Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sein, neben Columbus, Guttenberg und Luther, als neben Phalaris,
Berthold Schwarz und Professor Schönbein genannt zu werden

Die Noth aber mehrt sich. Die öffentliche Sicherheit wird auf eine
Schauder erregende Weise gefährdet. Einbrüche, ja Raubanfalle mit be¬
waffneter Hand, sind keine Seltenheiten mehr, und das öffentliche Ge¬
richtsverfahren dürfte nur zu bald Gelegenheit finden, über einige ecla-
tante Verbrechen, welche ihrer Zeit durch die öffentlichen Blatter bekannt
geworden sind, Recht zu sprechen. Es steht indessen dahin, ob alle diese
Gesetzesübertretungen mit dem Nothstande der armen Klassen zusammen¬
hangen, indem man die Tugend und Reinheit der menschlichen Natur
nicht genug bewundern kann, wenn man bedenkt, wie gering die Zahl
der Eigenthumsverletzungen im Verhältniß zu der Zahl der Darbenden
ist, denn nur freche Diebe, vielfach gestrafte Verbrecher waren es, die in
der letzten Zeit diese kecken Erbrechungen von Zuwelenladen gewagt haben.
Uebrigens geschieht von Seiten der Behörden und der öffentlichen mild-
thätigen Anstalten Mancherlei, um den heranrückenden Feinden, Kalte
und Hunger, zu begegnen. Die Holz- und Suppenvertheilung hat ih¬
ren Anfang bereits genommen und ist man zu gleicher Zeit auf die höchst
zweckmäßige Einrichtung gekommen, durch erwärmte Locale die Verzeh¬
rung der Suppe an Ort und Stelle möglich zu machen. Noch spricht
man, wie ich schon wiederholt gehört habe, von einer Bäckerei, die auf
Staatskosten das Brod zu einem billigern Preise als die städtischen Bä¬
cker verabfolgen wird. In wiefern sich diese Dinge realisiren werden,
müssen wir abwarten, so viel aber steht fest, daß die Controlle der Po¬
lizeibehörden in Betreff des Gewichts der Bäckerwaaren eine geschärfte
geworden ist. Man hat Strafen auf die Unterlassung des AusHängens
der gesetzlichen Brodprcise gesetzt. Möchte man ähnliche Maßregeln doch
auch im Fleisch- und Brennholzverkauf ergreifen.

Am fünfzehnten November wird die Kunstausstellung geschlossen.
Man hat den Plan gefaßt, Horace Vernet und einigen Berliner Künst¬
lern, unter denen ich Ihnen den geistreichen und fleißigen Eybel nennen
kann, silberne, nicht goldene, Medaillen als Erinnerung an die diesmalige
Kunstausstellung, sehr bunten Angedenkens, zu übersenden. Was der
reiche Horace Vernet, der nun schon mit allen möglichen europäischen
und orientalischen Schmeicheleien, Orden und Geschenken überschüttet ist,
zu dieser silbernen Denkmünze sagen wird, möchte ich wohl wissen, um
so mehr, da er sehr böse gewesen sein soll, als er erfahren hat, daß die¬
ses schon zwanzig Jahr alte Bild: das Schlachtfeld von Hastings, zur
Ausstellung gekommen sei. Der Neid unter einer gewissen Klasse der
Berliner Maler ist übrigens so groß, daß man ausgesprengt hat, Eybel
habe sein Bild: der große Kurfürst bei Fehrbellin (beiläufig gesagt, die
beste Berliner Arbeit in dem Akademiclocal) nicht selber gemalt, sondern
durch den Schlachtenmaler Rechlin machen lassen. Daß dieser kleinliche
Klatsch von allen besser denkenden Malern gemißbilligt wird, darf ich
Ihnen wohl nicht erst betheuern.


