Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Leider bräche" die Verhandlungen hier, wo sie erst fruchtbar zu wer¬
den begänne", ab, doch erhielt, auch ohne Discussion, die von Hrn.
Brüggemann vorgeschlagene Erklärung: daß man die lateinischen freien
Arbeiten, insofern sie von einer zweckmäßigen, durch die Reproduction
bestimmten Methode beherrscht werden, für ein nothwendiges Bildungs-
Mittel der Gymnasien halte, die meisten Stimmen. Hr. Schulrath
Rost, der den Verhandlungen nicht bis zu Ende beiwohnen konnte,
bat die Versammlung, sich doch so ausdrücklich als möglich für das
Lateinischschreiben auszusprechen, damit das Publicum nicht glaube,
unter den philologischen Pädagogen selbst bestehe in dieser Frage ir¬
gend ein Zwiespalt. Das heißt mit andern Worten : weil die öffent¬
liche Meinung gegen das Lateinischschreibeil ist, so wollen wir uns
grade unbedingt dafür erklären und ihr dadurch imponiren, statt sie
dadurch zu versöhnen und zu belehren, daß wir uns zu einer Reform
dieses Unterrichtszweiges bereit zeigen. Aber die öffentliche Meinung
läßt sich sehr wenig durch kategorische Erklärungen imponiren.

Von den Vorträgen der eigentlichen Philologenversammlung gin¬
gen einige ganz oder beinahe ohne Discussion vorüber, so der des
Hrn. Köchly über die Hekuba, der wenig mehr als eine ErPosition
des Stückes war und am Schluß die Idee desselben sehr vag und
kernlos aussprach, der des Hrn. Fortlage über die Musik der Alten,
der trotz der Geduld und Stille, mit der er angehört wurde, gewiß
nur ein sehr kleines Publicum hatte, die philologische Humoreske des
Hrn. Professor Döderlein über Thersites, die den Nealschulmännern
beweisen konnte, daß die trockne Philologie ihrer zur Auffrischung nicht
bedürfe, und vielleicht aus Mangel an Zeit die Auseinandersetzung der
Dante'sehen Theologie voll Piper. Eine längere Discussion, die im¬
mer die Hauptsache bleibt, riefen der Bortrag des Hrn. Prof. Bergl
aus Marburg über die Dikasterien der Athener und des Hrn. Privat¬
docent Preller aus Jena über die Zwölfgöttergruppe hervor. Der
erste Vortrag bot einen interessanten historischen, der zweite einen my¬
thologisch-historischen Hintergrund, in den sich jedoch der Redner selbst
zu vertiefen scheute. Hr. Professor Lindner aus Leipzig hielt einen
Vortrag über die Methode des Sprachunterrichts oder beabsichtigte es
vielmehr, ohne recht zum Ziel kommen zu können, weil er durch die
Ungeduld der Herren Philologen und die niet>t eben rücksichtsvolle Auf¬
forderung des Vicepräsidenten Göttling, sich kurz zu fassen, mehrmals
unterbrochen und zuletzt gewissermaßen vom Katheder entfernt wurde.


Leider bräche» die Verhandlungen hier, wo sie erst fruchtbar zu wer¬
den begänne», ab, doch erhielt, auch ohne Discussion, die von Hrn.
Brüggemann vorgeschlagene Erklärung: daß man die lateinischen freien
Arbeiten, insofern sie von einer zweckmäßigen, durch die Reproduction
bestimmten Methode beherrscht werden, für ein nothwendiges Bildungs-
Mittel der Gymnasien halte, die meisten Stimmen. Hr. Schulrath
Rost, der den Verhandlungen nicht bis zu Ende beiwohnen konnte,
bat die Versammlung, sich doch so ausdrücklich als möglich für das
Lateinischschreiben auszusprechen, damit das Publicum nicht glaube,
unter den philologischen Pädagogen selbst bestehe in dieser Frage ir¬
gend ein Zwiespalt. Das heißt mit andern Worten : weil die öffent¬
liche Meinung gegen das Lateinischschreibeil ist, so wollen wir uns
grade unbedingt dafür erklären und ihr dadurch imponiren, statt sie
dadurch zu versöhnen und zu belehren, daß wir uns zu einer Reform
dieses Unterrichtszweiges bereit zeigen. Aber die öffentliche Meinung
läßt sich sehr wenig durch kategorische Erklärungen imponiren.

