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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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die bornirte StaudeSeitclkeit im lächerlichsten Lichte. Daß ein viel gereifter und
gewandter Handwerksbursche aus der Schweiz, der allerdings etwas zu breit und
pathetisch, aber nicht gedankenlos sprach, öfter auszutreten wagte, war einigen Leu¬
ten, die sich etwas Besseres dünken, weil sie die Feder, wenn auch vielleicht nur
als Abschreiber führen, höchst unangenehm; anch verdachte man eS dem Frem¬
de", daß er sich so breit mache. Die alte Erfahrung, daß kleinstädtische Residen¬
zen, die ohne den Gesichtskreis zu erweitern Ansprüche erzeugen, die Wucherstät¬
ten kleinlichen Dünkels sind, bestätigt sich auch bei Weimar.

Die fliegenden Blätter haben Eisele und Beisele auch Weimar berühren lassen
und führen es in drei Bildern vor, der schon erivähuten Theatcrsceue, der Ver¬
haftung Eisele'ö und Beisein'S, weil der erste ein bürgerliches Mädchen mit Fräu¬
lein angeredet, und der strengen Haft der Verbrecher, bei der zwei großherzogliche
Husaren mit ihren Steckenpferden als Wachen auftreten. Das vierte Bild ist
eine Wiederholung des dritten und zeigt die Erschöpfung in Weimar noch einen
weiteren piquanten Gegenstand aufzufinden. Es ist also nnr die Weimarisehe Adcls-
sneht und die Spielerei mit bewaffneten Bedienten, was sich den fliegenden Blät¬
tern als Spottstvsf bietet. In Weimar kann man von einer Adelssucht sprechen,
weil ein Adel, der irgend durch Besitz oder historische Erinnerungen Bedeutung
hätte, nicht existirt, und man einen solchen nicht zu schaffen aber zu fingiren sucht.
Die See Husaren sollen jetzt, wie man sagt, auf fünf, die zur Begleitung des
großherzoglichen Wagens beibehalten werden, reducirt, und ein Trupp reitender
Gendarmerie errichtet werden. -- Da die fliegenden Blätter ans englische Figuren
Jagd mache", so hätten sie sich nach solchen auch 'in Weimar umsehen können, das
die Ehre hat, stets einer ziemlichen Anzahl von Engländern zum Aufenthalt zu
dienen. Sie werden hier sehr rücksichtsvoll behandelt, und geberden sich, obschon
sie oft in England der gewöhnlichsten Gesellschaft angehörten, vornehm und unge-
nirt ge""g. Selten werden sie so zurechtgesetzt, wie jeuer Engländer, der auf
den EhringSdörfcr Saat- und Gemüsefeldern mit der größten GemüthSnche im
Zickzack spaziren ritt, und von deu Bauern trotz seines komischen Zornes gewaltsam
durch das Dorf und vor den Schulzen geführt wurde. -- Hätten Eisele und Bei¬
sele nicht in Berlin wegen Rauchers im Freien bestraft werden müssen, so hätte
dies auch in Weimar geschehen können, wo das Rauchen in Stadt und Park ver¬
boten ist, was seinen Grund vorzüglich in der persönlichen Grvßherzoglichen An¬
tipathie gegen den Taback haben soll. Bei der Eröffnung der Eisenbahn, der
Weimar übrigens einen ganz geschmackvollen Bahnhof verdankt, verbreitete sich das
Gerücht, die Polizei werde dem Rauchen durch die Finger scheu. Plötzlich dampfte
die Stadt an allen Ecken, die Leute steckten zwei Cigarren ans einmal in den
Mund, und das alte Verbot mußte in Erinnerung gebracht werden. Man sieht
daraus, daß das Volk von Weimar zur Nauchfrcihcit uoch nicht reif ist.


die bornirte StaudeSeitclkeit im lächerlichsten Lichte. Daß ein viel gereifter und
gewandter Handwerksbursche aus der Schweiz, der allerdings etwas zu breit und
pathetisch, aber nicht gedankenlos sprach, öfter auszutreten wagte, war einigen Leu¬
ten, die sich etwas Besseres dünken, weil sie die Feder, wenn auch vielleicht nur
als Abschreiber führen, höchst unangenehm; anch verdachte man eS dem Frem¬
de», daß er sich so breit mache. Die alte Erfahrung, daß kleinstädtische Residen¬
zen, die ohne den Gesichtskreis zu erweitern Ansprüche erzeugen, die Wucherstät¬
ten kleinlichen Dünkels sind, bestätigt sich auch bei Weimar.

Die fliegenden Blätter haben Eisele und Beisele auch Weimar berühren lassen
und führen es in drei Bildern vor, der schon erivähuten Theatcrsceue, der Ver¬
haftung Eisele'ö und Beisein'S, weil der erste ein bürgerliches Mädchen mit Fräu¬
lein angeredet, und der strengen Haft der Verbrecher, bei der zwei großherzogliche
Husaren mit ihren Steckenpferden als Wachen auftreten. Das vierte Bild ist
eine Wiederholung des dritten und zeigt die Erschöpfung in Weimar noch einen
weiteren piquanten Gegenstand aufzufinden. Es ist also nnr die Weimarisehe Adcls-
sneht und die Spielerei mit bewaffneten Bedienten, was sich den fliegenden Blät¬
tern als Spottstvsf bietet. In Weimar kann man von einer Adelssucht sprechen,
weil ein Adel, der irgend durch Besitz oder historische Erinnerungen Bedeutung
hätte, nicht existirt, und man einen solchen nicht zu schaffen aber zu fingiren sucht.
Die See Husaren sollen jetzt, wie man sagt, auf fünf, die zur Begleitung des
großherzoglichen Wagens beibehalten werden, reducirt, und ein Trupp reitender
Gendarmerie errichtet werden. — Da die fliegenden Blätter ans englische Figuren
Jagd mache», so hätten sie sich nach solchen auch 'in Weimar umsehen können, das
die Ehre hat, stets einer ziemlichen Anzahl von Engländern zum Aufenthalt zu
dienen. Sie werden hier sehr rücksichtsvoll behandelt, und geberden sich, obschon
sie oft in England der gewöhnlichsten Gesellschaft angehörten, vornehm und unge-
nirt ge»»g. Selten werden sie so zurechtgesetzt, wie jeuer Engländer, der auf
den EhringSdörfcr Saat- und Gemüsefeldern mit der größten GemüthSnche im
Zickzack spaziren ritt, und von deu Bauern trotz seines komischen Zornes gewaltsam
durch das Dorf und vor den Schulzen geführt wurde. — Hätten Eisele und Bei¬
sele nicht in Berlin wegen Rauchers im Freien bestraft werden müssen, so hätte
dies auch in Weimar geschehen können, wo das Rauchen in Stadt und Park ver¬
boten ist, was seinen Grund vorzüglich in der persönlichen Grvßherzoglichen An¬
tipathie gegen den Taback haben soll. Bei der Eröffnung der Eisenbahn, der
Weimar übrigens einen ganz geschmackvollen Bahnhof verdankt, verbreitete sich das
Gerücht, die Polizei werde dem Rauchen durch die Finger scheu. Plötzlich dampfte
die Stadt an allen Ecken, die Leute steckten zwei Cigarren ans einmal in den
Mund, und das alte Verbot mußte in Erinnerung gebracht werden. Man sieht
daraus, daß das Volk von Weimar zur Nauchfrcihcit uoch nicht reif ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/342>, abgerufen am 24.08.2024.