Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen nie der Welt vorgesungen, darum weiß diese aber doch wie ihr zu Muthe ist.
Sie beschäftigt sich ganz mit Volksschulen, und das Interesse daran hat fast jedes
andere bei ihr verdrängt. Ihre Gesundheit ist jetzt sehr leidend. --

Wenn hier von würdigen und unglücklichen Frauen die Rede ist, darf man
nicht unterlassen einer würdigen und sehr glücklichen Juugftan zu erwähnen, deren
Projectirte Heirath Deutschland kürzlich sehr beschäftigt hat. Es scheint jedoch jetzt,
daß aus Miß Burdett Condes und dem Herzog von Wellington kein Paar werden
wird, denn dem Helden von Waterloo ist das Leben schon so sparsam zugemessen,
daß mau fürchten muß, die Parze möge bei einem neuen Knoten plötzlich abschnei¬
den. Die junge Dame hat nun jetzt den Plan gefaßt, die verwahrloseten Mäd¬
chen auf den Pfad der Tugend zu führen, wobei der herzogliche Gemahl ihr freilich
ein mißlicher Gehülfe gewesen wäre. Sie hat ein Lokal gemiethet und eingerichtet,
wo für jetzt 2V Kandidatinnen Platz finden; fällt die Sache gut ans, wird es er¬
weitert, und mehrere Anstalten der Art werden errichtet. Charles Dickens (Boz)
nimmt großen Antheil an der Sache, und er und Oberst Chesterton haben die
Oberaufsicht übernommen. Für den Ersteren möchte dies eine Goldgrube still an
Stoffen für neue Romane.

Vorgestern ist das Parlament endlich eröffnet worden -- durch einen könig¬
lichen Commissär. Die interessanteste Stelle der Thronrede ist diejenige, welche
die Schweiz betrifft. Der Zusammentritt eines europäische" Kongresses wird darin
angedeutet, doch auch zugleich der Entschluß, keine Intervention zu dulden. Die
Regierung der Königin -- heißt es -- wird ihren "freundschaftlichen" Ein¬
fluß auf die Schweiz geltend machen, um die betrübenden Wirren zu lösen. Dar¬
über ist mau hier in allen politischen Kreisen einig, daß England nun und nim¬
mermehr zu eiuer bewaffneten Einmischung seine Zustimmung geben wird, und die
britische Diplomatie wirkt in diesem Sinne nicht mir seit längerer Zeit an den
Höfen von Paris und Wien, sondern hat noch die specielle Mission an den klei¬
nern Höfen der süddeutschen Staaten eine Opposition gegell das Wiener Cabinet
zu bilden, für den Fall, daß sich dieses von Leidenschaft hingerissen in dieser Frage
mit Frankreich sich vereinen würde, an Truppen uach der Schweiz zu senden. --
Ich b Ämelu. erichte hierüber nur, was ich hier allenthalben höre.




gen nie der Welt vorgesungen, darum weiß diese aber doch wie ihr zu Muthe ist.
Sie beschäftigt sich ganz mit Volksschulen, und das Interesse daran hat fast jedes
andere bei ihr verdrängt. Ihre Gesundheit ist jetzt sehr leidend. —

Wenn hier von würdigen und unglücklichen Frauen die Rede ist, darf man
nicht unterlassen einer würdigen und sehr glücklichen Juugftan zu erwähnen, deren
Projectirte Heirath Deutschland kürzlich sehr beschäftigt hat. Es scheint jedoch jetzt,
daß aus Miß Burdett Condes und dem Herzog von Wellington kein Paar werden
wird, denn dem Helden von Waterloo ist das Leben schon so sparsam zugemessen,
daß mau fürchten muß, die Parze möge bei einem neuen Knoten plötzlich abschnei¬
den. Die junge Dame hat nun jetzt den Plan gefaßt, die verwahrloseten Mäd¬
chen auf den Pfad der Tugend zu führen, wobei der herzogliche Gemahl ihr freilich
ein mißlicher Gehülfe gewesen wäre. Sie hat ein Lokal gemiethet und eingerichtet,
wo für jetzt 2V Kandidatinnen Platz finden; fällt die Sache gut ans, wird es er¬
weitert, und mehrere Anstalten der Art werden errichtet. Charles Dickens (Boz)
nimmt großen Antheil an der Sache, und er und Oberst Chesterton haben die
Oberaufsicht übernommen. Für den Ersteren möchte dies eine Goldgrube still an
Stoffen für neue Romane.

