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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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benius und Beck, sind mit die liberalsten , dem Fortschritt ergebensten
Männer, die an der Spitze einer deutschen Verwaltung stehen; ja, wir
behaupten sogar, daß, so lange alle übrigen deutschen Verhältnisse der
Art sind, wie es jetzt noch der Fall ist, und so lange der deutsche Bund
sein bisher befolgtes Princip nicht aufgibt, es für den Minister eines
kleinen deutschen Staats, der durch unendlich viele Verhältnisse ge¬
bunden, eine Unmöglichkeit ist, den Fortschritt in jeder Weise mehr zu
begünstigen, wie es Nebeniuö thut. Darum wurde seine Erwählung
im ganzen Lande von der liberalen Partei mit Freude begrüßt, lind
man betrachtete sie mit Recht als ein Zugeständniß, das die Regie¬
rung der Opposition, die den früher mächtigen Minister von Vlitters-
dorf vom Posten gedrängt, aus Noth gemacht hatte. "Nur wir, die
Opposition, haben das Ministerium Beck-Nebenius geschaffen, und wir
halten es auch trotz der ihm feindlichen reactionaircu Partei, dem es
viel zu liberal ist, denn man soll einsehen, daß es das einzige Mini¬
sterium ist, was mit uns fertig zu werden vermag!" dies sind die Worte
eines der Führer der badischen Opposition. Deshalb hat auch das
Ministerium in der entscheidenden Budget-Bewilligung mit bedeutender
Majorität seinen Willen durchgesetzt, obgleich ja sonst in der Kam¬
mer die Opposition stärker als die ministerielle Seite war. Wenn
trotzdem das Ministerium in jeder Sitzung sehr heftige Angriffe er¬
fahren mußte, so geschah dies theils, um es mit Gewalt fortzutrei¬
ben mehr und mehr zu bewillige,,, theils um die reactionaire Hof"
und Adelspartei einzuschüchtern, damit sie ja dies Ministerium, was
doch noch diesen Stürmen Trotz zu bieten vermochte, nicht wieder ver¬
dränge, um eins nach ihrem Sinne zu bilden, theils aber auch aus
alter Angewohnheit einzelner Redner, die nun einmal nicht anders zu
sprechen vermögen. Hierin haben viele Oppositionsredner gar arge
Verstöße begangen und sich und ihrer ganzen Sache dadurch unendlich
geschadet. Der allgemein geachtete Greis Nebenius hat Worte, wie
"Büberei" und "Schandthat" in Empfang nehmen müssen (?), so daß er
wiederholt den Großherzog um seine Entlassung gebeten hat. Es hätte
aber der radikalen Opposition kein härterer Schlag geschehen können,
der ihr mehr im ganzen Lande geschadet hätte, als wenn es geheißen,
sie habe das Ministerium NebeniuS gestürzt, daher diese Entlassungs¬
gesuche große Bestürzung bei ihr erregten; aber im ganzen übrigen
Deutschland, namentlich in den nicht konstitutionellen norddeutschen
Staaten, haben diese einzelnen unangemessenen heftigen Reden bei al¬
len Freunden des Fortschritts einen peinlichen, bei allen Feinden dessel-


benius und Beck, sind mit die liberalsten , dem Fortschritt ergebensten
Männer, die an der Spitze einer deutschen Verwaltung stehen; ja, wir
behaupten sogar, daß, so lange alle übrigen deutschen Verhältnisse der
Art sind, wie es jetzt noch der Fall ist, und so lange der deutsche Bund
sein bisher befolgtes Princip nicht aufgibt, es für den Minister eines
kleinen deutschen Staats, der durch unendlich viele Verhältnisse ge¬
bunden, eine Unmöglichkeit ist, den Fortschritt in jeder Weise mehr zu
begünstigen, wie es Nebeniuö thut. Darum wurde seine Erwählung
im ganzen Lande von der liberalen Partei mit Freude begrüßt, lind
man betrachtete sie mit Recht als ein Zugeständniß, das die Regie¬
rung der Opposition, die den früher mächtigen Minister von Vlitters-
dorf vom Posten gedrängt, aus Noth gemacht hatte. „Nur wir, die
Opposition, haben das Ministerium Beck-Nebenius geschaffen, und wir
halten es auch trotz der ihm feindlichen reactionaircu Partei, dem es
viel zu liberal ist, denn man soll einsehen, daß es das einzige Mini¬
sterium ist, was mit uns fertig zu werden vermag!" dies sind die Worte
eines der Führer der badischen Opposition. Deshalb hat auch das
Ministerium in der entscheidenden Budget-Bewilligung mit bedeutender
Majorität seinen Willen durchgesetzt, obgleich ja sonst in der Kam¬
