Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wurde von dem übervollen Hause gleich nach dem zweiten Acte gerufen
und am Schlüsse des Stückes noch einmal; auch die Schauspieler mu߬
ten mehreremals erscheinen und die Darstellerin der Gräfin von Hohen-
heim wurde im vierten Acte sogar bei offener Scene gerufen. Dieser
vierte Act ist der glänzendste Punkt des Stückes und ist nicht nur das
Beste, was Laube bisher geschrieben hat, sondern überhaupt eine der ge¬
lungensten Proouctionen der jüngern Dramatik. Bis zum vierten Acte
sind die "Karlsschüler" ein gutcomponirtes Jntriguenstück in Scribeschem
Genre mit mehrern sehr picanten Scenen (namentlich jener, wo Schiller
das Schubartische Gedicht die "Fürstengruft" in Gegenwart des Herzogs
lesen muß) und fortwährender Spannung, aber ohne jene höchste Auf¬
gabe zu lösen, die wir bei einem Drama voraussetzen, dessen Held der
schwungvollste und edelste deutsche Dichter ist. Im vierten Acte aber wachst
das Stück mit seinem Helden, der Horizont erweitert sich zu einer wahr¬
haft schwungvollen und genialen Charakteristik; der vierte Act der "K'.rls-
schüler" ist eine poetische Production in ächt deutschem Sinne und
der fünfte Act, der bloß der theatralischen Oekonomie, schließt würdig daS
Ganze ab. Wir werden auf die Einzelnheiten dieses Stückes in einer
späteren Nummer zurückkommen, weil es, obgleich keineswegs frei von
Mißgriffen, ohnstreitig eine der gelungensten und dankeswerthestcn Berei¬
cherung des deutschen Repertoirs ist.

-- Von dem zweiundachtzigjährigen Dichter des Liedes: "Fröhlich und
wohlgemuth, wandelt das junge Blut", dem greisen Schmidt von Lübeck,
ist so eben die dritte Auflage seiner Gedichte (bei Hammerich in Altona)
erschienen. Wahrhaft rührend ist das letzte Lied der Sammlung: "Am
achtzigsten Geburtstag."

Der liederreiche Greis verlebt den Nest seiner Tage in Altona.
Mögen Diejenigen, die ein freundliches Wort über seine so eben ver¬
sandten Gedichte zu sagen haben, sich mit ihrer Besprechung beeilen, da¬
mit sie den Dichter noch vor Thorschluß erreichen und erfreuen.

-- Wenn hundert Hennen zusammen ihre Eier in einem Hofe legen
wollten, so würde dies kein solches Gegacker geben, wie wir seit drei
Monaten über das El hören müssen, welches in Berlin in der Form
einer neuen Zeitung erscheinen soll. Die deutsche Zeitung wird erschei¬
nen -- sie wird nicht erscheinen -- sie wird vielleicht doch erscheinen --
sie wird wahrscheinlich nicht erscheinen -- Herrn Dahlmanns Brief ist
ablehnend, Herrn Dahlmanns Brief ist zusagend -- erstes Programm --
zweites Programm und so in's Unendliche! Es wundert uns nur, daß
der Michaelis-Meßkatalog nicht bereits dreißig bis vierzig Brochüren über
diese große Frage angekündigt hat. Der Oster-Meßkatalog wird hoffent¬
lich dies nachtragen -- um einem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

wurde von dem übervollen Hause gleich nach dem zweiten Acte gerufen
und am Schlüsse des Stückes noch einmal; auch die Schauspieler mu߬
ten mehreremals erscheinen und die Darstellerin der Gräfin von Hohen-
heim wurde im vierten Acte sogar bei offener Scene gerufen. Dieser
vierte Act ist der glänzendste Punkt des Stückes und ist nicht nur das
Beste, was Laube bisher geschrieben hat, sondern überhaupt eine der ge¬
lungensten Proouctionen der jüngern Dramatik. Bis zum vierten Acte
sind die „Karlsschüler" ein gutcomponirtes Jntriguenstück in Scribeschem
Genre mit mehrern sehr picanten Scenen (namentlich jener, wo Schiller
das Schubartische Gedicht die „Fürstengruft" in Gegenwart des Herzogs
lesen muß) und fortwährender Spannung, aber ohne jene höchste Auf¬
gabe zu lösen, die wir bei einem Drama voraussetzen, dessen Held der
schwungvollste und edelste deutsche Dichter ist. Im vierten Acte aber wachst
das Stück mit seinem Helden, der Horizont erweitert sich zu einer wahr¬
haft schwungvollen und genialen Charakteristik; der vierte Act der „K'.rls-
schüler" ist eine poetische Production in ächt deutschem Sinne und
der fünfte Act, der bloß der theatralischen Oekonomie, schließt würdig daS
Ganze ab. Wir werden auf die Einzelnheiten dieses Stückes in einer
späteren Nummer zurückkommen, weil es, obgleich keineswegs frei von
Mißgriffen, ohnstreitig eine der gelungensten und dankeswerthestcn Berei¬
cherung des deutschen Repertoirs ist.

