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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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wirthschaft billig ein, um so lebhafter aber müssen wir uns gegen die
behauptete Prosperität !des böhmischen Bauern aussprechen; kaum läßt
sich wohl dieser arme Prospcro in seiner Kümmerlichkeit davon träumen,
daß man den Grenzboten die hämische Fabel von seiner Behaglichkeit
aufzubinden versucht.

Wir wollen versuchen, diese Bauernprosperität in wenige Sätze
zu fassen:

Der böhmische Bauer, der sogenannte ganze, im Besitze von 60
Morgen, der Morgen zu 800 Quadrat-Klafter, stehende -- zahlte bisher
an directer Grundsteuer im Verhältnisse mehr als sein Grundherr;
er zahlt Gebäude- und Verzchrungs-Steuer wie sein ritterlicher
Grundherr; er liefert feine Söhne dem Staate als Futter für Pulver,
nicht so der ritterliche Grundherr, denn dieser ist nicht wehr¬
pflichtig, wenn er auch seine Prärogativen sämmtlich dem Schwerte ver¬
dankt; der Bauer ist vorspannpflichtig, zu jeder Zeit, gegen Entgelt, von
wenigen Jammerkreuzcrn per Meile, nicht so der Grundherr;
der Bauer wird zum Straßenbau gepreßt, nicht aber d e r G rü n d h e r r;
der Bauer ist mit Militäreinquarticrung belastet, der Grundherr nicht;
der Bauer ist seinem Seelenhirten zehntpflichtig, der Grundherr nicht;
der Bauer muß in Kriegeszeiten Naturallieferungen leisten, wie der
Grundherr; der Bauer muß seinem Grundherrn des Jahres 15t!
Frohntage mit zwei Pferden leisten, durch 52 Sonntage und 14 Feier¬
tage des Jahres ist ihm die Arbeit kirchlich verwehrt, und bleiben ihm
143 Tage des Jahres zu seines Feldes Bestellung! Schlägt man all'
die Plackereien hinzu, welchen der Bauer von seinem Amtmann
und Schreiber per reins unterworfen wird, so stellt sich ein Sümm¬
chen Hoch- und Niederdruck heraus, das ein endliches Platzen der
Bauernlocomotive wohl erklären könnte, eine Masse von Druck, welche
dem Herrn Defensor aus activer Praxis wohl bekannt sein dürfte, und
wir wundern uns billig, wie die prätendirte Bauernglückseligkeit als
Argument zur Vertheidigung jiiies Minoritätsvotunis hat gewählt wer¬
den können; doch um Gründe war es dem Defensor minder zu thun, außer¬
dem hätte auch die sublime Reflexion nicht losgelassen werden können,
die klerikalen Ständeglieder seien als bloße Nutznießer ihres Besitz-
thums, um so berechtigter, jeder Schmälerung ihrer Nutznießung --
wenn auch inhuman und unkirchlich'i -- entgegen zu sein!!

Wir hoffen zur Ehre des ständischen Klerus, daß dieser über seines
--w.-- unberufenen Defensors Argumentation erröthet.


III.
Die Germanisten ",,d die Feste in Frankfurt n. M.

Die Anwesenheit der Germanisten und was sich daran knüpfte, hat
das Fest der Enthüllung des Goethe-Denkmals tief in Schatten gestellt.
Sie erinnern sich des Streites, der über dieses in der Allgem. Zeitung
entstand. Dingelstedt hatte darin Unrecht, daß er das Verunglücken jenes


wirthschaft billig ein, um so lebhafter aber müssen wir uns gegen die
behauptete Prosperität !des böhmischen Bauern aussprechen; kaum läßt
sich wohl dieser arme Prospcro in seiner Kümmerlichkeit davon träumen,
daß man den Grenzboten die hämische Fabel von seiner Behaglichkeit
aufzubinden versucht.

Wir wollen versuchen, diese Bauernprosperität in wenige Sätze
zu fassen:

Der böhmische Bauer, der sogenannte ganze, im Besitze von 60
Morgen, der Morgen zu 800 Quadrat-Klafter, stehende — zahlte bisher
an directer Grundsteuer im Verhältnisse mehr als sein Grundherr;
er zahlt Gebäude- und Verzchrungs-Steuer wie sein ritterlicher
Grundherr; er liefert feine Söhne dem Staate als Futter für Pulver,
nicht so der ritterliche Grundherr, denn dieser ist nicht wehr¬
pflichtig, wenn er auch seine Prärogativen sämmtlich dem Schwerte ver¬
dankt; der Bauer ist vorspannpflichtig, zu jeder Zeit, gegen Entgelt, von
wenigen Jammerkreuzcrn per Meile, nicht so der Grundherr;
der Bauer wird zum Straßenbau gepreßt, nicht aber d e r G rü n d h e r r;
der Bauer ist mit Militäreinquarticrung belastet, der Grundherr nicht;
der Bauer ist seinem Seelenhirten zehntpflichtig, der Grundherr nicht;
der Bauer muß in Kriegeszeiten Naturallieferungen leisten, wie der
Grundherr; der Bauer muß seinem Grundherrn des Jahres 15t!
Frohntage mit zwei Pferden leisten, durch 52 Sonntage und 14 Feier¬
tage des Jahres ist ihm die Arbeit kirchlich verwehrt, und bleiben ihm
143 Tage des Jahres zu seines Feldes Bestellung! Schlägt man all'
die Plackereien hinzu, welchen der Bauer von seinem Amtmann
und Schreiber per reins unterworfen wird, so stellt sich ein Sümm¬
chen Hoch- und Niederdruck heraus, das ein endliches Platzen der
Bauernlocomotive wohl erklären könnte, eine Masse von Druck, welche
dem Herrn Defensor aus activer Praxis wohl bekannt sein dürfte, und
wir wundern uns billig, wie die prätendirte Bauernglückseligkeit als
Argument zur Vertheidigung jiiies Minoritätsvotunis hat gewählt wer¬
den können; doch um Gründe war es dem Defensor minder zu thun, außer¬
dem hätte auch die sublime Reflexion nicht losgelassen werden können,
die klerikalen Ständeglieder seien als bloße Nutznießer ihres Besitz-
thums, um so berechtigter, jeder Schmälerung ihrer Nutznießung —
wenn auch inhuman und unkirchlich'i — entgegen zu sein!!

Wir hoffen zur Ehre des ständischen Klerus, daß dieser über seines
—w.— unberufenen Defensors Argumentation erröthet.


III.
Die Germanisten «,,d die Feste in Frankfurt n. M.

Die Anwesenheit der Germanisten und was sich daran knüpfte, hat
das Fest der Enthüllung des Goethe-Denkmals tief in Schatten gestellt.
Sie erinnern sich des Streites, der über dieses in der Allgem. Zeitung
entstand. Dingelstedt hatte darin Unrecht, daß er das Verunglücken jenes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/44>, abgerufen am 23.07.2024.