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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Die deutschen Hanse-Städte.



i.
Allgemeine Charakteristik.

Große Herren haben oft absonderliche Launen, und einer solchen Laune mag
es zuzuschreiben sein, daß es dein Wiener Kongreß, diesem Ländervertheiler p-ir
vxcollknee gefallen hat, die drei deutschen Hansestädte unverändert als Repu¬
bliken fortbestehen zu lassen. Republiken mitten im streng monarchischen Deutsch¬
land, wo man den Kindern die Ehrfurcht vor den Fürsten wo möglich schon mit
der Muttermilch einzuflößen bemüht ist! Vielleicht auch, daß man nicht wußte
welchem Staate man diese Städte zutheilen sollte, denn es wäre ein gar fetter
Bissen gewesen, den Jeder zwar sehr gern selbst für sich genommen, Keiner
aber dem Andern gegönnt hätte. So ließ man diesen Städten nach wie
vor ihre freie Unabhängigkeit. Daß mit Frankfurt, dieser alten freien Reichs¬
wenn auch nicht Hansestadt dies geschah, war natürlich. Da sie das Glück
hatte den hohen deutschen Bundestag in ihre Mauern zu bekommen, so mußte
sie auch wohl unabhängig bleiben, denn diesem mußte es bequemer sein sich
in einer solchen Stadt, als in der Residenz eines Fürsten zu versammeln.
Zwar hätte auch dies manche Annehmlichkeiten als: diplomatische Diner's, Bälle,
Galla-Couren, Hoftheater u. s. w. gehabt, doch daß es an Ersteren nicht fehlt,
dafür sorgen auch in Frankfurt die reichen Banquiers; das Andere mag den größten¬
teils schon bejahrten Herren, welche den Bundestag bilden, wohl nur zu unbequem
sein. Wäre dies nicht der Fall, Frankfurt wäre wahrscheinlich landgräflich Hesscn-
Homburgisch geworden, ein Glück, was es gewiß zu schätzen gewußt hätte.

Diese drei norddeutschen Hansestädte (eine Charakteristik von Frankfurt behal¬
ten wir uns für ein andermal vor) nehmen nun dem übrigen Deutschland gegenüber
eine eigenthümliche Stellung ein, so wie sie mit einander verglichen wieder manches
Besondere in ihrem Wesen und Treiben besitzen. Daß sich aus ihnen nicht das
republikanische Freiheitsgelüste in das übrige Deutschland verbreitete, dafür wußte
man durch die abhängige und unbedeutende Stellung die man ihnen gab, trefflich
M sorgen. Schon als Mitglieder des deutschen Bundes sind sie allen Bestimmungen


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Die deutschen Hanse-Städte.



i.
Allgemeine Charakteristik.

Große Herren haben oft absonderliche Launen, und einer solchen Laune mag
es zuzuschreiben sein, daß es dein Wiener Kongreß, diesem Ländervertheiler p-ir
vxcollknee gefallen hat, die drei deutschen Hansestädte unverändert als Repu¬
bliken fortbestehen zu lassen. Republiken mitten im streng monarchischen Deutsch¬
land, wo man den Kindern die Ehrfurcht vor den Fürsten wo möglich schon mit
der Muttermilch einzuflößen bemüht ist! Vielleicht auch, daß man nicht wußte
welchem Staate man diese Städte zutheilen sollte, denn es wäre ein gar fetter
Bissen gewesen, den Jeder zwar sehr gern selbst für sich genommen, Keiner
aber dem Andern gegönnt hätte. So ließ man diesen Städten nach wie
vor ihre freie Unabhängigkeit. Daß mit Frankfurt, dieser alten freien Reichs¬
wenn auch nicht Hansestadt dies geschah, war natürlich. Da sie das Glück
hatte den hohen deutschen Bundestag in ihre Mauern zu bekommen, so mußte
sie auch wohl unabhängig bleiben, denn diesem mußte es bequemer sein sich
in einer solchen Stadt, als in der Residenz eines Fürsten zu versammeln.
Zwar hätte auch dies manche Annehmlichkeiten als: diplomatische Diner's, Bälle,
Galla-Couren, Hoftheater u. s. w. gehabt, doch daß es an Ersteren nicht fehlt,
dafür sorgen auch in Frankfurt die reichen Banquiers; das Andere mag den größten¬
teils schon bejahrten Herren, welche den Bundestag bilden, wohl nur zu unbequem
sein. Wäre dies nicht der Fall, Frankfurt wäre wahrscheinlich landgräflich Hesscn-
Homburgisch geworden, ein Glück, was es gewiß zu schätzen gewußt hätte.