3" A,

sein, neben Columbus, Guttenberg und Luther, als neben Phalaris,
Berthold Schwarz und Professor Schönbein genannt zu werden

Die Noth aber mehrt sich. Die öffentliche Sicherheit wird auf eine
Schauder erregende Weise gefährdet. Einbrüche, ja Raubanfalle mit be¬
waffneter Hand, sind keine Seltenheiten mehr, und das öffentliche Ge¬
richtsverfahren dürfte nur zu bald Gelegenheit finden, über einige ecla-
tante Verbrechen, welche ihrer Zeit durch die öffentlichen Blatter bekannt
geworden sind, Recht zu sprechen. Es steht indessen dahin, ob alle diese
Gesetzesübertretungen mit dem Nothstande der armen Klassen zusammen¬
hangen, indem man die Tugend und Reinheit der menschlichen Natur
nicht genug bewundern kann, wenn man bedenkt, wie gering die Zahl
der Eigenthumsverletzungen im Verhältniß zu der Zahl der Darbenden
ist, denn nur freche Diebe, vielfach gestrafte Verbrecher waren es, die in
der letzten Zeit diese kecken Erbrechungen von Zuwelenladen gewagt haben.
Uebrigens geschieht von Seiten der Behörden und der öffentlichen mild-
thätigen Anstalten Mancherlei, um den heranrückenden Feinden, Kalte
und Hunger, zu begegnen. Die Holz- und Suppenvertheilung hat ih¬
ren Anfang bereits genommen und ist man zu gleicher Zeit auf die höchst
zweckmäßige Einrichtung gekommen, durch erwärmte Locale die Verzeh¬
rung der Suppe an Ort und Stelle möglich zu machen. Noch spricht
man, wie ich schon wiederholt gehört habe, von einer Bäckerei, die auf
Staatskosten das Brod zu einem billigern Preise als die städtischen Bä¬
cker verabfolgen wird. In wiefern sich diese Dinge realisiren werden,
müssen wir abwarten, so viel aber steht fest, daß die Controlle der Po¬
lizeibehörden in Betreff des Gewichts der Bäckerwaaren eine geschärfte
geworden ist. Man hat Strafen auf die Unterlassung des AusHängens
der gesetzlichen Brodprcise gesetzt. Möchte man ähnliche Maßregeln doch
auch im Fleisch- und Brennholzverkauf ergreifen.

Am fünfzehnten November wird die Kunstausstellung geschlossen.
Man hat den Plan gefaßt, Horace Vernet und einigen Berliner Künst¬
lern, unter denen ich Ihnen den geistreichen und fleißigen Eybel nennen
kann, silberne, nicht goldene, Medaillen als Erinnerung an die diesmalige
Kunstausstellung, sehr bunten Angedenkens, zu übersenden. Was der
reiche Horace Vernet, der nun schon mit allen möglichen europäischen
und orientalischen Schmeicheleien, Orden und Geschenken überschüttet ist,
zu dieser silbernen Denkmünze sagen wird, möchte ich wohl wissen, um
so mehr, da er sehr böse gewesen sein soll, als er erfahren hat, daß die¬
ses schon zwanzig Jahr alte Bild: das Schlachtfeld von Hastings, zur
Ausstellung gekommen sei. Der Neid unter einer gewissen Klasse der
Berliner Maler ist übrigens so groß, daß man ausgesprengt hat, Eybel
habe sein Bild: der große Kurfürst bei Fehrbellin (beiläufig gesagt, die
beste Berliner Arbeit in dem Akademiclocal) nicht selber gemalt, sondern
durch den Schlachtenmaler Rechlin machen lassen. Daß dieser kleinliche
Klatsch von allen besser denkenden Malern gemißbilligt wird, darf ich
Ihnen wohl nicht erst betheuern.


