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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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ner Abwesenheit auf meiner Fabrik zubringen. Du hast dort Ruhe
und Muße zumStndiren, meine kleine, aber ausgewählte Bibliothek
steht Dir zu Gebote, und allenfalls darfst Du auch meine Equipage
zu kleinen Ausflügen in der Umgegend benutzen, eine Erlaubniß, von
der Du jedoch, wie ich hoffe, nur mit äußerster Mäßigung Gebrauch
machen wirst. Ich fürchte aber, mein Onkel wird es bereuen, daß er
mich auf diese schändliche Fabrik verbannt hat; man wird hier zu
rausend Dingen gereizt, die einem sonst nicht in den Kopf kämen.

Ruhe und Muße zum Studiren? Als ob das verdammte Müh¬
lengeklapper auch nur Einen Augenblick, sei es bei Tag oder Nacht,
schwiege. Kleine, aber ausgewählte Bibliothek? Lauter dicke Schar¬
tecken über Maschinenbau, Wasserleitungen und Nationalökonomie,
bis ans ein paar Romane, die ich schon in Wien wieder vor Langer¬
weile von rückwärts zu lesen angefangen hatte, weil ich sie von vorne
auswendig wußte. Benutzung der Equipage zu Ausflüge" in die
Umgegend, als ob dies überhaupt eine Gegend und nicht blos ein
Platz wäre, auf welchem sich allenfalls eine Gegend befinden konnte.
Ich wäre schon in den paar Wochen, die ich hier bin, vor langer
Weile wahnsinnig geworden, wenn ich nicht diese Pistolen da gesun¬
den hätte, und, was mir fast noch lieber war, ein Kistchen von meines
Onkels besten Havanna!)-Cigarren. Willst Du eine davon, Fritz?
Aber ich sage Dir in vorhinein, daß sie stark sind." Damit brach
Hugo seine lange und bittere Herzensergießung ab, zog aus der
Brusttasche seines Rockes ein gesticktes Cigarrenetni heraus und reichte
es seinem Freunde, der sich aus Gewohnheit erst umsah, ob es auch
Niemand bemerke, und sich dann halb vor Freude, halb vor Furcht,
entdeckt zu werden, zitternd dem verpöntem Genusse hingab.

"Aber wie kommt es denn, Fritz," fragte Hugo, "daß Du mich
heute zu besuchen kommst? So viel ich weiß, dürft ihr nur an Sonn-
und Feiertagen eure Zwitteranstalt von Kloster und Kaserne verlassen."
"

"Du hast Recht, erwiderte der Militärzögling, "ich habe mich
auch nur heimlich, während der Freistunden, die wir im Garten zu¬
bringen sollen, hinweggestohlen. Wenn es herauskommt, so habe ich
eine sehr bedeutende Straft zu erwarten."

"ES soll aber nicht herauskommen, guter Junge," erwiderte
Hugo mit Zuversicht, "eben so wenig wie meine Tabakschwärzereien
wenn ich mit meines Onkels Geschirr aus Ungarn zurückkehre. Aber
der beste Spaß bei der Sache ist der Umstand, daß ich mit vielen von
den Grenzjägern ganz gut stehe, besonders mit dem langen Franz, der


ner Abwesenheit auf meiner Fabrik zubringen. Du hast dort Ruhe
und Muße zumStndiren, meine kleine, aber ausgewählte Bibliothek
steht Dir zu Gebote, und allenfalls darfst Du auch meine Equipage
zu kleinen Ausflügen in der Umgegend benutzen, eine Erlaubniß, von
der Du jedoch, wie ich hoffe, nur mit äußerster Mäßigung Gebrauch
machen wirst. Ich fürchte aber, mein Onkel wird es bereuen, daß er
mich auf diese schändliche Fabrik verbannt hat; man wird hier zu
rausend Dingen gereizt, die einem sonst nicht in den Kopf kämen.

Ruhe und Muße zum Studiren? Als ob das verdammte Müh¬
lengeklapper auch nur Einen Augenblick, sei es bei Tag oder Nacht,
schwiege. Kleine, aber ausgewählte Bibliothek? Lauter dicke Schar¬
tecken über Maschinenbau, Wasserleitungen und Nationalökonomie,
bis ans ein paar Romane, die ich schon in Wien wieder vor Langer¬
weile von rückwärts zu lesen angefangen hatte, weil ich sie von vorne
auswendig wußte. Benutzung der Equipage zu Ausflüge» in die
Umgegend, als ob dies überhaupt eine Gegend und nicht blos ein
Platz wäre, auf welchem sich allenfalls eine Gegend befinden konnte.
Ich wäre schon in den paar Wochen, die ich hier bin, vor langer
Weile wahnsinnig geworden, wenn ich nicht diese Pistolen da gesun¬
den hätte, und, was mir fast noch lieber war, ein Kistchen von meines
Onkels besten Havanna!)-Cigarren. Willst Du eine davon, Fritz?
Aber ich sage Dir in vorhinein, daß sie stark sind." Damit brach
Hugo seine lange und bittere Herzensergießung ab, zog aus der
Brusttasche seines Rockes ein gesticktes Cigarrenetni heraus und reichte
es seinem Freunde, der sich aus Gewohnheit erst umsah, ob es auch
Niemand bemerke, und sich dann halb vor Freude, halb vor Furcht,
entdeckt zu werden, zitternd dem verpöntem Genusse hingab.

