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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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für sogenannte berühmte Männer sammeln, die nicht nur einen Namen
haben, sondern auch geben, hat man sich umsonst gewandt; ihre Politik
erlaubt ihnen nichts zu thun, sie schützen vor: Hach habe nichts gethan,
sei kein politischer Charakter, und vor allen: er sei schuldig und das
Oberappellationsgericht nahe daran gewesen, seine Strafe noch zu schärfen.

Ich brauche nicht zu heucheln, weil ich nicht zu fürchten brauche,
daß man bei mir eine andere Theilnahme, als an dem Unglücke dieser
Männer argwöhnen werde. Jede Gabe, welche man an die Frau Hut¬
macherin Kolbe und an die Frau Dr. Hach in Marburg sendet, wird
von Beiden mit heißem Dank empfangen werden. Sie sind so unglück¬
lich, als einst die Jordan'sche Familie, und weit bedürftiger, als diese
je war. Noch ein anderer Umstand steigert die Theilnahme an dem
Schicksal dieser politischen Gefangenen. Sie sind Festungsgefangene, und
obwohl sie gesetzlich auch nach erfolgten Urtheile und wahrend sie ihre
Strafe erleiden, unter dem Schutze der Gerichte stehen, so wird es diesen
doch factisch unmöglich gemacht, diesen Schutz auszuüben; denn die Festun¬
gen stehen unter den unmittelbaren Befehlen des obersten MilitairchefS
des Landes.

Die allgemein bekannte Behandlung der politischen Gefangenen, und
die Furcht vor dem Schicksale des Bürgermeisters Ol-. Scheffer von
Kirchhain, welcher bekanntlich wahnsinnig wurde und sich selbst entleibte,
so wie seine schwache Gesundheit und die Sorge sür seine Familie be¬
stimmten den Or. Hach schon in seiner Appellatlonsschrift (Entscheidungs¬
gründe zweiter Instanz S. 132.) "sich darüber zu beschweren, daß das
Maß der mit ""Fcstungsstrafe"" bezeichneten Freiheitsbeschränkung im
Urtheil (erster Instanz) nicht ausgedrückt, namentlich nicht dahin fest¬
gestellt worden sei, daß dem Angeschuldigten der Zugang des Lichtes durch
gehörige Fenster, so wie literarische Beschäftigung und der Betrieb der
ihn und seine Familie ausschließlich ernährenden Malerei gestattet sei.
Appellant hat eventuell gebeten: in diesem Sinne die erkannte Festungs¬
strafe rechtlich festzustellen."

Hierzu bemerkt das Oberappellationsgericht: "Die Art und Weise
der Verbüßung der erkannten Festungsstrafe darf zwar für den Verur¬
teilten keine härteren Leiden herbeiführen, als es der in den bestehenden
Rechtsverhältnissen begründete Begriff einer Festungsstrafe mit sich bringt.
Sollten in solcher Beziehung Zweifel sich erheben, so würde es allerdings
dein Gerichte obliegen, durch entsprechende Requisitionen die gehörige
Vollziehung des Erkenntnisses zu sichern, indem nach deutschrechtlichen
Grundsätzen dem Strafrichter die Vollstreckung seiner Urtheile zukommt,
und, wenn auch die Verbüßung der Strafe in den, der Aufsicht der
Gerichte, nicht unterworfenen Strafanstalten erfolgt, hierdurch die den
Gerichten zustehende Einwirkung auf die Strafverbüßung, da diese nun
in Folge der richterlichen Requisition eintritt, nicht ausgeschlossen wird."

Zur Ehre der kurhessischen Regierung darf man annehmen, daß
nicht Jordan's Freisprechung, sondern Stellen wie diese dem Referenten
Gürste Mißfallen und Entfernung aus dem Oberappellationsgerichte zu¬
zogen. Auch ist keine Aenderung in der Behandlung der politischen


53*

für sogenannte berühmte Männer sammeln, die nicht nur einen Namen
haben, sondern auch geben, hat man sich umsonst gewandt; ihre Politik
erlaubt ihnen nichts zu thun, sie schützen vor: Hach habe nichts gethan,
sei kein politischer Charakter, und vor allen: er sei schuldig und das
Oberappellationsgericht nahe daran gewesen, seine Strafe noch zu schärfen.

Ich brauche nicht zu heucheln, weil ich nicht zu fürchten brauche,
daß man bei mir eine andere Theilnahme, als an dem Unglücke dieser
Männer argwöhnen werde. Jede Gabe, welche man an die Frau Hut¬
macherin Kolbe und an die Frau Dr. Hach in Marburg sendet, wird
von Beiden mit heißem Dank empfangen werden. Sie sind so unglück¬
lich, als einst die Jordan'sche Familie, und weit bedürftiger, als diese
je war. Noch ein anderer Umstand steigert die Theilnahme an dem
Schicksal dieser politischen Gefangenen. Sie sind Festungsgefangene, und
obwohl sie gesetzlich auch nach erfolgten Urtheile und wahrend sie ihre
Strafe erleiden, unter dem Schutze der Gerichte stehen, so wird es diesen
doch factisch unmöglich gemacht, diesen Schutz auszuüben; denn die Festun¬
gen stehen unter den unmittelbaren Befehlen des obersten MilitairchefS
des Landes.