Vorgestern ist das Parlament endlich eröffnet worden — durch einen könig¬
lichen Commissär. Die interessanteste Stelle der Thronrede ist diejenige, welche
die Schweiz betrifft. Der Zusammentritt eines europäische» Kongresses wird darin
angedeutet, doch auch zugleich der Entschluß, keine Intervention zu dulden. Die
Regierung der Königin — heißt es — wird ihren „freundschaftlichen" Ein¬
fluß auf die Schweiz geltend machen, um die betrübenden Wirren zu lösen. Dar¬
über ist mau hier in allen politischen Kreisen einig, daß England nun und nim¬
mermehr zu eiuer bewaffneten Einmischung seine Zustimmung geben wird, und die
britische Diplomatie wirkt in diesem Sinne nicht mir seit längerer Zeit an den
Höfen von Paris und Wien, sondern hat noch die specielle Mission an den klei¬
nern Höfen der süddeutschen Staaten eine Opposition gegell das Wiener Cabinet
zu bilden, für den Fall, daß sich dieses von Leidenschaft hingerissen in dieser Frage
mit Frankreich sich vereinen würde, an Truppen uach der Schweiz zu senden. —
Ich b Ämelu. erichte hierüber nur, was ich hier allenthalben höre.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185161"/>
          <p xml:id="ID_1296" prev="#ID_1295"> gen nie der Welt vorgesungen, darum weiß diese aber doch wie ihr zu Muthe ist.<lb/>
Sie beschäftigt sich ganz mit Volksschulen, und das Interesse daran hat fast jedes<lb/>
andere bei ihr verdrängt. Ihre Gesundheit ist jetzt sehr leidend. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1297"> Wenn hier von würdigen und unglücklichen Frauen die Rede ist, darf man<lb/>
nicht unterlassen einer würdigen und sehr glücklichen Juugftan zu erwähnen, deren<lb/>
Projectirte Heirath Deutschland kürzlich sehr beschäftigt hat. Es scheint jedoch jetzt,<lb/>
daß aus Miß Burdett Condes und dem Herzog von Wellington kein Paar werden<lb/>
wird, denn dem Helden von Waterloo ist das Leben schon so sparsam zugemessen,<lb/>
daß mau fürchten muß, die Parze möge bei einem neuen Knoten plötzlich abschnei¬<lb/>
den. Die junge Dame hat nun jetzt den Plan gefaßt, die verwahrloseten Mäd¬<lb/>
chen auf den Pfad der Tugend zu führen, wobei der herzogliche Gemahl ihr freilich<lb/>
ein mißlicher Gehülfe gewesen wäre. Sie hat ein Lokal gemiethet und eingerichtet,<lb/>
wo für jetzt 2V Kandidatinnen Platz finden; fällt die Sache gut ans, wird es er¬<lb/>
weitert, und mehrere Anstalten der Art werden errichtet. Charles Dickens (Boz)<lb/>
nimmt großen Antheil an der Sache, und er und Oberst Chesterton haben die<lb/>
Oberaufsicht übernommen. Für den Ersteren möchte dies eine Goldgrube still an<lb/>
Stoffen für neue Romane.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1298"> Vorgestern ist das Parlament endlich eröffnet worden &#x2014; durch einen könig¬<lb/>
lichen Commissär. Die interessanteste Stelle der Thronrede ist diejenige, welche<lb/>
die Schweiz betrifft. Der Zusammentritt eines europäische» Kongresses wird darin<lb/>
angedeutet, doch auch zugleich der Entschluß, keine Intervention zu dulden. Die<lb/>
Regierung der Königin &#x2014; heißt es &#x2014; wird ihren &#x201E;freundschaftlichen" Ein¬<lb/>
fluß auf die Schweiz geltend machen, um die betrübenden Wirren zu lösen. Dar¬<lb/>
