Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.durch Routine lückenhaft angepaßtes ist. Im Ganzen glaubt man, daß durch Routine lückenhaft angepaßtes ist. Im Ganzen glaubt man, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183925"/> <p xml:id="ID_1042" prev="#ID_1041" next="#ID_1043"> durch Routine lückenhaft angepaßtes ist. Im Ganzen glaubt man, daß<lb/> es wenigstens mittelbar dem Präsidenten der Polizei subordinire bleiben<lb/> wird. Die ganze Maßregel, wenn ihr nicht andere Principien zu Grunde<lb/> gelegt werden, dürfte auf die Versorgung einiger neuen Beamten hin¬<lb/> auslaufen und im Ganzen nichts bessern. So viel ist gewiß, daß der<lb/> jetzige Zustand bis zur Unerträglichkeit und, was noch schlimmer ist,<lb/> zur Lächerlichkeit herangediehen ist. Jeder der Censurbeamten selbst ist<lb/> davon durchdrungen, aber alle zusammen verfolgen consequent das ob-<lb/> scurante Princip und es ist da umgekehrt der Fall, was Grillparzer<lb/> vom Publicum sagt: „Stellt zehn Dummköpfe nebeneinander und laßt<lb/> sie ein Publicum bilden, so fährt der Gott in sie." Hier heißt es:<lb/> Stellt zehn geschridte Männer zusammen und laßt sie die Censur bilden<lb/> so fährt der Gott aus ihnen. Nicht das Censurgcsetz, so schlimm und<lb/> drückend dieses ist, ist es, welches manche gesinnungsvolle Aeußerung,<lb/> manche patriotische Meinung unterdrückt, aber die Willkür, die Be¬<lb/> schränktheit, endlich die politische Charakterlosigkeit ver Censoren sind<lb/> eS, welche den Ruhigsten empören. Ein glänzendes Beispiel des Wi¬<lb/> derspruchs erlebte man dieser Tage bei der Aufführung des Bauernfeld'-<lb/> schen Lustspieles: „Großjährig", welches das bis jetzt Unerhörte, eine<lb/> politische Satyre, auf dem Hofburgtheater zur Anhörung brachte und<lb/> ohne eigentliche Erfindung, ohne Situationswitz eine Wirkung hervor¬<lb/> brachte, wie sie hier noch kaum erlebt wurde, und wie sie mit diesen<lb/> Mitteln hervorzurufen noch Keiner gewagt hat. Merkwürdig ist es,<lb/> daß der Censur die Bedeutung des Stückes nicht entging, denn sie soll<lb/> den Autor aufgefordert haben, dafür zu sorgen, daß die Journale die¬<lb/> selbe nicht näher bezeichnen und herausheben. Während diese klägliche<lb/> Berichte oder gar keine bringen, jubelt das Publicum fortgesetzt dem<lb/> Stücke in gedrängten Massen zu. Wo steckt da die Klugheit? Wie<lb/> traurig es unter solchen Umständen mit unserer Journalistik aussehen<lb/> muß, ist leicht zu erachten. Wenn schon die Anzeige eines Stückes,<lb/> das auf den Brettern des Hofburgtheaters vorüberzieht, scheelsüchtig<lb/> überwacht wird, wie soll es da möglich sein, ein Wort über die Er¬<lb/> eignisse auf der politischen Bühne durchzubringen? Alle unsere Blätter<lb/> sehen wie ungeschmalzter Mehlbrei aus, mit dem man die Kinder<lb/> füttert, und einen wahrha/t komischen Eindruck macht es, wenn dann<lb/> Plötzlich der österreichische Beobachter mit einem inhaltsschweren Artikel<lb/> (wie die Motivirung der Einverleibung Krakau's) hervortritt; man<lb/> hält sich den Kopf, man sieht verdutzt einander an. Wie? sind wir es,<lb/> zu denen man spricht? sind wir die Leute, bei denen man voraussetzt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
durch Routine lückenhaft angepaßtes ist. Im Ganzen glaubt man, daß
es wenigstens mittelbar dem Präsidenten der Polizei subordinire bleiben
wird. Die ganze Maßregel, wenn ihr nicht andere Principien zu Grunde
gelegt werden, dürfte auf die Versorgung einiger neuen Beamten hin¬
auslaufen und im Ganzen nichts bessern. So viel ist gewiß, daß der
jetzige Zustand bis zur Unerträglichkeit und, was noch schlimmer ist,
zur Lächerlichkeit herangediehen ist. Jeder der Censurbeamten selbst ist
davon durchdrungen, aber alle zusammen verfolgen consequent das ob-
scurante Princip und es ist da umgekehrt der Fall, was Grillparzer
vom Publicum sagt: „Stellt zehn Dummköpfe nebeneinander und laßt
sie ein Publicum bilden, so fährt der Gott in sie." Hier heißt es:
Stellt zehn geschridte Männer zusammen und laßt sie die Censur bilden
so fährt der Gott aus ihnen. Nicht das Censurgcsetz, so schlimm und
drückend dieses ist, ist es, welches manche gesinnungsvolle Aeußerung,
manche patriotische Meinung unterdrückt, aber die Willkür, die Be¬
schränktheit, endlich die politische Charakterlosigkeit ver Censoren sind
eS, welche den Ruhigsten empören. Ein glänzendes Beispiel des Wi¬
derspruchs erlebte man dieser Tage bei der Aufführung des Bauernfeld'-
schen Lustspieles: „Großjährig", welches das bis jetzt Unerhörte, eine
politische Satyre, auf dem Hofburgtheater zur Anhörung brachte und
ohne eigentliche Erfindung, ohne Situationswitz eine Wirkung hervor¬
brachte, wie sie hier noch kaum erlebt wurde, und wie sie mit diesen
Mitteln hervorzurufen noch Keiner gewagt hat. Merkwürdig ist es,
daß der Censur die Bedeutung des Stückes nicht entging, denn sie soll
den Autor aufgefordert haben, dafür zu sorgen, daß die Journale die¬
selbe nicht näher bezeichnen und herausheben. Während diese klägliche
Berichte oder gar keine bringen, jubelt das Publicum fortgesetzt dem
Stücke in gedrängten Massen zu. Wo steckt da die Klugheit? Wie
traurig es unter solchen Umständen mit unserer Journalistik aussehen
muß, ist leicht zu erachten. Wenn schon die Anzeige eines Stückes,
das auf den Brettern des Hofburgtheaters vorüberzieht, scheelsüchtig
überwacht wird, wie soll es da möglich sein, ein Wort über die Er¬
eignisse auf der politischen Bühne durchzubringen? Alle unsere Blätter
sehen wie ungeschmalzter Mehlbrei aus, mit dem man die Kinder
füttert, und einen wahrha/t komischen Eindruck macht es, wenn dann
Plötzlich der österreichische Beobachter mit einem inhaltsschweren Artikel
(wie die Motivirung der Einverleibung Krakau's) hervortritt; man
hält sich den Kopf, man sieht verdutzt einander an. Wie? sind wir es,
zu denen man spricht? sind wir die Leute, bei denen man voraussetzt,
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