3« A,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183885"/>
            <p xml:id="ID_840" prev="#ID_839"> sein, neben Columbus, Guttenberg und Luther, als neben Phalaris,<lb/>
Berthold Schwarz und Professor Schönbein genannt zu werden</p><lb/>
            <p xml:id="ID_841"> Die Noth aber mehrt sich. Die öffentliche Sicherheit wird auf eine<lb/>
Schauder erregende Weise gefährdet. Einbrüche, ja Raubanfalle mit be¬<lb/>
waffneter Hand, sind keine Seltenheiten mehr, und das öffentliche Ge¬<lb/>
richtsverfahren dürfte nur zu bald Gelegenheit finden, über einige ecla-<lb/>
tante Verbrechen, welche ihrer Zeit durch die öffentlichen Blatter bekannt<lb/>
geworden sind, Recht zu sprechen. Es steht indessen dahin, ob alle diese<lb/>
Gesetzesübertretungen mit dem Nothstande der armen Klassen zusammen¬<lb/>
hangen, indem man die Tugend und Reinheit der menschlichen Natur<lb/>
nicht genug bewundern kann, wenn man bedenkt, wie gering die Zahl<lb/>
der Eigenthumsverletzungen im Verhältniß zu der Zahl der Darbenden<lb/>
ist, denn nur freche Diebe, vielfach gestrafte Verbrecher waren es, die in<lb/>
der letzten Zeit diese kecken Erbrechungen von Zuwelenladen gewagt haben.<lb/>
Uebrigens geschieht von Seiten der Behörden und der öffentlichen mild-<lb/>
thätigen Anstalten Mancherlei, um den heranrückenden Feinden, Kalte<lb/>
und Hunger, zu begegnen. Die Holz- und Suppenvertheilung hat ih¬<lb/>
ren Anfang bereits genommen und ist man zu gleicher Zeit auf die höchst<lb/>
zweckmäßige Einrichtung gekommen, durch erwärmte Locale die Verzeh¬<lb/>
rung der Suppe an Ort und Stelle möglich zu machen. Noch spricht<lb/>
man, wie ich schon wiederholt gehört habe, von einer Bäckerei, die auf<lb/>
Staatskosten das Brod zu einem billigern Preise als die städtischen Bä¬<lb/>
cker verabfolgen wird. In wiefern sich diese Dinge realisiren werden,<lb/>
müssen wir abwarten, so viel aber steht fest, daß die Controlle der Po¬<lb/>
lizeibehörden in Betreff des Gewichts der Bäckerwaaren eine geschärfte<lb/>
geworden ist. Man hat Strafen auf die Unterlassung des AusHängens<lb/>
der gesetzlichen Brodprcise gesetzt. Möchte man ähnliche Maßregeln doch<lb/>
auch im Fleisch- und Brennholzverkauf ergreifen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_842"> Am fünfzehnten November wird die Kunstausstellung geschlossen.<lb/>
Man hat den Plan gefaßt, Horace Vernet und einigen Berliner Künst¬<lb/>
lern, unter denen ich Ihnen den geistreichen und fleißigen Eybel nennen<lb/>
kann, silberne, nicht goldene, Medaillen als Erinnerung an die diesmalige<lb/>
Kunstausstellung, sehr bunten Angedenkens, zu übersenden. Was der<lb/>
reiche Horace Vernet, der nun schon mit allen möglichen europäischen<lb/>
und orientalischen Schmeicheleien, Orden und Geschenken überschüttet ist,<lb/>
zu dieser silbernen Denkmünze sagen wird, möchte ich wohl wissen, um<lb/>
so mehr, da er sehr böse gewesen sein soll, als er erfahren hat, daß die¬<lb/>
ses schon zwanzig Jahr alte Bild: das Schlachtfeld von Hastings, zur<lb/>
Ausstellung gekommen sei. Der Neid unter einer gewissen Klasse der<lb/>
Berliner Maler ist übrigens so groß, daß man ausgesprengt hat, Eybel<lb/>
habe sein Bild: der große Kurfürst bei Fehrbellin (beiläufig gesagt, die<lb/>
beste Berliner Arbeit in dem Akademiclocal) nicht selber gemalt, sondern<lb/>
durch den Schlachtenmaler Rechlin machen lassen. Daß dieser kleinliche<lb/>
