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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Wissenschaften im Wege liegen, seit Jahren eine freithätigere Entwick¬
lung, und grade Historie und Philologie, die gewaltig darniederliegen,
bedürfen lebhafteste Unterstützung. Ueberdies dürsten sich in Wien kaum
sechszehn Naturhistoriker finden, welche eine Akademie zu repräsentiren
im Stande sind, es müßte denn sein, daß man auch solche aufnähme,
die durch Compilirung eines Schulbuchs sich einen localen Lorbeerkranz
erworben haben. Wenn man weiß, daß unter den acht Mitgliedern
der historisch-philologischen Section in Ermangelung einer besondern
Section für die schöne Wissenschaft auch Grillparzer und Halm aufge¬
nommen sind, so verengert sich der Kreis noch mehr und befindet sich
im entschiedensten Nachtheile gegenüber der Ueberzahl der Naturhistoriker.
Man wollte auch finden, daß die Gehalte im Vergleiche zu denen der
französischen Akademie zu groß sind und daß es zweckmäßiger wäre, Alle
gleichmäßig zu besolden, statt die zwölf Aeltern mit 1200 und ,150V si.
C.-M. zu betheiligen, indem anzunehmen ist, daß diese bereits irgend
eine Carriere gemacht haben und weniger eines Gehaltes als die Jün¬
gern bedürfen. Als einen Nachtheil wollte man ferner das Sich-geltend-
machen der Büreaukratie erkennen, indem jeder Akademiker wirklicher
k. k. Regierungsrath sein solle, statt diesen Titel dem stolzen Range eines
Akademikers zu unterordnen. Diese Anordnung hat noch den Nach¬
theil, daß ein junger Gelehrter, der vielleicht als Praktikant in einem
Bureau angestellt ist, nicht Akademiker werden kann, weil er ja sonst
sogleich Regierungsrath würde; in Oesterreich ein Sprung, wie der von
Ajaccio auf den französischen Kaiserthron.

Lange war in der gelehrten Welt Wiens keine gleiche Aufregung
wahrnehmbar; Hoffnung und Ehrgeiz, Phantasie und Combination wett¬
eiferten. Wer wird Akademiker? wer Secretair? wer Präsident? wer
Kurator? Rücksichtlich der Akademiker kam sogar das Lächerliche vor, daß
Hr.Deinhardstein, der Redacteur der "Jahrbücher", der freilich durch deren
Eingehen materiell zu verlieren hatte, um einen Sitz in der Akademie förm¬
lich anhielt, zu dem man doch nur berufen oder gar nicht gelangen
kann. Als Secretair wurde allgemein Herr von Endlicher genannt,
dessen vielfaches Wissen ihn zu dieser Stelle geeignet erscheinen läßt,
mit dem aber leider nicht die Ruhe eines Geschäftsmanns vereinigt ist.
Als Präsidenten bezeichnet die öffentliche Meinung ohne Widerspruch
den Freiherrn von Hammer-Purgstall, der nicht allein als eine europäi¬
sche Celebrität dasteht, sondern auch als einer der ältesten Staatsbe¬
amten. Die zwischen ihm und dem Fürsten Staatskanzler bestehende
Spannung hielt man für um so weniger hinderlich, als man von der


Grenzbvtr". IV.

Wissenschaften im Wege liegen, seit Jahren eine freithätigere Entwick¬
lung, und grade Historie und Philologie, die gewaltig darniederliegen,
bedürfen lebhafteste Unterstützung. Ueberdies dürsten sich in Wien kaum
sechszehn Naturhistoriker finden, welche eine Akademie zu repräsentiren
im Stande sind, es müßte denn sein, daß man auch solche aufnähme,
die durch Compilirung eines Schulbuchs sich einen localen Lorbeerkranz
erworben haben. Wenn man weiß, daß unter den acht Mitgliedern
der historisch-philologischen Section in Ermangelung einer besondern
Section für die schöne Wissenschaft auch Grillparzer und Halm aufge¬
nommen sind, so verengert sich der Kreis noch mehr und befindet sich
im entschiedensten Nachtheile gegenüber der Ueberzahl der Naturhistoriker.
Man wollte auch finden, daß die Gehalte im Vergleiche zu denen der
französischen Akademie zu groß sind und daß es zweckmäßiger wäre, Alle
gleichmäßig zu besolden, statt die zwölf Aeltern mit 1200 und ,150V si.
C.-M. zu betheiligen, indem anzunehmen ist, daß diese bereits irgend
eine Carriere gemacht haben und weniger eines Gehaltes als die Jün¬
gern bedürfen. Als einen Nachtheil wollte man ferner das Sich-geltend-
machen der Büreaukratie erkennen, indem jeder Akademiker wirklicher
k. k. Regierungsrath sein solle, statt diesen Titel dem stolzen Range eines
Akademikers zu unterordnen. Diese Anordnung hat noch den Nach¬
theil, daß ein junger Gelehrter, der vielleicht als Praktikant in einem
Bureau angestellt ist, nicht Akademiker werden kann, weil er ja sonst
sogleich Regierungsrath würde; in Oesterreich ein Sprung, wie der von
Ajaccio auf den französischen Kaiserthron.