Von den Vorträgen der eigentlichen Philologenversammlung gin¬
gen einige ganz oder beinahe ohne Discussion vorüber, so der des
Hrn. Köchly über die Hekuba, der wenig mehr als eine ErPosition
des Stückes war und am Schluß die Idee desselben sehr vag und
kernlos aussprach, der des Hrn. Fortlage über die Musik der Alten,
der trotz der Geduld und Stille, mit der er angehört wurde, gewiß
nur ein sehr kleines Publicum hatte, die philologische Humoreske des
Hrn. Professor Döderlein über Thersites, die den Nealschulmännern
beweisen konnte, daß die trockne Philologie ihrer zur Auffrischung nicht
bedürfe, und vielleicht aus Mangel an Zeit die Auseinandersetzung der
Dante'sehen Theologie voll Piper. Eine längere Discussion, die im¬
mer die Hauptsache bleibt, riefen der Bortrag des Hrn. Prof. Bergl
aus Marburg über die Dikasterien der Athener und des Hrn. Privat¬
docent Preller aus Jena über die Zwölfgöttergruppe hervor. Der
erste Vortrag bot einen interessanten historischen, der zweite einen my¬
thologisch-historischen Hintergrund, in den sich jedoch der Redner selbst
zu vertiefen scheute. Hr. Professor Lindner aus Leipzig hielt einen
Vortrag über die Methode des Sprachunterrichts oder beabsichtigte es
vielmehr, ohne recht zum Ziel kommen zu können, weil er durch die
Ungeduld der Herren Philologen und die niet>t eben rücksichtsvolle Auf¬
forderung des Vicepräsidenten Göttling, sich kurz zu fassen, mehrmals
unterbrochen und zuletzt gewissermaßen vom Katheder entfernt wurde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183676"/>
          <p xml:id="ID_211" prev="#ID_210"> Leider bräche» die Verhandlungen hier, wo sie erst fruchtbar zu wer¬<lb/>
den begänne», ab, doch erhielt, auch ohne Discussion, die von Hrn.<lb/>
Brüggemann vorgeschlagene Erklärung: daß man die lateinischen freien<lb/>
Arbeiten, insofern sie von einer zweckmäßigen, durch die Reproduction<lb/>
bestimmten Methode beherrscht werden, für ein nothwendiges Bildungs-<lb/>
Mittel der Gymnasien halte, die meisten Stimmen. Hr. Schulrath<lb/>
Rost, der den Verhandlungen nicht bis zu Ende beiwohnen konnte,<lb/>
bat die Versammlung, sich doch so ausdrücklich als möglich für das<lb/>
Lateinischschreiben auszusprechen, damit das Publicum nicht glaube,<lb/>
unter den philologischen Pädagogen selbst bestehe in dieser Frage ir¬<lb/>
gend ein Zwiespalt. Das heißt mit andern Worten : weil die öffent¬<lb/>
liche Meinung gegen das Lateinischschreibeil ist, so wollen wir uns<lb/>
grade unbedingt dafür erklären und ihr dadurch imponiren, statt sie<lb/>
dadurch zu versöhnen und zu belehren, daß wir uns zu einer Reform<lb/>
dieses Unterrichtszweiges bereit zeigen. Aber die öffentliche Meinung<lb/>
läßt sich sehr wenig durch kategorische Erklärungen imponiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_212" next="#ID_213"> Von den Vorträgen der eigentlichen Philologenversammlung gin¬<lb/>
gen einige ganz oder beinahe ohne Discussion vorüber, so der des<lb/>
Hrn. Köchly über die Hekuba, der wenig mehr als eine ErPosition<lb/>
des Stückes war und am Schluß die Idee desselben sehr vag und<lb/>
kernlos aussprach, der des Hrn. Fortlage über die Musik der Alten,<lb/>
der trotz der Geduld und Stille, mit der er angehört wurde, gewiß<lb/>
nur ein sehr kleines Publicum hatte, die philologische Humoreske des<lb/>
Hrn. Professor Döderlein über Thersites, die den Nealschulmännern<lb/>
beweisen konnte, daß die trockne Philologie ihrer zur Auffrischung nicht<lb/>
bedürfe, und vielleicht aus Mangel an Zeit die Auseinandersetzung der<lb/>
Dante'sehen Theologie voll Piper. Eine längere Discussion, die im¬<lb/>