über ist mau hier in allen politischen Kreisen einig, daß England nun und nim¬<lb/>
mermehr zu eiuer bewaffneten Einmischung seine Zustimmung geben wird, und die<lb/>
britische Diplomatie wirkt in diesem Sinne nicht mir seit längerer Zeit an den<lb/>
Höfen von Paris und Wien, sondern hat noch die specielle Mission an den klei¬<lb/>
nern Höfen der süddeutschen Staaten eine Opposition gegell das Wiener Cabinet<lb/>
zu bilden, für den Fall, daß sich dieses von Leidenschaft hingerissen in dieser Frage<lb/>
mit Frankreich sich vereinen würde, an Truppen uach der Schweiz zu senden. &#x2014;<lb/>
Ich b<note type="byline"> Ämelu.</note> erichte hierüber nur, was ich hier allenthalben höre. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0397] gen nie der Welt vorgesungen, darum weiß diese aber doch wie ihr zu Muthe ist. Sie beschäftigt sich ganz mit Volksschulen, und das Interesse daran hat fast jedes andere bei ihr verdrängt. Ihre Gesundheit ist jetzt sehr leidend. — Wenn hier von würdigen und unglücklichen Frauen die Rede ist, darf man nicht unterlassen einer würdigen und sehr glücklichen Juugftan zu erwähnen, deren Projectirte Heirath Deutschland kürzlich sehr beschäftigt hat. Es scheint jedoch jetzt, daß aus Miß Burdett Condes und dem Herzog von Wellington kein Paar werden wird, denn dem Helden von Waterloo ist das Leben schon so sparsam zugemessen, daß mau fürchten muß, die Parze möge bei einem neuen Knoten plötzlich abschnei¬ den. Die junge Dame hat nun jetzt den Plan gefaßt, die verwahrloseten Mäd¬ chen auf den Pfad der Tugend zu führen, wobei der herzogliche Gemahl ihr freilich ein mißlicher Gehülfe gewesen wäre. Sie hat ein Lokal gemiethet und eingerichtet, wo für jetzt 2V Kandidatinnen Platz finden; fällt die Sache gut ans, wird es er¬ weitert, und mehrere Anstalten der Art werden errichtet. Charles Dickens (Boz) nimmt großen Antheil an der Sache, und er und Oberst Chesterton haben die Oberaufsicht übernommen. Für den Ersteren möchte dies eine Goldgrube still an Stoffen für neue Romane. Vorgestern ist das Parlament endlich eröffnet worden — durch einen könig¬ lichen Commissär. Die interessanteste Stelle der Thronrede ist diejenige, welche die Schweiz betrifft. Der Zusammentritt eines europäische» Kongresses wird darin angedeutet, doch auch zugleich der Entschluß, keine Intervention zu dulden. Die Regierung der Königin — heißt es — wird ihren „freundschaftlichen" Ein¬ fluß auf die Schweiz geltend machen, um die betrübenden Wirren zu lösen. Dar¬ über ist mau hier in allen politischen Kreisen einig, daß England nun und nim¬ mermehr zu eiuer bewaffneten Einmischung seine Zustimmung geben wird, und die britische Diplomatie wirkt in diesem Sinne nicht mir seit längerer Zeit an den Höfen von Paris und Wien, sondern hat noch die specielle Mission an den klei¬ nern Höfen der süddeutschen Staaten eine Opposition gegell das Wiener Cabinet zu bilden, für den Fall, daß sich dieses von Leidenschaft hingerissen in dieser Frage mit Frankreich sich vereinen würde, an Truppen uach der Schweiz zu senden. — Ich b Ämelu. erichte hierüber nur, was ich hier allenthalben höre.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/397
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/397>, abgerufen am 12.12.2024.