Lange war in der gelehrten Welt Wiens keine gleiche Aufregung
wahrnehmbar; Hoffnung und Ehrgeiz, Phantasie und Combination wett¬
eiferten. Wer wird Akademiker? wer Secretair? wer Präsident? wer
Kurator? Rücksichtlich der Akademiker kam sogar das Lächerliche vor, daß
Hr.Deinhardstein, der Redacteur der „Jahrbücher", der freilich durch deren
Eingehen materiell zu verlieren hatte, um einen Sitz in der Akademie förm¬
lich anhielt, zu dem man doch nur berufen oder gar nicht gelangen
kann. Als Secretair wurde allgemein Herr von Endlicher genannt,
dessen vielfaches Wissen ihn zu dieser Stelle geeignet erscheinen läßt,
mit dem aber leider nicht die Ruhe eines Geschäftsmanns vereinigt ist.
Als Präsidenten bezeichnet die öffentliche Meinung ohne Widerspruch
den Freiherrn von Hammer-Purgstall, der nicht allein als eine europäi¬
sche Celebrität dasteht, sondern auch als einer der ältesten Staatsbe¬
amten. Die zwischen ihm und dem Fürsten Staatskanzler bestehende
Spannung hielt man für um so weniger hinderlich, als man von der


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[0381] Wissenschaften im Wege liegen, seit Jahren eine freithätigere Entwick¬ lung, und grade Historie und Philologie, die gewaltig darniederliegen, bedürfen lebhafteste Unterstützung. Ueberdies dürsten sich in Wien kaum sechszehn Naturhistoriker finden, welche eine Akademie zu repräsentiren im Stande sind, es müßte denn sein, daß man auch solche aufnähme, die durch Compilirung eines Schulbuchs sich einen localen Lorbeerkranz erworben haben. Wenn man weiß, daß unter den acht Mitgliedern der historisch-philologischen Section in Ermangelung einer besondern Section für die schöne Wissenschaft auch Grillparzer und Halm aufge¬ nommen sind, so verengert sich der Kreis noch mehr und befindet sich im entschiedensten Nachtheile gegenüber der Ueberzahl der Naturhistoriker. Man wollte auch finden, daß die Gehalte im Vergleiche zu denen der französischen Akademie zu groß sind und daß es zweckmäßiger wäre, Alle gleichmäßig zu besolden, statt die zwölf Aeltern mit 1200 und ,150V si. C.-M. zu betheiligen, indem anzunehmen ist, daß diese bereits irgend eine Carriere gemacht haben und weniger eines Gehaltes als die Jün¬ gern bedürfen. Als einen Nachtheil wollte man ferner das Sich-geltend- machen der Büreaukratie erkennen, indem jeder Akademiker wirklicher k. k. Regierungsrath sein solle, statt diesen Titel dem stolzen Range eines Akademikers zu unterordnen. Diese Anordnung hat noch den Nach¬ theil, daß ein junger Gelehrter, der vielleicht als Praktikant in einem Bureau angestellt ist, nicht Akademiker werden kann, weil er ja sonst sogleich Regierungsrath würde; in Oesterreich ein Sprung, wie der von Ajaccio auf den französischen Kaiserthron. Lange war in der gelehrten Welt Wiens keine gleiche Aufregung wahrnehmbar; Hoffnung und Ehrgeiz, Phantasie und Combination wett¬ eiferten. Wer wird Akademiker? wer Secretair? wer Präsident? wer Kurator? Rücksichtlich der Akademiker kam sogar das Lächerliche vor, daß Hr.Deinhardstein, der Redacteur der „Jahrbücher", der freilich durch deren Eingehen materiell zu verlieren hatte, um einen Sitz in der Akademie förm¬ lich anhielt, zu dem man doch nur berufen oder gar nicht gelangen kann. Als Secretair wurde allgemein Herr von Endlicher genannt, dessen vielfaches Wissen ihn zu dieser Stelle geeignet erscheinen läßt, mit dem aber leider nicht die Ruhe eines Geschäftsmanns vereinigt ist. Als Präsidenten bezeichnet die öffentliche Meinung ohne Widerspruch den Freiherrn von Hammer-Purgstall, der nicht allein als eine europäi¬ sche Celebrität dasteht, sondern auch als einer der ältesten Staatsbe¬ amten. Die zwischen ihm und dem Fürsten Staatskanzler bestehende Spannung hielt man für um so weniger hinderlich, als man von der Grenzbvtr». IV.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/381>, abgerufen am 23.07.2024.