Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erhaltung des status <zun, eine Erfüllung erhalte. Der Konig sagte,
daß er ein entschiedener Beschützer des Handels sei, daß er einen sehr
geschickten Unterhändler, Herrn von Kamptz, an das österreichische (5a-
hmet gesendet habe, und daß er "mit allem Ernste" darüber wachen
werde, Schlesien vor dem Stocken der Gewerbe zu bewahren, das die
Abtretung Krakaus nach sich ziehen könne.

An bedauern bleibt es nur, daß in einem Lande, in welchem der
Herrscher ernstlich die Wohlfahrt seiner Unterthanen zu fördern wünscht,
man nicht daran gedacht hat, vorher die Meinung der Sachverstandigen
und der betreffenden Minister einzuziehen. Es hat sich für die Deputirten
als Gewißheit herausgestellt, daß außer dem Könige und dem Minister
der auswärtigen Angelegenheiten Niemand von dieser hochwichtigen Sache
unterrichtet gewesen ist. Eine vorhergegangene Berathung hätte die An¬
kunft der Breslauer Deputation und die nachträglichen Maßregeln
wahrscheinlich ganz unnöthig gemacht, mit denen es nun doch ein mi߬
lich Ding sein dürfte. Oesterreich ist durch geschlossene Verträge im Be¬
sitze von Krakau und "sei im Besitz und Du bist im Rechte/' möchte
M. A. vielleicht seine Devise sein für diesen Fall.


2.

Musikzwecke der schönen Welt. -- Die Klassiker und Meyerbeer. -- Die Ge¬
sangslehrer und ihr Schicksal. -- Cossmann der Cellist. -- Bilderverlosung. --

ES gehört hier zum guten Ton, alle vierzehn Tage einen Abend im
Concertsaale des Schauspielhauses zuzubringen, und auf Rechnung der
Firma: Haydn, Mozart, Beethoven und Como. zu klatschen. Das
sogenannte kunstsinnige, kunstliebende Publicum ist hier in corvorv ver¬
treten. Besonders sind es die heirathsfähigen Töchter, welche von ihren
Vätern, Müttern, resp. Tanten hierher geführt werden, um ihren Sinn
für klassische Musik, einen Sinn, der einst für das eheliche Leben ein¬
flußreich zu werden verspricht, auszubilden. Wirklich ist es höchst lehr¬
reich für Töchter, wahrzunehmen, welchen Einfluß die schönen Stellen
der Klassiker auf die Gemüther angestellter Söhne und begüterter Jüng¬
linge ausüben. Noch findet man hier eine gewisse Klasse von Leuten,
die nach beendeter Verdauung eine schmerzliche Leere in ihrem Innern
verspüren und auf ihren Plätzen erscheinen, um zu schlafen. In der
That wirkt jede Musik auf gewisse Naturen durchaus calmirend, und es
klingen in den Ohren dieser Individuen die wunderbarsten Harmonien
dieser großen Meister, ebenso monoton, als der eintönige Gesang der
Kameeltreiber, womit sie ihre geduldigen Thiere den Tag über durch die
Wüste führen. Die bösartigste und zahlreichste Klasse aber ist die der
eigentlichen Klassiker. Selbige befinden sich fortwährend in einer gereizten
Stimmung und heimlichen Erbitterung. So sitzt ihr ergebenster Bericht¬
erstatter neben einem solchen Exemplar, das bei der Aufführung eines
neueren Werkes Erstickungszufälle bekommt und den ganzen Abend über
mit epileptisch eingekniffenen Daumen und zusammengebissenen Zähnen


erhaltung des status <zun, eine Erfüllung erhalte. Der Konig sagte,
daß er ein entschiedener Beschützer des Handels sei, daß er einen sehr
geschickten Unterhändler, Herrn von Kamptz, an das österreichische (5a-
hmet gesendet habe, und daß er „mit allem Ernste" darüber wachen
werde, Schlesien vor dem Stocken der Gewerbe zu bewahren, das die
Abtretung Krakaus nach sich ziehen könne.

An bedauern bleibt es nur, daß in einem Lande, in welchem der
Herrscher ernstlich die Wohlfahrt seiner Unterthanen zu fördern wünscht,
man nicht daran gedacht hat, vorher die Meinung der Sachverstandigen
und der betreffenden Minister einzuziehen. Es hat sich für die Deputirten
als Gewißheit herausgestellt, daß außer dem Könige und dem Minister
der auswärtigen Angelegenheiten Niemand von dieser hochwichtigen Sache
unterrichtet gewesen ist. Eine vorhergegangene Berathung hätte die An¬
kunft der Breslauer Deputation und die nachträglichen Maßregeln
wahrscheinlich ganz unnöthig gemacht, mit denen es nun doch ein mi߬
lich Ding sein dürfte. Oesterreich ist durch geschlossene Verträge im Be¬
sitze von Krakau und „sei im Besitz und Du bist im Rechte/' möchte
M. A. vielleicht seine Devise sein für diesen Fall.


