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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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fürchten läßt. -- Auch im Pesther Comitat siegte die Opposition. Ludwig
Kossuth wurde mit 2N48 gegen i:^ 14 Stimmen nel'se Szentkirnlpi zum De¬
putaten gewählt. Wie ich Ihnen schon früher berichtet habe, trat gegen Kossuth
zuerst ein gewisser Halusz auf und als dieser abdankte Andreas Balla, Obernotar
des Pesther Comitats. Letztern bewog man dadurch zum Candidaten aufzutreten,
daß man vorgab, die Regierung werde Alles gegen Kossuth aufbieten, und daß
dieser in keinem Falle die Majorität erlangen könne. Doch als sich Balla
überzeugte, daß das "Alles" der Regierung uicht viel vermag und die Helden
des duoi<1<; et durchschaute, trat er schou zehn Tage vor der Depu-

tirtcnwahl zurück und Kossuth's Sieg war unzweifelhaft. Nichts desto weniger
agitirten die Geistlichen, die Konservativen und ein Theil kleinerer Grundbesitzer --
die man gegen Kossuth aufzubringen wußte, weil er keinen Besitz im Pesther Co-
mitat hat -- unter Balla's Firma fort und am 17. hielten die beiden feindlichen
Heere ihren feierlichen Einzug. Es war ein prachtvoller Anblick, die vielen festlich
geschmückten meist bewaffneten Männer durch die Stadt ziehen zu scheu. Die vie¬
len Fahnen kündigten stolz die Namen der Candidaten an, die vielen Eljen erschol¬
len durch die Lust und Nationalmusik wechselte mit patriotischen Reden und Spott¬
liedern auf die politischen Gegner ab. Das Ganze glich mehr einem kriegerischen
Auszüge als einem so feierlichen Wahlaete, und doch geschah, trotz dem Mangel
aller Polizei, anch uicht der geringste Exceß, und der Abend fand die lustige Menge
zechend, singend und tanzend in den verschiedenen Tanya'sDoch um ganz
historisch wahr zu sein, muß ich erwähnen, daß ein ganz kleiner Haufe, der tiefer
in's Glas als in unsere politischen Verhältnisse guckte, einem Domherrn, der sich
durch seine Ausfälle gegen die Opposition ausgezeichnet, die Fenster einschlug. Super¬
kluge behaupten, daß dies von jenem Domherrn selbst gedungene Leute gewesen
wäre", weil er hoffe die Glaserrcchuuug werde mit dem Bischofstitel beglichen
werden. -- Schon am frühen Morgen des 18. Octobers war das Comitathaus
erfüllt von den Wählern der beiden Parteien. Der oppositionelle Theil hatte den
ganzen Saal und die Galerie, so wie einen großen Theil des Hofes inne. Die
Majorität war evident und doch willigte der Administrator nicht in die Proclama-
tion Kossuth's. Es mußte abgestimmt werden. Die Thore des Comitathanses
wurden um 9 Uhr Morgens geschlossen und Niemand mehr bekam Einlaß; hinaus
wurden nur diejenigen gelassen, die schon gestimmt hatten. Die Voteusammlung
dauerte bis N Uhr Abends. Diejenigen, die schon gestimmt, versammelten sich wie¬
der vor dem Comitathause unter ihren Fahnen und zechten und tanzte" auf der
Gasse, ihre Tänzerinnen unter den neugierige" sich zu weit heranwagenden Mäg¬
den rekrntirend. Es gab ein Jauchzen und Lärmen, Bachus hatte seinen Freu-
dentag, aber wie bemerkt, nicht der geringste Unfug faud statt. Als das Resultat



Tcmya heißt die Herberge der Cortes, eigentlich Lager oder Wohnung.

fürchten läßt. — Auch im Pesther Comitat siegte die Opposition. Ludwig
Kossuth wurde mit 2N48 gegen i:^ 14 Stimmen nel'se Szentkirnlpi zum De¬
putaten gewählt. Wie ich Ihnen schon früher berichtet habe, trat gegen Kossuth
zuerst ein gewisser Halusz auf und als dieser abdankte Andreas Balla, Obernotar
des Pesther Comitats. Letztern bewog man dadurch zum Candidaten aufzutreten,
daß man vorgab, die Regierung werde Alles gegen Kossuth aufbieten, und daß
dieser in keinem Falle die Majorität erlangen könne. Doch als sich Balla
überzeugte, daß das „Alles" der Regierung uicht viel vermag und die Helden
des duoi<1<; et durchschaute, trat er schou zehn Tage vor der Depu-

tirtcnwahl zurück und Kossuth's Sieg war unzweifelhaft. Nichts desto weniger
agitirten die Geistlichen, die Konservativen und ein Theil kleinerer Grundbesitzer —
die man gegen Kossuth aufzubringen wußte, weil er keinen Besitz im Pesther Co-
mitat hat — unter Balla's Firma fort und am 17. hielten die beiden feindlichen
Heere ihren feierlichen Einzug. Es war ein prachtvoller Anblick, die vielen festlich
geschmückten meist bewaffneten Männer durch die Stadt ziehen zu scheu. Die vie¬
len Fahnen kündigten stolz die Namen der Candidaten an, die vielen Eljen erschol¬
len durch die Lust und Nationalmusik wechselte mit patriotischen Reden und Spott¬
liedern auf die politischen Gegner ab. Das Ganze glich mehr einem kriegerischen
Auszüge als einem so feierlichen Wahlaete, und doch geschah, trotz dem Mangel
aller Polizei, anch uicht der geringste Exceß, und der Abend fand die lustige Menge
zechend, singend und tanzend in den verschiedenen Tanya'sDoch um ganz
historisch wahr zu sein, muß ich erwähnen, daß ein ganz kleiner Haufe, der tiefer
in's Glas als in unsere politischen Verhältnisse guckte, einem Domherrn, der sich
durch seine Ausfälle gegen die Opposition ausgezeichnet, die Fenster einschlug. Super¬
kluge behaupten, daß dies von jenem Domherrn selbst gedungene Leute gewesen
wäre», weil er hoffe die Glaserrcchuuug werde mit dem Bischofstitel beglichen
werden. — Schon am frühen Morgen des 18. Octobers war das Comitathaus
erfüllt von den Wählern der beiden Parteien. Der oppositionelle Theil hatte den
ganzen Saal und die Galerie, so wie einen großen Theil des Hofes inne. Die
Majorität war evident und doch willigte der Administrator nicht in die Proclama-
tion Kossuth's. Es mußte abgestimmt werden. Die Thore des Comitathanses
wurden um 9 Uhr Morgens geschlossen und Niemand mehr bekam Einlaß; hinaus
wurden nur diejenigen gelassen, die schon gestimmt hatten. Die Voteusammlung
dauerte bis N Uhr Abends. Diejenigen, die schon gestimmt, versammelten sich wie¬
der vor dem Comitathause unter ihren Fahnen und zechten und tanzte» auf der
Gasse, ihre Tänzerinnen unter den neugierige» sich zu weit heranwagenden Mäg¬
den rekrntirend. Es gab ein Jauchzen und Lärmen, Bachus hatte seinen Freu-
dentag, aber wie bemerkt, nicht der geringste Unfug faud statt. Als das Resultat



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/250>, abgerufen am 22.07.2024.