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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Landesbewohner tragt, was doch unmöglich geeignet sein kann, das Vertrauen im
Lande zu schwächen. Aber freilich, Achtung und Vertrauen, die durch mehr als
ein Jahrhundert von mehr als einer Seite verlöscht und niedergetreten wurden,
können sich unmöglich in der kurzen Zeitperiode von einigen Jahren einer Körper¬
schaft zuwenden, die noch überdies mit den modernen Constitutionsidecn und der
gesunkenen Achtung des Adels überhaupt zu kämpfen hat, geschweige denn, daß
es Jedermann klar werde, welche Resultate heutzutage durch ständische Bestrebun¬
gen erreicht werden können und sollen, nämlich: den ständischen Rechten
Anerkennung zu dem Ende zu erwirken, um sie sodann einem er¬
weiterten Kreise in einer verbesserten Form aus regelmäßigem
Wege, d. i. parlamentarischem Wege übertragen zu können. Denn
offenbar kann sich auf diesem Wege bei den ganz veränderten Verhältnissen und
der über die meisten Klassen verbreiteten Intelligenz allein das ständische
Institut erhalten und regeneriren, wie denn hinwieder, wenn es fällt,
heutzutage eine andere Form der Land es v erer etung und schwerlich auf
gleich ruhigem Wege sich aus seiner inneren Nothwendigkeit herausbilden muß.
Oder sollte es wirklich gedenkbar sein, daß einige Theile Oesterreichs allein jedem
politischen Recht entsagend blos in dem durch die Bureaukratie gemäßigten Abso¬
lutismus ihr Heil erkennen sollten?

Die Anerkennung der ständischen verbrieften und beschworenen Gerechtsame
anzustreben, war aber an und für sich uicht nur die erste Pflicht der Körperschaft,
sobald sie sich ihrer Aufgabe wieder bewußt geworden, sondern von dem Augen¬
blicke an, als die Regierung diese Gerechtsame zu schmälern und zu verneinen
begann -- wie solches in den letzten Jahren geschah -- war dies noch überdem
die Pflicht der Nothwehr, der nothgedrungene Kampf um Sein oder Nichtsein'
der erste Schritt, um die Achtung der Regierung zu erlangen. Denn diese Ach¬
tung setzt vor allem die Achtung der Gerechtsame voraus, auf welcher die Existenz
der Körperschaft beruht. Die Stände haben mit Loyalität und Mäßigung ge¬
kämpft, sie haben für ihre Begehren Belege und Beweise beigebracht, von der
Regierung aber bisher noch niemals es erlangen können, daß sie die Nichtigkeit
ihrer gegenseitigen Ansichten auch uur auf irgend eine Weise nachgewiesen hätte;
wohl aber haben die Stände bei vielen Anlässen gezeigt, daß die Negierung von
irrigen Voraussetzungen und Ansichten ausgegangen war, was sie sogar z. B. durch
Zurücknahme eines allerhöchsten Mißfallens, dnrch stillschweigende Hinnahme der
Weigerung einer auferlegte" Zahlung, durch Veränderung eines verfassungswidri¬
gen Amtstitcls, durch Zurücknahme des Ansinnens mit dem oberstburggräflichen
Güterfond zu disponiren u. a. in. anzuerkennen nicht umhin konnte.

Die Hauptfragen, über die bisher keine Einigung zu Stande kam, und über
welche wir hofften von dem Korrespondenten der Allg. Zeitung Licht zu erhalte",
sind: die von der Regierung behauptete willkürliche Abäuderbarkeit der Ver-


Landesbewohner tragt, was doch unmöglich geeignet sein kann, das Vertrauen im
Lande zu schwächen. Aber freilich, Achtung und Vertrauen, die durch mehr als
ein Jahrhundert von mehr als einer Seite verlöscht und niedergetreten wurden,
können sich unmöglich in der kurzen Zeitperiode von einigen Jahren einer Körper¬
schaft zuwenden, die noch überdies mit den modernen Constitutionsidecn und der
gesunkenen Achtung des Adels überhaupt zu kämpfen hat, geschweige denn, daß
es Jedermann klar werde, welche Resultate heutzutage durch ständische Bestrebun¬
gen erreicht werden können und sollen, nämlich: den ständischen Rechten
Anerkennung zu dem Ende zu erwirken, um sie sodann einem er¬
weiterten Kreise in einer verbesserten Form aus regelmäßigem
Wege, d. i. parlamentarischem Wege übertragen zu können. Denn
offenbar kann sich auf diesem Wege bei den ganz veränderten Verhältnissen und
der über die meisten Klassen verbreiteten Intelligenz allein das ständische
Institut erhalten und regeneriren, wie denn hinwieder, wenn es fällt,
heutzutage eine andere Form der Land es v erer etung und schwerlich auf
gleich ruhigem Wege sich aus seiner inneren Nothwendigkeit herausbilden muß.
Oder sollte es wirklich gedenkbar sein, daß einige Theile Oesterreichs allein jedem
politischen Recht entsagend blos in dem durch die Bureaukratie gemäßigten Abso¬
lutismus ihr Heil erkennen sollten?