„Aber wie kommt es denn, Fritz," fragte Hugo, „daß Du mich
heute zu besuchen kommst? So viel ich weiß, dürft ihr nur an Sonn-
und Feiertagen eure Zwitteranstalt von Kloster und Kaserne verlassen."
"

„Du hast Recht, erwiderte der Militärzögling, „ich habe mich
auch nur heimlich, während der Freistunden, die wir im Garten zu¬
bringen sollen, hinweggestohlen. Wenn es herauskommt, so habe ich
eine sehr bedeutende Straft zu erwarten."

„ES soll aber nicht herauskommen, guter Junge," erwiderte
Hugo mit Zuversicht, „eben so wenig wie meine Tabakschwärzereien
wenn ich mit meines Onkels Geschirr aus Ungarn zurückkehre. Aber
der beste Spaß bei der Sache ist der Umstand, daß ich mit vielen von
den Grenzjägern ganz gut stehe, besonders mit dem langen Franz, der


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[0511] ner Abwesenheit auf meiner Fabrik zubringen. Du hast dort Ruhe und Muße zumStndiren, meine kleine, aber ausgewählte Bibliothek steht Dir zu Gebote, und allenfalls darfst Du auch meine Equipage zu kleinen Ausflügen in der Umgegend benutzen, eine Erlaubniß, von der Du jedoch, wie ich hoffe, nur mit äußerster Mäßigung Gebrauch machen wirst. Ich fürchte aber, mein Onkel wird es bereuen, daß er mich auf diese schändliche Fabrik verbannt hat; man wird hier zu rausend Dingen gereizt, die einem sonst nicht in den Kopf kämen. Ruhe und Muße zum Studiren? Als ob das verdammte Müh¬ lengeklapper auch nur Einen Augenblick, sei es bei Tag oder Nacht, schwiege. Kleine, aber ausgewählte Bibliothek? Lauter dicke Schar¬ tecken über Maschinenbau, Wasserleitungen und Nationalökonomie, bis ans ein paar Romane, die ich schon in Wien wieder vor Langer¬ weile von rückwärts zu lesen angefangen hatte, weil ich sie von vorne auswendig wußte. Benutzung der Equipage zu Ausflüge» in die Umgegend, als ob dies überhaupt eine Gegend und nicht blos ein Platz wäre, auf welchem sich allenfalls eine Gegend befinden konnte. Ich wäre schon in den paar Wochen, die ich hier bin, vor langer Weile wahnsinnig geworden, wenn ich nicht diese Pistolen da gesun¬ den hätte, und, was mir fast noch lieber war, ein Kistchen von meines Onkels besten Havanna!)-Cigarren. Willst Du eine davon, Fritz? Aber ich sage Dir in vorhinein, daß sie stark sind." Damit brach Hugo seine lange und bittere Herzensergießung ab, zog aus der Brusttasche seines Rockes ein gesticktes Cigarrenetni heraus und reichte es seinem Freunde, der sich aus Gewohnheit erst umsah, ob es auch Niemand bemerke, und sich dann halb vor Freude, halb vor Furcht, entdeckt zu werden, zitternd dem verpöntem Genusse hingab. „Aber wie kommt es denn, Fritz," fragte Hugo, „daß Du mich heute zu besuchen kommst? So viel ich weiß, dürft ihr nur an Sonn- und Feiertagen eure Zwitteranstalt von Kloster und Kaserne verlassen." " „Du hast Recht, erwiderte der Militärzögling, „ich habe mich auch nur heimlich, während der Freistunden, die wir im Garten zu¬ bringen sollen, hinweggestohlen. Wenn es herauskommt, so habe ich eine sehr bedeutende Straft zu erwarten." „ES soll aber nicht herauskommen, guter Junge," erwiderte Hugo mit Zuversicht, „eben so wenig wie meine Tabakschwärzereien wenn ich mit meines Onkels Geschirr aus Ungarn zurückkehre. Aber der beste Spaß bei der Sache ist der Umstand, daß ich mit vielen von den Grenzjägern ganz gut stehe, besonders mit dem langen Franz, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/511>, abgerufen am 23.07.2024.