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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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oder alle Fabrikszweige in der unmittelbaren Nähe der wenigen gut
erhaltenen Hauptstraßen betreiben :c. :c. Ich könnte hier noch meh¬
rere Gründe angeben, aber dieses sind die am meisten in die Augen
springenden, wenn auch alle diese Gründe, so wichtig sie sind, bei ei¬
nem thatkräftigen und praktischen Volke, wie die Engländer oder Ame¬
rikaner, von keiner so großen Bedeutung wären, indem diese sie durch
Beharrlichkeit bald überwunden hätten. Aber suchen wir alles Edle bet
den Ungarn, nur nicht Beharrlichkeit. Der Ungar hat in seiner Sprache
ein eignes Wort, welches so viel bedeutet wie "ungarisches Stroh¬
feuer" und man weiß es, wie sehr der Ungar seine Sprache in Ehren
erhält. Wer seine Phantasie zu erhitzen, seine Begeisterung zu erregen
versteht, der hat bei ihm gewonnenes Spiel, ebenso wie im Gegentheil
wieder Jener, der nicht dem ersten Angriffe des ungarischen Enthusias¬
mus nachgibt, der ihm zu widerstehen versteht und klug die Folgen
abwartet; man sieht, der Ungar ist noch ganz wie sein Scythischcr
Vorfahre, ungestüm im ersten Angriff, ist dieser abgeschlagen, so wer¬
den nur fliehend noch einzelne Schüsse abgesendet. So war es mit
dem Schutzvereine, sür welchen sich in den ersten Monaten über eine
Million Menschen erklärt hatten und der nach einem Jahre so weit
War, daß er nicht einmal mehr die wenigen Beamten seines Haupt¬
bureaus in Pesth bezahlen konnte und dann, um seine Finanzen und
den gesunkenen Handelsgeist zu heben, ein Ballfest veranstaltete, wobei
aber auch einige hundert Gulden weniger als die Kosten eingingen.
Man darf nicht übersehen, daß die Idee des Schutzvereins bei einem
Volke wie die Ungarn, in einem Lande von der Größe und Bevölkerung
Ungarns, von der ungeheuersten Wichtigkeit für die österreichische In"
dustrie hätte werden können, aber um so imposanter gegen das übrige Oe¬
sterreich auftreten zu können, hätte Ungarn erst selbst eine vielfach entwickelte
Industrie haben müssen, Straßen, um diese Industrie im Lande selbst flüs¬
siger zu machen, und Geld, um eine solche Industrie auf den höchsten
Punkt zu treiben. Dann hätte es zu Oesterreich sagen können: Wir
schließen unsern Markt dem millionenfachen Absatz euerer Waaren und
erhöht ihr den Ausgangszoll unserer Producte, so lahmt ihr nur selbst
Mehrere Zweige eueres Handels, während wir dann Fiume zum unga-
rschen Odessa machen. Aber bei den Ungarn war so etwas nicht zu
fürchten, die ganze Geschichte war ein Champagnerrausch, der Mehrere
ZU Boden warf. Wie unpraktisch die Ungarn überhaupt in staatsökono-
mischen Dingen denken, beweisen sie auch schon daraus, daß sie hier
Wie überall bei dein großen schönen Hause, das sie bauen wollen, zu-


oder alle Fabrikszweige in der unmittelbaren Nähe der wenigen gut
erhaltenen Hauptstraßen betreiben :c. :c. Ich könnte hier noch meh¬
rere Gründe angeben, aber dieses sind die am meisten in die Augen
springenden, wenn auch alle diese Gründe, so wichtig sie sind, bei ei¬
nem thatkräftigen und praktischen Volke, wie die Engländer oder Ame¬
rikaner, von keiner so großen Bedeutung wären, indem diese sie durch
Beharrlichkeit bald überwunden hätten. Aber suchen wir alles Edle bet
den Ungarn, nur nicht Beharrlichkeit. Der Ungar hat in seiner Sprache
ein eignes Wort, welches so viel bedeutet wie „ungarisches Stroh¬
feuer" und man weiß es, wie sehr der Ungar seine Sprache in Ehren
erhält. Wer seine Phantasie zu erhitzen, seine Begeisterung zu erregen
versteht, der hat bei ihm gewonnenes Spiel, ebenso wie im Gegentheil
wieder Jener, der nicht dem ersten Angriffe des ungarischen Enthusias¬
mus nachgibt, der ihm zu widerstehen versteht und klug die Folgen
abwartet; man sieht, der Ungar ist noch ganz wie sein Scythischcr
Vorfahre, ungestüm im ersten Angriff, ist dieser abgeschlagen, so wer¬
den nur fliehend noch einzelne Schüsse abgesendet. So war es mit
dem Schutzvereine, sür welchen sich in den ersten Monaten über eine
Million Menschen erklärt hatten und der nach einem Jahre so weit
War, daß er nicht einmal mehr die wenigen Beamten seines Haupt¬
bureaus in Pesth bezahlen konnte und dann, um seine Finanzen und
den gesunkenen Handelsgeist zu heben, ein Ballfest veranstaltete, wobei
aber auch einige hundert Gulden weniger als die Kosten eingingen.