Die Anerkennung der ständischen verbrieften und beschworenen Gerechtsame
anzustreben, war aber an und für sich uicht nur die erste Pflicht der Körperschaft,
sobald sie sich ihrer Aufgabe wieder bewußt geworden, sondern von dem Augen¬
blicke an, als die Regierung diese Gerechtsame zu schmälern und zu verneinen
begann — wie solches in den letzten Jahren geschah — war dies noch überdem
die Pflicht der Nothwehr, der nothgedrungene Kampf um Sein oder Nichtsein'
der erste Schritt, um die Achtung der Regierung zu erlangen. Denn diese Ach¬
tung setzt vor allem die Achtung der Gerechtsame voraus, auf welcher die Existenz
der Körperschaft beruht. Die Stände haben mit Loyalität und Mäßigung ge¬
kämpft, sie haben für ihre Begehren Belege und Beweise beigebracht, von der
Regierung aber bisher noch niemals es erlangen können, daß sie die Nichtigkeit
ihrer gegenseitigen Ansichten auch uur auf irgend eine Weise nachgewiesen hätte;
wohl aber haben die Stände bei vielen Anlässen gezeigt, daß die Negierung von
irrigen Voraussetzungen und Ansichten ausgegangen war, was sie sogar z. B. durch
Zurücknahme eines allerhöchsten Mißfallens, dnrch stillschweigende Hinnahme der
Weigerung einer auferlegte» Zahlung, durch Veränderung eines verfassungswidri¬
gen Amtstitcls, durch Zurücknahme des Ansinnens mit dem oberstburggräflichen
Güterfond zu disponiren u. a. in. anzuerkennen nicht umhin konnte.

Die Hauptfragen, über die bisher keine Einigung zu Stande kam, und über
welche wir hofften von dem Korrespondenten der Allg. Zeitung Licht zu erhalte«,
sind: die von der Regierung behauptete willkürliche Abäuderbarkeit der Ver-


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[0174] Landesbewohner tragt, was doch unmöglich geeignet sein kann, das Vertrauen im Lande zu schwächen. Aber freilich, Achtung und Vertrauen, die durch mehr als ein Jahrhundert von mehr als einer Seite verlöscht und niedergetreten wurden, können sich unmöglich in der kurzen Zeitperiode von einigen Jahren einer Körper¬ schaft zuwenden, die noch überdies mit den modernen Constitutionsidecn und der gesunkenen Achtung des Adels überhaupt zu kämpfen hat, geschweige denn, daß es Jedermann klar werde, welche Resultate heutzutage durch ständische Bestrebun¬ gen erreicht werden können und sollen, nämlich: den ständischen Rechten Anerkennung zu dem Ende zu erwirken, um sie sodann einem er¬ weiterten Kreise in einer verbesserten Form aus regelmäßigem Wege, d. i. parlamentarischem Wege übertragen zu können. Denn offenbar kann sich auf diesem Wege bei den ganz veränderten Verhältnissen und der über die meisten Klassen verbreiteten Intelligenz allein das ständische Institut erhalten und regeneriren, wie denn hinwieder, wenn es fällt, heutzutage eine andere Form der Land es v erer etung und schwerlich auf gleich ruhigem Wege sich aus seiner inneren Nothwendigkeit herausbilden muß. Oder sollte es wirklich gedenkbar sein, daß einige Theile Oesterreichs allein jedem politischen Recht entsagend blos in dem durch die Bureaukratie gemäßigten Abso¬ lutismus ihr Heil erkennen sollten? Die Anerkennung der ständischen verbrieften und beschworenen Gerechtsame anzustreben, war aber an und für sich uicht nur die erste Pflicht der Körperschaft, sobald sie sich ihrer Aufgabe wieder bewußt geworden, sondern von dem Augen¬ blicke an, als die Regierung diese Gerechtsame zu schmälern und zu verneinen begann — wie solches in den letzten Jahren geschah — war dies noch überdem die Pflicht der Nothwehr, der nothgedrungene Kampf um Sein oder Nichtsein' der erste Schritt, um die Achtung der Regierung zu erlangen. Denn diese Ach¬ tung setzt vor allem die Achtung der Gerechtsame voraus, auf welcher die Existenz der Körperschaft beruht. Die Stände haben mit Loyalität und Mäßigung ge¬ kämpft, sie haben für ihre Begehren Belege und Beweise beigebracht, von der Regierung aber bisher noch niemals es erlangen können, daß sie die Nichtigkeit ihrer gegenseitigen Ansichten auch uur auf irgend eine Weise nachgewiesen hätte; wohl aber haben die Stände bei vielen Anlässen gezeigt, daß die Negierung von irrigen Voraussetzungen und Ansichten ausgegangen war, was sie sogar z. B. durch Zurücknahme eines allerhöchsten Mißfallens, dnrch stillschweigende Hinnahme der Weigerung einer auferlegte» Zahlung, durch Veränderung eines verfassungswidri¬ gen Amtstitcls, durch Zurücknahme des Ansinnens mit dem oberstburggräflichen Güterfond zu disponiren u. a. in. anzuerkennen nicht umhin konnte. Die Hauptfragen, über die bisher keine Einigung zu Stande kam, und über welche wir hofften von dem Korrespondenten der Allg. Zeitung Licht zu erhalte«, sind: die von der Regierung behauptete willkürliche Abäuderbarkeit der Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/174>, abgerufen am 22.07.2024.