaft bringt der Reim: "Der Glaube macht euch frei und bringt euch heim!" "Er bringt euch heim!" So jauchzt des Greisen Seele, Doch von dem Tische schleicht der Enkclsohn, Er birgt die Stirn, daß er die Thräne beste -- Ihm dünkt, er hörte fernen Glockenton. Und leise spricht er: Weh' dir, Sang der Ahnen, Du schönes Lied vom Heimathsparadies, Das Passahfest ist mit dem Frühling kommen. Da feiert frohe Rast die Judenstadt, Der Fremde selbst wird gastlich aufgenommen, Und Juda's Sitte macht ihn froh und satt. ' Verbanne sei heut' des Lebens bitt'res Kranken, Verbanne das Lied, das heut' an Schmerzen rührt; — Es lebt das Fest, des Tages Angedenken, Der Israel aus seiner Haft geführt. Und festlich steht des Rabbi's Chaims's Halle Für Jung und Alt — im festlichen Gemisch — Die Enkel und Verwandten sitzen alle Im Kreise um den weißgedeckten Tisch. Die schöne, reiche Tafel! auf ihr prangt In Schüsseln blank, was das Gesetz verlangt, Der grüne Lattich und das Fleisch vom Lamme, Die Kost der Väter im Aegypterland Steht prangend, und die Sabbalhlampenflamme Läßt heit're Schatten tanzen an der Wand. Wie stolz das südlichdunkle Auge blitzt Des Patriarchen mit getheiltem Barte, Der königlich auf hohem Pfühle sitzt — Um ihn der Enkel Kreis, der dichtgeschaarte. Er hat ein Väterpfand aus alten Tagen, Mit krausen Lettern, ein vergilbtes Buch, Die heilige Agada ausgeschlagen, Und liest d'raus singend manchen theuren Spruch. Und wie der Vers von seiner Lippe schäumt, Die Seele von der Väter Heimath träumt. Ach, eine frohe Botschaft bringt der Reim: „Der Glaube macht euch frei und bringt euch heim!" „Er bringt euch heim!" So jauchzt des Greisen Seele, Doch von dem Tische schleicht der Enkclsohn, Er birgt die Stirn, daß er die Thräne beste — Ihm dünkt, er hörte fernen Glockenton. Und leise spricht er: Weh' dir, Sang der Ahnen, Du schönes Lied vom Heimathsparadies, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185279"/> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l> Das Passahfest ist mit dem Frühling kommen.<lb/> Da feiert frohe Rast die Judenstadt,<lb/> Der Fremde selbst wird gastlich aufgenommen,<lb/> Und Juda's Sitte macht ihn froh und satt. 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Das Passahfest ist mit dem Frühling kommen.
Da feiert frohe Rast die Judenstadt,
Der Fremde selbst wird gastlich aufgenommen,
Und Juda's Sitte macht ihn froh und satt. '
Verbanne sei heut' des Lebens bitt'res Kranken,
Verbanne das Lied, das heut' an Schmerzen rührt; —
Es lebt das Fest, des Tages Angedenken,
Der Israel aus seiner Haft geführt. Und festlich steht des Rabbi's Chaims's Halle
Für Jung und Alt — im festlichen Gemisch —
Die Enkel und Verwandten sitzen alle
Im Kreise um den weißgedeckten Tisch.
Die schöne, reiche Tafel! auf ihr prangt
In Schüsseln blank, was das Gesetz verlangt,
Der grüne Lattich und das Fleisch vom Lamme,
Die Kost der Väter im Aegypterland
Steht prangend, und die Sabbalhlampenflamme
Läßt heit're Schatten tanzen an der Wand. Wie stolz das südlichdunkle Auge blitzt
Des Patriarchen mit getheiltem Barte,
Der königlich auf hohem Pfühle sitzt —
Um ihn der Enkel Kreis, der dichtgeschaarte.
Er hat ein Väterpfand aus alten Tagen,
Mit krausen Lettern, ein vergilbtes Buch,
Die heilige Agada ausgeschlagen,
Und liest d'raus singend manchen theuren Spruch.
Und wie der Vers von seiner Lippe schäumt,
Die Seele von der Väter Heimath träumt.
Ach, eine frohe Botschaft bringt der Reim:
„Der Glaube macht euch frei und bringt euch heim!" „Er bringt euch heim!" So jauchzt des Greisen Seele,
Doch von dem Tische schleicht der Enkclsohn,
Er birgt die Stirn, daß er die Thräne beste —
Ihm dünkt, er hörte fernen Glockenton.
Und leise spricht er: Weh' dir, Sang der Ahnen,
Du schönes Lied vom Heimathsparadies,
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