Man darf nicht übersehen, daß die Idee des Schutzvereins bei einem
Volke wie die Ungarn, in einem Lande von der Größe und Bevölkerung
Ungarns, von der ungeheuersten Wichtigkeit für die österreichische In«
dustrie hätte werden können, aber um so imposanter gegen das übrige Oe¬
sterreich auftreten zu können, hätte Ungarn erst selbst eine vielfach entwickelte
Industrie haben müssen, Straßen, um diese Industrie im Lande selbst flüs¬
siger zu machen, und Geld, um eine solche Industrie auf den höchsten
Punkt zu treiben. Dann hätte es zu Oesterreich sagen können: Wir
schließen unsern Markt dem millionenfachen Absatz euerer Waaren und
erhöht ihr den Ausgangszoll unserer Producte, so lahmt ihr nur selbst
Mehrere Zweige eueres Handels, während wir dann Fiume zum unga-
rschen Odessa machen. Aber bei den Ungarn war so etwas nicht zu
fürchten, die ganze Geschichte war ein Champagnerrausch, der Mehrere
ZU Boden warf. Wie unpraktisch die Ungarn überhaupt in staatsökono-
mischen Dingen denken, beweisen sie auch schon daraus, daß sie hier
Wie überall bei dein großen schönen Hause, das sie bauen wollen, zu-


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[0285] oder alle Fabrikszweige in der unmittelbaren Nähe der wenigen gut erhaltenen Hauptstraßen betreiben :c. :c. Ich könnte hier noch meh¬ rere Gründe angeben, aber dieses sind die am meisten in die Augen springenden, wenn auch alle diese Gründe, so wichtig sie sind, bei ei¬ nem thatkräftigen und praktischen Volke, wie die Engländer oder Ame¬ rikaner, von keiner so großen Bedeutung wären, indem diese sie durch Beharrlichkeit bald überwunden hätten. Aber suchen wir alles Edle bet den Ungarn, nur nicht Beharrlichkeit. Der Ungar hat in seiner Sprache ein eignes Wort, welches so viel bedeutet wie „ungarisches Stroh¬ feuer" und man weiß es, wie sehr der Ungar seine Sprache in Ehren erhält. Wer seine Phantasie zu erhitzen, seine Begeisterung zu erregen versteht, der hat bei ihm gewonnenes Spiel, ebenso wie im Gegentheil wieder Jener, der nicht dem ersten Angriffe des ungarischen Enthusias¬ mus nachgibt, der ihm zu widerstehen versteht und klug die Folgen abwartet; man sieht, der Ungar ist noch ganz wie sein Scythischcr Vorfahre, ungestüm im ersten Angriff, ist dieser abgeschlagen, so wer¬ den nur fliehend noch einzelne Schüsse abgesendet. So war es mit dem Schutzvereine, sür welchen sich in den ersten Monaten über eine Million Menschen erklärt hatten und der nach einem Jahre so weit War, daß er nicht einmal mehr die wenigen Beamten seines Haupt¬ bureaus in Pesth bezahlen konnte und dann, um seine Finanzen und den gesunkenen Handelsgeist zu heben, ein Ballfest veranstaltete, wobei aber auch einige hundert Gulden weniger als die Kosten eingingen. Man darf nicht übersehen, daß die Idee des Schutzvereins bei einem Volke wie die Ungarn, in einem Lande von der Größe und Bevölkerung Ungarns, von der ungeheuersten Wichtigkeit für die österreichische In« dustrie hätte werden können, aber um so imposanter gegen das übrige Oe¬ sterreich auftreten zu können, hätte Ungarn erst selbst eine vielfach entwickelte Industrie haben müssen, Straßen, um diese Industrie im Lande selbst flüs¬ siger zu machen, und Geld, um eine solche Industrie auf den höchsten Punkt zu treiben. Dann hätte es zu Oesterreich sagen können: Wir schließen unsern Markt dem millionenfachen Absatz euerer Waaren und erhöht ihr den Ausgangszoll unserer Producte, so lahmt ihr nur selbst Mehrere Zweige eueres Handels, während wir dann Fiume zum unga- rschen Odessa machen. Aber bei den Ungarn war so etwas nicht zu fürchten, die ganze Geschichte war ein Champagnerrausch, der Mehrere ZU Boden warf. Wie unpraktisch die Ungarn überhaupt in staatsökono- mischen Dingen denken, beweisen sie auch schon daraus, daß sie hier Wie überall bei dein großen schönen Hause, das sie bauen wollen, zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/285>, abgerufen am 23.07.2024.