Klatsch von allen besser denkenden Malern gemißbilligt wird, darf ich<lb/>
Ihnen wohl nicht erst betheuern.</p><lb/>
            <note type="byline"> 3« A,</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0303] sein, neben Columbus, Guttenberg und Luther, als neben Phalaris, Berthold Schwarz und Professor Schönbein genannt zu werden Die Noth aber mehrt sich. Die öffentliche Sicherheit wird auf eine Schauder erregende Weise gefährdet. Einbrüche, ja Raubanfalle mit be¬ waffneter Hand, sind keine Seltenheiten mehr, und das öffentliche Ge¬ richtsverfahren dürfte nur zu bald Gelegenheit finden, über einige ecla- tante Verbrechen, welche ihrer Zeit durch die öffentlichen Blatter bekannt geworden sind, Recht zu sprechen. Es steht indessen dahin, ob alle diese Gesetzesübertretungen mit dem Nothstande der armen Klassen zusammen¬ hangen, indem man die Tugend und Reinheit der menschlichen Natur nicht genug bewundern kann, wenn man bedenkt, wie gering die Zahl der Eigenthumsverletzungen im Verhältniß zu der Zahl der Darbenden ist, denn nur freche Diebe, vielfach gestrafte Verbrecher waren es, die in der letzten Zeit diese kecken Erbrechungen von Zuwelenladen gewagt haben. Uebrigens geschieht von Seiten der Behörden und der öffentlichen mild- thätigen Anstalten Mancherlei, um den heranrückenden Feinden, Kalte und Hunger, zu begegnen. Die Holz- und Suppenvertheilung hat ih¬ ren Anfang bereits genommen und ist man zu gleicher Zeit auf die höchst zweckmäßige Einrichtung gekommen, durch erwärmte Locale die Verzeh¬ rung der Suppe an Ort und Stelle möglich zu machen. Noch spricht man, wie ich schon wiederholt gehört habe, von einer Bäckerei, die auf Staatskosten das Brod zu einem billigern Preise als die städtischen Bä¬ cker verabfolgen wird. In wiefern sich diese Dinge realisiren werden, müssen wir abwarten, so viel aber steht fest, daß die Controlle der Po¬ lizeibehörden in Betreff des Gewichts der Bäckerwaaren eine geschärfte geworden ist. Man hat Strafen auf die Unterlassung des AusHängens der gesetzlichen Brodprcise gesetzt. Möchte man ähnliche Maßregeln doch auch im Fleisch- und Brennholzverkauf ergreifen. Am fünfzehnten November wird die Kunstausstellung geschlossen. Man hat den Plan gefaßt, Horace Vernet und einigen Berliner Künst¬ lern, unter denen ich Ihnen den geistreichen und fleißigen Eybel nennen kann, silberne, nicht goldene, Medaillen als Erinnerung an die diesmalige Kunstausstellung, sehr bunten Angedenkens, zu übersenden. Was der reiche Horace Vernet, der nun schon mit allen möglichen europäischen und orientalischen Schmeicheleien, Orden und Geschenken überschüttet ist, zu dieser silbernen Denkmünze sagen wird, möchte ich wohl wissen, um so mehr, da er sehr böse gewesen sein soll, als er erfahren hat, daß die¬ ses schon zwanzig Jahr alte Bild: das Schlachtfeld von Hastings, zur Ausstellung gekommen sei. Der Neid unter einer gewissen Klasse der Berliner Maler ist übrigens so groß, daß man ausgesprengt hat, Eybel habe sein Bild: der große Kurfürst bei Fehrbellin (beiläufig gesagt, die beste Berliner Arbeit in dem Akademiclocal) nicht selber gemalt, sondern durch den Schlachtenmaler Rechlin machen lassen. Daß dieser kleinliche Klatsch von allen besser denkenden Malern gemißbilligt wird, darf ich Ihnen wohl nicht erst betheuern. 3« A,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/303
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/303>, abgerufen am 23.07.2024.