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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Dilettanten herab, der das in den See fliegende Rosenblättchen besingt.
Ausstattung und Druck sind deutlich und sogar geschmackvoll.

Eine große Veränderung steht der Akademie der Künste bevor. Zu¬
nächst ist es der Wechsel im Direktorat, der den Künstlern und Kunst¬
freunden viel zu sprechen gibt. Von dem früheren Plane, aus dem
obersten Vorstande, nach Art der Theaterintendantur eine Hofcharge zu
machen, ist man ganz und gar abgekommen und soll beabsichtigen an
die Stelle des Director Schadow, eines fast ganz erblindeten Grei¬
ses an der äußersten Grenze des Lebens und Bewußtseins, dessen
Sohn W. v. Schadow aus Düsseldorf nach Berlin zu berufen. Ob
damit in den Verhältnissen viel gebessert sein wird, ist kaum zu entschei¬
den. Thatsache ist indessen, daß v. Schadow einer Richtung der Malerei
angehört, die nun und nimmermehr mit einer frischen organischen Ent¬
faltung dieser Kunst amalgamiren kann. Das religiöse Element überwiegt
zu sehr in seiner Innerlichkeit, um ihm den großen objectiven Blick zu
gestatten, den der Leiter eines an so viele Interessen gewiesenen Insti¬
tutes sich erhalten muß. Es wäre jedoch wenigstens der Vortheil in
Aussicht gestellt, daß eine Regeneration im Senat der Akademie vor
sich gehen dürfte, in diesem Senat, der nachgerade eine Altersversorgungs¬
anstalt geworden ist. Man pensionire diese schwachen Alten, man sichere
ihnen sorgenfreie letzte Lebensjahre, aber man belebe endlich die Schule
der Kunst, mit deren Reformation schon die Verewigten, Wilhelm von
Humboldt und Schinkel und die Lebenden Rauch und Begas, sich un¬
endliche aber vergebliche Mühe gegeben haben. Wie der Unterricht der
Kunstjünger jetzt getrieben wird, kann er nicht ersprießlich wirken. Vor
einiger Zeit kam mir in einer Correspondenz aus Düsseldorf in ihrem
Blatte, eine Bemerkung über die humoristische Besprechung der Berliner
Kunstausstellung von Ernst Kossaß und W. Scholz zu Gesichte. Der
Verfasser rügte besonders an der Berliner Kritik, daß sie den Düsseldor¬
fern ihre alten Sünden nicht vergeben könne und daß die Satyre auf die
Düsseldorfer bei Gelegenheit einer Travestie des Horace Vernet'schen Bildes
nicht mehr passe. Sind denn aber die Düsseldorfer besser geworden? was die
Mauern der Akademie von daher bedeckt hat, schlägt, wie die Werke, die
man vor einem Decennium schuf, in dieselbe Kategorie einer winselnden
Gefühlsschwabelei. Wenn die Künstler nicht anfangen wollen, sich mit
Studien abzugeben, d. h. mit wissenschaftlichen, künstlerischen Vorarbeiten,
denn träumerisches Versunkensein vor irgend einem alten Bilde nennen
wir nicht Studium, wird in zwei Jahren die Bataille zwischen Literatur
und dem, was man Malerkunst nennt, wieder angehen und sicherlich
nicht zum Nachtheil der Literatur.

Von Neuangekommenen Virtuosen befindet sich H. W. Ernst hier.
Es ist ein Beweis, welche Anziehungskraft diese geniale Natur auf das
Publicum ausübt, da er es wagen kann, im Theater, und zwar in dem
weing beliebten Königstädtischen, zu spielen, wo er das Haus zu füllen
im Stande ist. Hier bei uns, wo ein volles Concert aus hundert Be¬
zahlthabenden und sechshundert Freibillets besteht, ist ein Concert im
Theater ein Probirstein für den Gehalt eines Künstlers. Ohne Aus-


Dilettanten herab, der das in den See fliegende Rosenblättchen besingt.
Ausstattung und Druck sind deutlich und sogar geschmackvoll.