Die allgemein bekannte Behandlung der politischen Gefangenen, und
die Furcht vor dem Schicksale des Bürgermeisters Ol-. Scheffer von
Kirchhain, welcher bekanntlich wahnsinnig wurde und sich selbst entleibte,
so wie seine schwache Gesundheit und die Sorge sür seine Familie be¬
stimmten den Or. Hach schon in seiner Appellatlonsschrift (Entscheidungs¬
gründe zweiter Instanz S. 132.) „sich darüber zu beschweren, daß das
Maß der mit „„Fcstungsstrafe"" bezeichneten Freiheitsbeschränkung im
Urtheil (erster Instanz) nicht ausgedrückt, namentlich nicht dahin fest¬
gestellt worden sei, daß dem Angeschuldigten der Zugang des Lichtes durch
gehörige Fenster, so wie literarische Beschäftigung und der Betrieb der
ihn und seine Familie ausschließlich ernährenden Malerei gestattet sei.
Appellant hat eventuell gebeten: in diesem Sinne die erkannte Festungs¬
strafe rechtlich festzustellen."

Hierzu bemerkt das Oberappellationsgericht: „Die Art und Weise
der Verbüßung der erkannten Festungsstrafe darf zwar für den Verur¬
teilten keine härteren Leiden herbeiführen, als es der in den bestehenden
Rechtsverhältnissen begründete Begriff einer Festungsstrafe mit sich bringt.
Sollten in solcher Beziehung Zweifel sich erheben, so würde es allerdings
dein Gerichte obliegen, durch entsprechende Requisitionen die gehörige
Vollziehung des Erkenntnisses zu sichern, indem nach deutschrechtlichen
Grundsätzen dem Strafrichter die Vollstreckung seiner Urtheile zukommt,
und, wenn auch die Verbüßung der Strafe in den, der Aufsicht der
Gerichte, nicht unterworfenen Strafanstalten erfolgt, hierdurch die den
Gerichten zustehende Einwirkung auf die Strafverbüßung, da diese nun
in Folge der richterlichen Requisition eintritt, nicht ausgeschlossen wird."

Zur Ehre der kurhessischen Regierung darf man annehmen, daß
nicht Jordan's Freisprechung, sondern Stellen wie diese dem Referenten
Gürste Mißfallen und Entfernung aus dem Oberappellationsgerichte zu¬
zogen. Auch ist keine Aenderung in der Behandlung der politischen


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[0399] für sogenannte berühmte Männer sammeln, die nicht nur einen Namen haben, sondern auch geben, hat man sich umsonst gewandt; ihre Politik erlaubt ihnen nichts zu thun, sie schützen vor: Hach habe nichts gethan, sei kein politischer Charakter, und vor allen: er sei schuldig und das Oberappellationsgericht nahe daran gewesen, seine Strafe noch zu schärfen. Ich brauche nicht zu heucheln, weil ich nicht zu fürchten brauche, daß man bei mir eine andere Theilnahme, als an dem Unglücke dieser Männer argwöhnen werde. Jede Gabe, welche man an die Frau Hut¬ macherin Kolbe und an die Frau Dr. Hach in Marburg sendet, wird von Beiden mit heißem Dank empfangen werden. Sie sind so unglück¬ lich, als einst die Jordan'sche Familie, und weit bedürftiger, als diese je war. Noch ein anderer Umstand steigert die Theilnahme an dem Schicksal dieser politischen Gefangenen. Sie sind Festungsgefangene, und obwohl sie gesetzlich auch nach erfolgten Urtheile und wahrend sie ihre Strafe erleiden, unter dem Schutze der Gerichte stehen, so wird es diesen doch factisch unmöglich gemacht, diesen Schutz auszuüben; denn die Festun¬ gen stehen unter den unmittelbaren Befehlen des obersten MilitairchefS des Landes. Die allgemein bekannte Behandlung der politischen Gefangenen, und die Furcht vor dem Schicksale des Bürgermeisters Ol-. Scheffer von Kirchhain, welcher bekanntlich wahnsinnig wurde und sich selbst entleibte, so wie seine schwache Gesundheit und die Sorge sür seine Familie be¬ stimmten den Or. Hach schon in seiner Appellatlonsschrift (Entscheidungs¬ gründe zweiter Instanz S. 132.) „sich darüber zu beschweren, daß das Maß der mit „„Fcstungsstrafe"" bezeichneten Freiheitsbeschränkung im Urtheil (erster Instanz) nicht ausgedrückt, namentlich nicht dahin fest¬ gestellt worden sei, daß dem Angeschuldigten der Zugang des Lichtes durch gehörige Fenster, so wie literarische Beschäftigung und der Betrieb der ihn und seine Familie ausschließlich ernährenden Malerei gestattet sei. Appellant hat eventuell gebeten: in diesem Sinne die erkannte Festungs¬ strafe rechtlich festzustellen." Hierzu bemerkt das Oberappellationsgericht: „Die Art und Weise der Verbüßung der erkannten Festungsstrafe darf zwar für den Verur¬ teilten keine härteren Leiden herbeiführen, als es der in den bestehenden Rechtsverhältnissen begründete Begriff einer Festungsstrafe mit sich bringt. Sollten in solcher Beziehung Zweifel sich erheben, so würde es allerdings dein Gerichte obliegen, durch entsprechende Requisitionen die gehörige Vollziehung des Erkenntnisses zu sichern, indem nach deutschrechtlichen Grundsätzen dem Strafrichter die Vollstreckung seiner Urtheile zukommt, und, wenn auch die Verbüßung der Strafe in den, der Aufsicht der Gerichte, nicht unterworfenen Strafanstalten erfolgt, hierdurch die den Gerichten zustehende Einwirkung auf die Strafverbüßung, da diese nun in Folge der richterlichen Requisition eintritt, nicht ausgeschlossen wird." Zur Ehre der kurhessischen Regierung darf man annehmen, daß nicht Jordan's Freisprechung, sondern Stellen wie diese dem Referenten Gürste Mißfallen und Entfernung aus dem Oberappellationsgerichte zu¬ zogen. Auch ist keine Aenderung in der Behandlung der politischen 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/399>, abgerufen am 26.08.2024.