mer die Hauptsache bleibt, riefen der Bortrag des Hrn. Prof. Bergl<lb/>
aus Marburg über die Dikasterien der Athener und des Hrn. Privat¬<lb/>
docent Preller aus Jena über die Zwölfgöttergruppe hervor. Der<lb/>
erste Vortrag bot einen interessanten historischen, der zweite einen my¬<lb/>
thologisch-historischen Hintergrund, in den sich jedoch der Redner selbst<lb/>
zu vertiefen scheute. Hr. Professor Lindner aus Leipzig hielt einen<lb/>
Vortrag über die Methode des Sprachunterrichts oder beabsichtigte es<lb/>
vielmehr, ohne recht zum Ziel kommen zu können, weil er durch die<lb/>
Ungeduld der Herren Philologen und die niet&gt;t eben rücksichtsvolle Auf¬<lb/>
forderung des Vicepräsidenten Göttling, sich kurz zu fassen, mehrmals<lb/>
unterbrochen und zuletzt gewissermaßen vom Katheder entfernt wurde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0094] Leider bräche» die Verhandlungen hier, wo sie erst fruchtbar zu wer¬ den begänne», ab, doch erhielt, auch ohne Discussion, die von Hrn. Brüggemann vorgeschlagene Erklärung: daß man die lateinischen freien Arbeiten, insofern sie von einer zweckmäßigen, durch die Reproduction bestimmten Methode beherrscht werden, für ein nothwendiges Bildungs- Mittel der Gymnasien halte, die meisten Stimmen. Hr. Schulrath Rost, der den Verhandlungen nicht bis zu Ende beiwohnen konnte, bat die Versammlung, sich doch so ausdrücklich als möglich für das Lateinischschreiben auszusprechen, damit das Publicum nicht glaube, unter den philologischen Pädagogen selbst bestehe in dieser Frage ir¬ gend ein Zwiespalt. Das heißt mit andern Worten : weil die öffent¬ liche Meinung gegen das Lateinischschreibeil ist, so wollen wir uns grade unbedingt dafür erklären und ihr dadurch imponiren, statt sie dadurch zu versöhnen und zu belehren, daß wir uns zu einer Reform dieses Unterrichtszweiges bereit zeigen. Aber die öffentliche Meinung läßt sich sehr wenig durch kategorische Erklärungen imponiren. Von den Vorträgen der eigentlichen Philologenversammlung gin¬ gen einige ganz oder beinahe ohne Discussion vorüber, so der des Hrn. Köchly über die Hekuba, der wenig mehr als eine ErPosition des Stückes war und am Schluß die Idee desselben sehr vag und kernlos aussprach, der des Hrn. Fortlage über die Musik der Alten, der trotz der Geduld und Stille, mit der er angehört wurde, gewiß nur ein sehr kleines Publicum hatte, die philologische Humoreske des Hrn. Professor Döderlein über Thersites, die den Nealschulmännern beweisen konnte, daß die trockne Philologie ihrer zur Auffrischung nicht bedürfe, und vielleicht aus Mangel an Zeit die Auseinandersetzung der Dante'sehen Theologie voll Piper. Eine längere Discussion, die im¬ mer die Hauptsache bleibt, riefen der Bortrag des Hrn. Prof. Bergl aus Marburg über die Dikasterien der Athener und des Hrn. Privat¬ docent Preller aus Jena über die Zwölfgöttergruppe hervor. Der erste Vortrag bot einen interessanten historischen, der zweite einen my¬ thologisch-historischen Hintergrund, in den sich jedoch der Redner selbst zu vertiefen scheute. Hr. Professor Lindner aus Leipzig hielt einen Vortrag über die Methode des Sprachunterrichts oder beabsichtigte es vielmehr, ohne recht zum Ziel kommen zu können, weil er durch die Ungeduld der Herren Philologen und die niet>t eben rücksichtsvolle Auf¬ forderung des Vicepräsidenten Göttling, sich kurz zu fassen, mehrmals unterbrochen und zuletzt gewissermaßen vom Katheder entfernt wurde.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/94
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/94>, abgerufen am 26.08.2024.