2.

Musikzwecke der schönen Welt. — Die Klassiker und Meyerbeer. — Die Ge¬
sangslehrer und ihr Schicksal. — Cossmann der Cellist. — Bilderverlosung. —

ES gehört hier zum guten Ton, alle vierzehn Tage einen Abend im
Concertsaale des Schauspielhauses zuzubringen, und auf Rechnung der
Firma: Haydn, Mozart, Beethoven und Como. zu klatschen. Das
sogenannte kunstsinnige, kunstliebende Publicum ist hier in corvorv ver¬
treten. Besonders sind es die heirathsfähigen Töchter, welche von ihren
Vätern, Müttern, resp. Tanten hierher geführt werden, um ihren Sinn
für klassische Musik, einen Sinn, der einst für das eheliche Leben ein¬
flußreich zu werden verspricht, auszubilden. Wirklich ist es höchst lehr¬
reich für Töchter, wahrzunehmen, welchen Einfluß die schönen Stellen
der Klassiker auf die Gemüther angestellter Söhne und begüterter Jüng¬
linge ausüben. Noch findet man hier eine gewisse Klasse von Leuten,
die nach beendeter Verdauung eine schmerzliche Leere in ihrem Innern
verspüren und auf ihren Plätzen erscheinen, um zu schlafen. In der
That wirkt jede Musik auf gewisse Naturen durchaus calmirend, und es
klingen in den Ohren dieser Individuen die wunderbarsten Harmonien
dieser großen Meister, ebenso monoton, als der eintönige Gesang der
Kameeltreiber, womit sie ihre geduldigen Thiere den Tag über durch die
Wüste führen. Die bösartigste und zahlreichste Klasse aber ist die der
eigentlichen Klassiker. Selbige befinden sich fortwährend in einer gereizten
Stimmung und heimlichen Erbitterung. So sitzt ihr ergebenster Bericht¬
erstatter neben einem solchen Exemplar, das bei der Aufführung eines
neueren Werkes Erstickungszufälle bekommt und den ganzen Abend über
mit epileptisch eingekniffenen Daumen und zusammengebissenen Zähnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183984"/>
              <p xml:id="ID_1192" prev="#ID_1191"> erhaltung des status &lt;zun, eine Erfüllung erhalte. Der Konig sagte,<lb/>
daß er ein entschiedener Beschützer des Handels sei, daß er einen sehr<lb/>
geschickten Unterhändler, Herrn von Kamptz, an das österreichische (5a-<lb/>
hmet gesendet habe, und daß er &#x201E;mit allem Ernste" darüber wachen<lb/>
werde, Schlesien vor dem Stocken der Gewerbe zu bewahren, das die<lb/>
Abtretung Krakaus nach sich ziehen könne.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1193"> An bedauern bleibt es nur, daß in einem Lande, in welchem der<lb/>
Herrscher ernstlich die Wohlfahrt seiner Unterthanen zu fördern wünscht,<lb/>
man nicht daran gedacht hat, vorher die Meinung der Sachverstandigen<lb/>
und der betreffenden Minister einzuziehen. Es hat sich für die Deputirten<lb/>
als Gewißheit herausgestellt, daß außer dem Könige und dem Minister<lb/>
der auswärtigen Angelegenheiten Niemand von dieser hochwichtigen Sache<lb/>
unterrichtet gewesen ist. Eine vorhergegangene Berathung hätte die An¬<lb/>
kunft der Breslauer Deputation und die nachträglichen Maßregeln<lb/>
wahrscheinlich ganz unnöthig gemacht, mit denen es nun doch ein mi߬<lb/>
lich Ding sein dürfte. Oesterreich ist durch geschlossene Verträge im Be¬<lb/>
sitze von Krakau und &#x201E;sei im Besitz und Du bist im Rechte/' möchte<lb/><note type="byline"> M. A.</note> vielleicht seine Devise sein für diesen Fall. </p><lb/>
            </div>
            <div n="3">
              <head> 2.</head><lb/>
              <note type="argument"> Musikzwecke der schönen Welt. &#x2014; Die Klassiker und Meyerbeer. &#x2014; Die Ge¬<lb/>
sangslehrer und ihr Schicksal. &#x2014; Cossmann der Cellist. &#x2014; Bilderverlosung. &#x2014;</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1194" next="#ID_1195"> ES gehört hier zum guten Ton, alle vierzehn Tage einen Abend im<lb/>
Concertsaale des Schauspielhauses zuzubringen, und auf Rechnung der<lb/>
Firma: Haydn, Mozart, Beethoven und Como. zu klatschen. Das<lb/>
sogenannte kunstsinnige, kunstliebende Publicum ist hier in corvorv ver¬<lb/>
treten. Besonders sind es die heirathsfähigen Töchter, welche von ihren<lb/>
Vätern, Müttern, resp. Tanten hierher geführt werden, um ihren Sinn<lb/>
für klassische Musik, einen Sinn, der einst für das eheliche Leben ein¬<lb/>
flußreich zu werden verspricht, auszubilden. Wirklich ist es höchst lehr¬<lb/>