mer die Opposition stärker als die ministerielle Seite war. Wenn
trotzdem das Ministerium in jeder Sitzung sehr heftige Angriffe er¬
fahren mußte, so geschah dies theils, um es mit Gewalt fortzutrei¬
ben mehr und mehr zu bewillige,,, theils um die reactionaire Hof«
und Adelspartei einzuschüchtern, damit sie ja dies Ministerium, was
doch noch diesen Stürmen Trotz zu bieten vermochte, nicht wieder ver¬
dränge, um eins nach ihrem Sinne zu bilden, theils aber auch aus
alter Angewohnheit einzelner Redner, die nun einmal nicht anders zu
sprechen vermögen. Hierin haben viele Oppositionsredner gar arge
Verstöße begangen und sich und ihrer ganzen Sache dadurch unendlich
geschadet. Der allgemein geachtete Greis Nebenius hat Worte, wie
„Büberei" und „Schandthat" in Empfang nehmen müssen (?), so daß er
wiederholt den Großherzog um seine Entlassung gebeten hat. Es hätte
aber der radikalen Opposition kein härterer Schlag geschehen können,
der ihr mehr im ganzen Lande geschadet hätte, als wenn es geheißen,
sie habe das Ministerium NebeniuS gestürzt, daher diese Entlassungs¬
gesuche große Bestürzung bei ihr erregten; aber im ganzen übrigen
Deutschland, namentlich in den nicht konstitutionellen norddeutschen
Staaten, haben diese einzelnen unangemessenen heftigen Reden bei al¬
len Freunden des Fortschritts einen peinlichen, bei allen Feinden dessel-


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[0236] benius und Beck, sind mit die liberalsten , dem Fortschritt ergebensten Männer, die an der Spitze einer deutschen Verwaltung stehen; ja, wir behaupten sogar, daß, so lange alle übrigen deutschen Verhältnisse der Art sind, wie es jetzt noch der Fall ist, und so lange der deutsche Bund sein bisher befolgtes Princip nicht aufgibt, es für den Minister eines kleinen deutschen Staats, der durch unendlich viele Verhältnisse ge¬ bunden, eine Unmöglichkeit ist, den Fortschritt in jeder Weise mehr zu begünstigen, wie es Nebeniuö thut. Darum wurde seine Erwählung im ganzen Lande von der liberalen Partei mit Freude begrüßt, lind man betrachtete sie mit Recht als ein Zugeständniß, das die Regie¬ rung der Opposition, die den früher mächtigen Minister von Vlitters- dorf vom Posten gedrängt, aus Noth gemacht hatte. „Nur wir, die Opposition, haben das Ministerium Beck-Nebenius geschaffen, und wir halten es auch trotz der ihm feindlichen reactionaircu Partei, dem es viel zu liberal ist, denn man soll einsehen, daß es das einzige Mini¬ sterium ist, was mit uns fertig zu werden vermag!" dies sind die Worte eines der Führer der badischen Opposition. Deshalb hat auch das Ministerium in der entscheidenden Budget-Bewilligung mit bedeutender Majorität seinen Willen durchgesetzt, obgleich ja sonst in der Kam¬ mer die Opposition stärker als die ministerielle Seite war. Wenn trotzdem das Ministerium in jeder Sitzung sehr heftige Angriffe er¬ fahren mußte, so geschah dies theils, um es mit Gewalt fortzutrei¬ ben mehr und mehr zu bewillige,,, theils um die reactionaire Hof« und Adelspartei einzuschüchtern, damit sie ja dies Ministerium, was doch noch diesen Stürmen Trotz zu bieten vermochte, nicht wieder ver¬ dränge, um eins nach ihrem Sinne zu bilden, theils aber auch aus alter Angewohnheit einzelner Redner, die nun einmal nicht anders zu sprechen vermögen. Hierin haben viele Oppositionsredner gar arge Verstöße begangen und sich und ihrer ganzen Sache dadurch unendlich geschadet. Der allgemein geachtete Greis Nebenius hat Worte, wie „Büberei" und „Schandthat" in Empfang nehmen müssen (?), so daß er wiederholt den Großherzog um seine Entlassung gebeten hat. Es hätte aber der radikalen Opposition kein härterer Schlag geschehen können, der ihr mehr im ganzen Lande geschadet hätte, als wenn es geheißen, sie habe das Ministerium NebeniuS gestürzt, daher diese Entlassungs¬ gesuche große Bestürzung bei ihr erregten; aber im ganzen übrigen Deutschland, namentlich in den nicht konstitutionellen norddeutschen Staaten, haben diese einzelnen unangemessenen heftigen Reden bei al¬ len Freunden des Fortschritts einen peinlichen, bei allen Feinden dessel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/236>, abgerufen am 26.08.2024.