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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Die bairische und badtsche zweite Kammer.



Die zwei wichtigen süddeutschen Kammern, an die gar viele Hoff¬
nungen sich knüpften, haben ihre Arbeiten in diesen, Jahre beendet.
Da wir beide ans eigner langer Beobachtung genauer kennen, so
wollen nur hier in kurzen Umrissen eine vergleichende Charakteristik der¬
selben zu geben versuchen.

Baden hat unter den neuern deutschen Constitutionen, Kurhessen
abgerechnet, die freisinnigste, Baiern die feudalistischste Wahlordnung.
In Baden wählt das ganze Volk sich frei feine Abgeordneten, die nur
das badische Bürgerrecht zu besitzen und einen höchst niedrigen Steuer¬
satz zu zahlen brauchen; in Baiern wählen bestimmte Stände sich ihre
bestimmten Vertreter, die zu dem Stande, von dem sie erwählt werden,
gehören und in dem Kreise, wo dies geschieht, angesessen sein müssen.
Dort wird daher die Intelligenz, hier der Besitz mehr repräsentirt, dort
ist mehr Theorie, hier mehr Praris. Eine Oppositionspartei bildet
sich bei diesen Wahlgesetzen natürlich leichter in Baden als in Baiern.
Jene hat über mehr geistige Mittel zu gebieten und vermag nach be¬
stimmten Plänen zu handeln; da die Mitglieder sich schon'von früher ge¬
nauer kennen, können sie sich bei ihrer Wählbarkeit gegenseitig unterstützen
und auf jede Weise mehr zusammenhalten. In Baiern ist dies schwerer
der Fall; Adel, Geistlichkeit, Universitäten, Städte und Landgemeinden
wählen sämmtlich unabhängig voneinander ihre Vertreter, Männer, die
sich sonst im Leben fern flehen, oft sich kreuzende Interessen zu vertre¬
ten haben, bei der größern Ausdehnung des Königreichs weit voneinander
entfernt wohnen, ja bisweilen an dem Einflüsse provinzieller Eifer¬
süchtelei leiden. Von den badischen Deputirten z. B. wohnen 9 in
Mannheim, 5 in dem nahen Heidelberg. 6 -- 8 in Karlsruhe; die
bairischen sind vom Böhmerwald bis zum Bodensee, von der französischen
bis zur sächsischen Grenze zerstreut ; in Baden sind fast ein Drittheil Ad-


Grcnzvotc,,.-IV. ZI
Die bairische und badtsche zweite Kammer.



Die zwei wichtigen süddeutschen Kammern, an die gar viele Hoff¬
nungen sich knüpften, haben ihre Arbeiten in diesen, Jahre beendet.
Da wir beide ans eigner langer Beobachtung genauer kennen, so
wollen nur hier in kurzen Umrissen eine vergleichende Charakteristik der¬
selben zu geben versuchen.

Baden hat unter den neuern deutschen Constitutionen, Kurhessen
abgerechnet, die freisinnigste, Baiern die feudalistischste Wahlordnung.
In Baden wählt das ganze Volk sich frei feine Abgeordneten, die nur
das badische Bürgerrecht zu besitzen und einen höchst niedrigen Steuer¬
satz zu zahlen brauchen; in Baiern wählen bestimmte Stände sich ihre
bestimmten Vertreter, die zu dem Stande, von dem sie erwählt werden,
gehören und in dem Kreise, wo dies geschieht, angesessen sein müssen.
Dort wird daher die Intelligenz, hier der Besitz mehr repräsentirt, dort
ist mehr Theorie, hier mehr Praris. Eine Oppositionspartei bildet
sich bei diesen Wahlgesetzen natürlich leichter in Baden als in Baiern.
Jene hat über mehr geistige Mittel zu gebieten und vermag nach be¬
stimmten Plänen zu handeln; da die Mitglieder sich schon'von früher ge¬
nauer kennen, können sie sich bei ihrer Wählbarkeit gegenseitig unterstützen
und auf jede Weise mehr zusammenhalten. In Baiern ist dies schwerer
der Fall; Adel, Geistlichkeit, Universitäten, Städte und Landgemeinden
wählen sämmtlich unabhängig voneinander ihre Vertreter, Männer, die
sich sonst im Leben fern flehen, oft sich kreuzende Interessen zu vertre¬
ten haben, bei der größern Ausdehnung des Königreichs weit voneinander
entfernt wohnen, ja bisweilen an dem Einflüsse provinzieller Eifer¬
süchtelei leiden. Von den badischen Deputirten z. B. wohnen 9 in
Mannheim, 5 in dem nahen Heidelberg. 6 — 8 in Karlsruhe; die
bairischen sind vom Böhmerwald bis zum Bodensee, von der französischen
bis zur sächsischen Grenze zerstreut ; in Baden sind fast ein Drittheil Ad-


Grcnzvotc,,.-IV. ZI
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[0229] Die bairische und badtsche zweite Kammer. Die zwei wichtigen süddeutschen Kammern, an die gar viele Hoff¬ nungen sich knüpften, haben ihre Arbeiten in diesen, Jahre beendet. Da wir beide ans eigner langer Beobachtung genauer kennen, so wollen nur hier in kurzen Umrissen eine vergleichende Charakteristik der¬ selben zu geben versuchen. Baden hat unter den neuern deutschen Constitutionen, Kurhessen abgerechnet, die freisinnigste, Baiern die feudalistischste Wahlordnung. In Baden wählt das ganze Volk sich frei feine Abgeordneten, die nur das badische Bürgerrecht zu besitzen und einen höchst niedrigen Steuer¬ satz zu zahlen brauchen; in Baiern wählen bestimmte Stände sich ihre bestimmten Vertreter, die zu dem Stande, von dem sie erwählt werden, gehören und in dem Kreise, wo dies geschieht, angesessen sein müssen. Dort wird daher die Intelligenz, hier der Besitz mehr repräsentirt, dort ist mehr Theorie, hier mehr Praris. Eine Oppositionspartei bildet sich bei diesen Wahlgesetzen natürlich leichter in Baden als in Baiern. Jene hat über mehr geistige Mittel zu gebieten und vermag nach be¬ stimmten Plänen zu handeln; da die Mitglieder sich schon'von früher ge¬ nauer kennen, können sie sich bei ihrer Wählbarkeit gegenseitig unterstützen und auf jede Weise mehr zusammenhalten. In Baiern ist dies schwerer der Fall; Adel, Geistlichkeit, Universitäten, Städte und Landgemeinden wählen sämmtlich unabhängig voneinander ihre Vertreter, Männer, die sich sonst im Leben fern flehen, oft sich kreuzende Interessen zu vertre¬ ten haben, bei der größern Ausdehnung des Königreichs weit voneinander entfernt wohnen, ja bisweilen an dem Einflüsse provinzieller Eifer¬ süchtelei leiden. Von den badischen Deputirten z. B. wohnen 9 in Mannheim, 5 in dem nahen Heidelberg. 6 — 8 in Karlsruhe; die bairischen sind vom Böhmerwald bis zum Bodensee, von der französischen bis zur sächsischen Grenze zerstreut ; in Baden sind fast ein Drittheil Ad- Grcnzvotc,,.-IV. ZI

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/229>, abgerufen am 23.07.2024.