— Von dem zweiundachtzigjährigen Dichter des Liedes: „Fröhlich und
wohlgemuth, wandelt das junge Blut", dem greisen Schmidt von Lübeck,
ist so eben die dritte Auflage seiner Gedichte (bei Hammerich in Altona)
erschienen. Wahrhaft rührend ist das letzte Lied der Sammlung: „Am
achtzigsten Geburtstag."

Der liederreiche Greis verlebt den Nest seiner Tage in Altona.
Mögen Diejenigen, die ein freundliches Wort über seine so eben ver¬
sandten Gedichte zu sagen haben, sich mit ihrer Besprechung beeilen, da¬
mit sie den Dichter noch vor Thorschluß erreichen und erfreuen.

— Wenn hundert Hennen zusammen ihre Eier in einem Hofe legen
wollten, so würde dies kein solches Gegacker geben, wie wir seit drei
Monaten über das El hören müssen, welches in Berlin in der Form
einer neuen Zeitung erscheinen soll. Die deutsche Zeitung wird erschei¬
nen — sie wird nicht erscheinen — sie wird vielleicht doch erscheinen —
sie wird wahrscheinlich nicht erscheinen — Herrn Dahlmanns Brief ist
ablehnend, Herrn Dahlmanns Brief ist zusagend — erstes Programm —
zweites Programm und so in's Unendliche! Es wundert uns nur, daß
der Michaelis-Meßkatalog nicht bereits dreißig bis vierzig Brochüren über
diese große Frage angekündigt hat. Der Oster-Meßkatalog wird hoffent¬
lich dies nachtragen — um einem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183854"/>
            <p xml:id="ID_742" prev="#ID_741"> wurde von dem übervollen Hause gleich nach dem zweiten Acte gerufen<lb/>
und am Schlüsse des Stückes noch einmal; auch die Schauspieler mu߬<lb/>
ten mehreremals erscheinen und die Darstellerin der Gräfin von Hohen-<lb/>
heim wurde im vierten Acte sogar bei offener Scene gerufen. Dieser<lb/>
vierte Act ist der glänzendste Punkt des Stückes und ist nicht nur das<lb/>
Beste, was Laube bisher geschrieben hat, sondern überhaupt eine der ge¬<lb/>
lungensten Proouctionen der jüngern Dramatik. Bis zum vierten Acte<lb/>
sind die &#x201E;Karlsschüler" ein gutcomponirtes Jntriguenstück in Scribeschem<lb/>
Genre mit mehrern sehr picanten Scenen (namentlich jener, wo Schiller<lb/>
das Schubartische Gedicht die &#x201E;Fürstengruft" in Gegenwart des Herzogs<lb/>
lesen muß) und fortwährender Spannung, aber ohne jene höchste Auf¬<lb/>
gabe zu lösen, die wir bei einem Drama voraussetzen, dessen Held der<lb/>
schwungvollste und edelste deutsche Dichter ist. Im vierten Acte aber wachst<lb/>
das Stück mit seinem Helden, der Horizont erweitert sich zu einer wahr¬<lb/>
haft schwungvollen und genialen Charakteristik; der vierte Act der &#x201E;K'.rls-<lb/>
schüler" ist eine poetische Production in ächt deutschem Sinne und<lb/>
der fünfte Act, der bloß der theatralischen Oekonomie, schließt würdig daS<lb/>
Ganze ab. Wir werden auf die Einzelnheiten dieses Stückes in einer<lb/>
späteren Nummer zurückkommen, weil es, obgleich keineswegs frei von<lb/>
Mißgriffen, ohnstreitig eine der gelungensten und dankeswerthestcn Berei¬<lb/>
cherung des deutschen Repertoirs ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_743"> &#x2014; Von dem zweiundachtzigjährigen Dichter des Liedes: &#x201E;Fröhlich und<lb/>
wohlgemuth, wandelt das junge Blut", dem greisen Schmidt von Lübeck,<lb/>
ist so eben die dritte Auflage seiner Gedichte (bei Hammerich in Altona)<lb/>
erschienen. Wahrhaft rührend ist das letzte Lied der Sammlung: &#x201E;Am<lb/>
achtzigsten Geburtstag."</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_38" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_744"> Der liederreiche Greis verlebt den Nest seiner Tage in Altona.<lb/>
Mögen Diejenigen, die ein freundliches Wort über seine so eben ver¬<lb/>
sandten Gedichte zu sagen haben, sich mit ihrer Besprechung beeilen, da¬<lb/>
mit sie den Dichter noch vor Thorschluß erreichen und erfreuen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_745"> &#x2014; Wenn hundert Hennen zusammen ihre Eier in einem Hofe legen<lb/>