Eine große Veränderung steht der Akademie der Künste bevor. Zu¬
nächst ist es der Wechsel im Direktorat, der den Künstlern und Kunst¬
freunden viel zu sprechen gibt. Von dem früheren Plane, aus dem
obersten Vorstande, nach Art der Theaterintendantur eine Hofcharge zu
machen, ist man ganz und gar abgekommen und soll beabsichtigen an
die Stelle des Director Schadow, eines fast ganz erblindeten Grei¬
ses an der äußersten Grenze des Lebens und Bewußtseins, dessen
Sohn W. v. Schadow aus Düsseldorf nach Berlin zu berufen. Ob
damit in den Verhältnissen viel gebessert sein wird, ist kaum zu entschei¬
den. Thatsache ist indessen, daß v. Schadow einer Richtung der Malerei
angehört, die nun und nimmermehr mit einer frischen organischen Ent¬
faltung dieser Kunst amalgamiren kann. Das religiöse Element überwiegt
zu sehr in seiner Innerlichkeit, um ihm den großen objectiven Blick zu
gestatten, den der Leiter eines an so viele Interessen gewiesenen Insti¬
tutes sich erhalten muß. Es wäre jedoch wenigstens der Vortheil in
Aussicht gestellt, daß eine Regeneration im Senat der Akademie vor
sich gehen dürfte, in diesem Senat, der nachgerade eine Altersversorgungs¬
anstalt geworden ist. Man pensionire diese schwachen Alten, man sichere
ihnen sorgenfreie letzte Lebensjahre, aber man belebe endlich die Schule
der Kunst, mit deren Reformation schon die Verewigten, Wilhelm von
Humboldt und Schinkel und die Lebenden Rauch und Begas, sich un¬
endliche aber vergebliche Mühe gegeben haben. Wie der Unterricht der
Kunstjünger jetzt getrieben wird, kann er nicht ersprießlich wirken. Vor
einiger Zeit kam mir in einer Correspondenz aus Düsseldorf in ihrem
Blatte, eine Bemerkung über die humoristische Besprechung der Berliner
Kunstausstellung von Ernst Kossaß und W. Scholz zu Gesichte. Der
Verfasser rügte besonders an der Berliner Kritik, daß sie den Düsseldor¬
fern ihre alten Sünden nicht vergeben könne und daß die Satyre auf die
Düsseldorfer bei Gelegenheit einer Travestie des Horace Vernet'schen Bildes
nicht mehr passe. Sind denn aber die Düsseldorfer besser geworden? was die
Mauern der Akademie von daher bedeckt hat, schlägt, wie die Werke, die
man vor einem Decennium schuf, in dieselbe Kategorie einer winselnden
Gefühlsschwabelei. Wenn die Künstler nicht anfangen wollen, sich mit
Studien abzugeben, d. h. mit wissenschaftlichen, künstlerischen Vorarbeiten,
denn träumerisches Versunkensein vor irgend einem alten Bilde nennen
wir nicht Studium, wird in zwei Jahren die Bataille zwischen Literatur
und dem, was man Malerkunst nennt, wieder angehen und sicherlich
nicht zum Nachtheil der Literatur.

Von Neuangekommenen Virtuosen befindet sich H. W. Ernst hier.
Es ist ein Beweis, welche Anziehungskraft diese geniale Natur auf das
Publicum ausübt, da er es wagen kann, im Theater, und zwar in dem
weing beliebten Königstädtischen, zu spielen, wo er das Haus zu füllen
im Stande ist. Hier bei uns, wo ein volles Concert aus hundert Be¬
zahlthabenden und sechshundert Freibillets besteht, ist ein Concert im
Theater ein Probirstein für den Gehalt eines Künstlers. Ohne Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/490>, abgerufen am 26.08.2024.