reich für Töchter, wahrzunehmen, welchen Einfluß die schönen Stellen<lb/>
der Klassiker auf die Gemüther angestellter Söhne und begüterter Jüng¬<lb/>
linge ausüben. Noch findet man hier eine gewisse Klasse von Leuten,<lb/>
die nach beendeter Verdauung eine schmerzliche Leere in ihrem Innern<lb/>
verspüren und auf ihren Plätzen erscheinen, um zu schlafen. In der<lb/>
That wirkt jede Musik auf gewisse Naturen durchaus calmirend, und es<lb/>
klingen in den Ohren dieser Individuen die wunderbarsten Harmonien<lb/>
dieser großen Meister, ebenso monoton, als der eintönige Gesang der<lb/>
Kameeltreiber, womit sie ihre geduldigen Thiere den Tag über durch die<lb/>
Wüste führen. Die bösartigste und zahlreichste Klasse aber ist die der<lb/>
eigentlichen Klassiker. Selbige befinden sich fortwährend in einer gereizten<lb/>
Stimmung und heimlichen Erbitterung. So sitzt ihr ergebenster Bericht¬<lb/>
erstatter neben einem solchen Exemplar, das bei der Aufführung eines<lb/>
neueren Werkes Erstickungszufälle bekommt und den ganzen Abend über<lb/>
mit epileptisch eingekniffenen Daumen und zusammengebissenen Zähnen</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0402] erhaltung des status <zun, eine Erfüllung erhalte. Der Konig sagte, daß er ein entschiedener Beschützer des Handels sei, daß er einen sehr geschickten Unterhändler, Herrn von Kamptz, an das österreichische (5a- hmet gesendet habe, und daß er „mit allem Ernste" darüber wachen werde, Schlesien vor dem Stocken der Gewerbe zu bewahren, das die Abtretung Krakaus nach sich ziehen könne. An bedauern bleibt es nur, daß in einem Lande, in welchem der Herrscher ernstlich die Wohlfahrt seiner Unterthanen zu fördern wünscht, man nicht daran gedacht hat, vorher die Meinung der Sachverstandigen und der betreffenden Minister einzuziehen. Es hat sich für die Deputirten als Gewißheit herausgestellt, daß außer dem Könige und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Niemand von dieser hochwichtigen Sache unterrichtet gewesen ist. Eine vorhergegangene Berathung hätte die An¬ kunft der Breslauer Deputation und die nachträglichen Maßregeln wahrscheinlich ganz unnöthig gemacht, mit denen es nun doch ein mi߬ lich Ding sein dürfte. Oesterreich ist durch geschlossene Verträge im Be¬ sitze von Krakau und „sei im Besitz und Du bist im Rechte/' möchte M. A. vielleicht seine Devise sein für diesen Fall. 2. Musikzwecke der schönen Welt. — Die Klassiker und Meyerbeer. — Die Ge¬ sangslehrer und ihr Schicksal. — Cossmann der Cellist. — Bilderverlosung. — ES gehört hier zum guten Ton, alle vierzehn Tage einen Abend im Concertsaale des Schauspielhauses zuzubringen, und auf Rechnung der Firma: Haydn, Mozart, Beethoven und Como. zu klatschen. Das sogenannte kunstsinnige, kunstliebende Publicum ist hier in corvorv ver¬ treten. Besonders sind es die heirathsfähigen Töchter, welche von ihren Vätern, Müttern, resp. Tanten hierher geführt werden, um ihren Sinn für klassische Musik, einen Sinn, der einst für das eheliche Leben ein¬ flußreich zu werden verspricht, auszubilden. Wirklich ist es höchst lehr¬ reich für Töchter, wahrzunehmen, welchen Einfluß die schönen Stellen der Klassiker auf die Gemüther angestellter Söhne und begüterter Jüng¬ linge ausüben. Noch findet man hier eine gewisse Klasse von Leuten, die nach beendeter Verdauung eine schmerzliche Leere in ihrem Innern verspüren und auf ihren Plätzen erscheinen, um zu schlafen. In der That wirkt jede Musik auf gewisse Naturen durchaus calmirend, und es klingen in den Ohren dieser Individuen die wunderbarsten Harmonien dieser großen Meister, ebenso monoton, als der eintönige Gesang der Kameeltreiber, womit sie ihre geduldigen Thiere den Tag über durch die Wüste führen. Die bösartigste und zahlreichste Klasse aber ist die der eigentlichen Klassiker. Selbige befinden sich fortwährend in einer gereizten Stimmung und heimlichen Erbitterung. So sitzt ihr ergebenster Bericht¬ erstatter neben einem solchen Exemplar, das bei der Aufführung eines neueren Werkes Erstickungszufälle bekommt und den ganzen Abend über mit epileptisch eingekniffenen Daumen und zusammengebissenen Zähnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/402
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/402>, abgerufen am 23.07.2024.