Diese drei norddeutschen Hansestädte (eine Charakteristik von Frankfurt behal¬
ten wir uns für ein andermal vor) nehmen nun dem übrigen Deutschland gegenüber
eine eigenthümliche Stellung ein, so wie sie mit einander verglichen wieder manches
Besondere in ihrem Wesen und Treiben besitzen. Daß sich aus ihnen nicht das
republikanische Freiheitsgelüste in das übrige Deutschland verbreitete, dafür wußte
man durch die abhängige und unbedeutende Stellung die man ihnen gab, trefflich
M sorgen. Schon als Mitglieder des deutschen Bundes sind sie allen Bestimmungen


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[0369] Die deutschen Hanse-Städte. i. Allgemeine Charakteristik. Große Herren haben oft absonderliche Launen, und einer solchen Laune mag es zuzuschreiben sein, daß es dein Wiener Kongreß, diesem Ländervertheiler p-ir vxcollknee gefallen hat, die drei deutschen Hansestädte unverändert als Repu¬ bliken fortbestehen zu lassen. Republiken mitten im streng monarchischen Deutsch¬ land, wo man den Kindern die Ehrfurcht vor den Fürsten wo möglich schon mit der Muttermilch einzuflößen bemüht ist! Vielleicht auch, daß man nicht wußte welchem Staate man diese Städte zutheilen sollte, denn es wäre ein gar fetter Bissen gewesen, den Jeder zwar sehr gern selbst für sich genommen, Keiner aber dem Andern gegönnt hätte. So ließ man diesen Städten nach wie vor ihre freie Unabhängigkeit. Daß mit Frankfurt, dieser alten freien Reichs¬ wenn auch nicht Hansestadt dies geschah, war natürlich. Da sie das Glück hatte den hohen deutschen Bundestag in ihre Mauern zu bekommen, so mußte sie auch wohl unabhängig bleiben, denn diesem mußte es bequemer sein sich in einer solchen Stadt, als in der Residenz eines Fürsten zu versammeln. Zwar hätte auch dies manche Annehmlichkeiten als: diplomatische Diner's, Bälle, Galla-Couren, Hoftheater u. s. w. gehabt, doch daß es an Ersteren nicht fehlt, dafür sorgen auch in Frankfurt die reichen Banquiers; das Andere mag den größten¬ teils schon bejahrten Herren, welche den Bundestag bilden, wohl nur zu unbequem sein. Wäre dies nicht der Fall, Frankfurt wäre wahrscheinlich landgräflich Hesscn- Homburgisch geworden, ein Glück, was es gewiß zu schätzen gewußt hätte. Diese drei norddeutschen Hansestädte (eine Charakteristik von Frankfurt behal¬ ten wir uns für ein andermal vor) nehmen nun dem übrigen Deutschland gegenüber eine eigenthümliche Stellung ein, so wie sie mit einander verglichen wieder manches Besondere in ihrem Wesen und Treiben besitzen. Daß sich aus ihnen nicht das republikanische Freiheitsgelüste in das übrige Deutschland verbreitete, dafür wußte man durch die abhängige und unbedeutende Stellung die man ihnen gab, trefflich M sorgen. Schon als Mitglieder des deutschen Bundes sind sie allen Bestimmungen Ar«njl>°,c„. VI. I»i7. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/369>, abgerufen am 03.07.2024.