wollten, so würde dies kein solches Gegacker geben, wie wir seit drei<lb/>
Monaten über das El hören müssen, welches in Berlin in der Form<lb/>
einer neuen Zeitung erscheinen soll. Die deutsche Zeitung wird erschei¬<lb/>
nen &#x2014; sie wird nicht erscheinen &#x2014; sie wird vielleicht doch erscheinen &#x2014;<lb/>
sie wird wahrscheinlich nicht erscheinen &#x2014; Herrn Dahlmanns Brief ist<lb/>
ablehnend, Herrn Dahlmanns Brief ist zusagend &#x2014; erstes Programm &#x2014;<lb/>
zweites Programm und so in's Unendliche! Es wundert uns nur, daß<lb/>
der Michaelis-Meßkatalog nicht bereits dreißig bis vierzig Brochüren über<lb/>
diese große Frage angekündigt hat. Der Oster-Meßkatalog wird hoffent¬<lb/>
lich dies nachtragen &#x2014; um einem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Verlag von Fr. Ludw. Herbig. &#x2014; Redacteur I. Kuranda.<lb/>
Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0272] wurde von dem übervollen Hause gleich nach dem zweiten Acte gerufen und am Schlüsse des Stückes noch einmal; auch die Schauspieler mu߬ ten mehreremals erscheinen und die Darstellerin der Gräfin von Hohen- heim wurde im vierten Acte sogar bei offener Scene gerufen. Dieser vierte Act ist der glänzendste Punkt des Stückes und ist nicht nur das Beste, was Laube bisher geschrieben hat, sondern überhaupt eine der ge¬ lungensten Proouctionen der jüngern Dramatik. Bis zum vierten Acte sind die „Karlsschüler" ein gutcomponirtes Jntriguenstück in Scribeschem Genre mit mehrern sehr picanten Scenen (namentlich jener, wo Schiller das Schubartische Gedicht die „Fürstengruft" in Gegenwart des Herzogs lesen muß) und fortwährender Spannung, aber ohne jene höchste Auf¬ gabe zu lösen, die wir bei einem Drama voraussetzen, dessen Held der schwungvollste und edelste deutsche Dichter ist. Im vierten Acte aber wachst das Stück mit seinem Helden, der Horizont erweitert sich zu einer wahr¬ haft schwungvollen und genialen Charakteristik; der vierte Act der „K'.rls- schüler" ist eine poetische Production in ächt deutschem Sinne und der fünfte Act, der bloß der theatralischen Oekonomie, schließt würdig daS Ganze ab. Wir werden auf die Einzelnheiten dieses Stückes in einer späteren Nummer zurückkommen, weil es, obgleich keineswegs frei von Mißgriffen, ohnstreitig eine der gelungensten und dankeswerthestcn Berei¬ cherung des deutschen Repertoirs ist. — Von dem zweiundachtzigjährigen Dichter des Liedes: „Fröhlich und wohlgemuth, wandelt das junge Blut", dem greisen Schmidt von Lübeck, ist so eben die dritte Auflage seiner Gedichte (bei Hammerich in Altona) erschienen. Wahrhaft rührend ist das letzte Lied der Sammlung: „Am achtzigsten Geburtstag." Der liederreiche Greis verlebt den Nest seiner Tage in Altona. Mögen Diejenigen, die ein freundliches Wort über seine so eben ver¬ sandten Gedichte zu sagen haben, sich mit ihrer Besprechung beeilen, da¬ mit sie den Dichter noch vor Thorschluß erreichen und erfreuen. — Wenn hundert Hennen zusammen ihre Eier in einem Hofe legen wollten, so würde dies kein solches Gegacker geben, wie wir seit drei Monaten über das El hören müssen, welches in Berlin in der Form einer neuen Zeitung erscheinen soll. Die deutsche Zeitung wird erschei¬ nen — sie wird nicht erscheinen — sie wird vielleicht doch erscheinen — sie wird wahrscheinlich nicht erscheinen — Herrn Dahlmanns Brief ist ablehnend, Herrn Dahlmanns Brief ist zusagend — erstes Programm — zweites Programm und so in's Unendliche! Es wundert uns nur, daß der Michaelis-Meßkatalog nicht bereits dreißig bis vierzig Brochüren über diese große Frage angekündigt hat. Der Oster-Meßkatalog wird hoffent¬ lich dies nachtragen — um einem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/272
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/272>, abgerufen am 23.07.2024.