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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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besiegt und vernichtet, von der Tücke des Klimas unterstützt, ein Heer
derselben Soldaten, die am Rhein, in Italien, an den Pyramiden hun¬
dertfache Triumphe errungen und entreißt die "Perle unter den Colonier""
demselben allmächtigen Manne, vor dem alle Fürsten Europas zittern.

Und durch alle diese Kampfe, furchtbar wie sie vielleicht noch nir¬
gend gekämpft wurden, durch diese ganze Entwickelung, selbst in ihrer heu¬
tigen Fortsetzung, zieht sich eine durchaus einzige Eigenthümlichkeit; die
streitenden Parteien sind hier nicht blos durch Interessen, sondern durch
eine Naturverschiedenheit, durch die Race geschieden.
'

Die Geschichte Hapelö ist zugleich ein großes Stück Naturge¬
schichte des Menschen. Sie führt einen Beweis, schlagender denn
alle Gründe, welche bisher die Wissenschaft für und wider geltend gemacht,
den Beweis, daß alle Formen des Menschentypus gleichermaßen befähigt
sind, theilzunehmen an den höchsten Genüssen, mitzuwirken an den höch¬
sten Leistungen unseres Geschlechts. Denn sie zeigt uns, wie unter den
allerungünstigsten Bedingungen die verachtete Race, obgleich nicht nur
durch keine Schule der Bildung langsam emporgeführt, sondern sogar
mit grauenvoller Absicht verwahrlost, sich mit einem Ruck emporringe
aus der aufgedrungenen Verworfenheit und aufs Tiefste ergriffen und
begeistert wird von dem Gedanken der Freiheit. Dieselben Männer,
welche man ihrer wilden Heimath entrissen, um sie als Bich zu verkau¬
fen, die der Uebermuth der Weißen für ein Mittelding zwischen Mensch
und Affe erklärt, dieselben Männer sehen wir, den Rücken noch zernarbt
von der Sklavenpeitsche, auftreten als begabte Feldherren und geniale
Begründer einer neuen, völlig unvorbereiteter gesellschaftlichen Ordnung.

Gewiß, wenn irgend eine, so ist diese Geschichte, deren Charakter
ich mit flüchtigen Strichen angedeutet, unserer Theilnahme und wissen¬
schaftlichen Betrachtung würdig.

Doch außer dem Interesse, das sie rein um ihrer selbst willen ver¬
dient, hat sie noch ein zweites nicht minder großes, das auf ihren Be¬
ziehungen zu den Fragen beruht, die jetzt die alte Welt gewaltig bewegen.

Der Nerv dieser Geschichte ist die Ueberwindung der Sklaverei. Die
Sklaverei beginnt aber nicht erst mit dem Negerhandel. Dieser ist im
Wesentlichen und seiner Entstehung nach nichts Anderes, als die euro¬
päische Leibeigenschaft, nur in vollendet ausgeprägter, schamlos enthüllter
Gestalt nach der neuen Welt übertragen. Ebenso aber Hort die Sklave¬
rei noch nicht auf mit der Aufhebung des Menschenhandels und der
Selbstbefreiung oder Freilassung der Schwarzen. Die Zahl der weißen
Sklaven ist unvergleichlich größer und für ihre Emancipation wird noch
nichts gethan. Während die amerikanische Sklaverei eine mehr gewalt¬
sam und plötzlich eingeführte ist, ist die europäische, der nur der einge¬
standene Name, nicht die Gräßlichkeit fehlt, eine natur- oder richtiger
kulturwüchsige, durch den Entwickelungsgang der Industrie allmälig erzeugte.

Was hierin auf Hapel geschehen, ist ein sprechendes, warnendes
Beispiel für Europa.

Europa steht auf einer schwindelnden Höhe der Cultur, aber ihre


besiegt und vernichtet, von der Tücke des Klimas unterstützt, ein Heer
derselben Soldaten, die am Rhein, in Italien, an den Pyramiden hun¬
dertfache Triumphe errungen und entreißt die „Perle unter den Colonier»"
demselben allmächtigen Manne, vor dem alle Fürsten Europas zittern.

Und durch alle diese Kampfe, furchtbar wie sie vielleicht noch nir¬
gend gekämpft wurden, durch diese ganze Entwickelung, selbst in ihrer heu¬
tigen Fortsetzung, zieht sich eine durchaus einzige Eigenthümlichkeit; die
streitenden Parteien sind hier nicht blos durch Interessen, sondern durch
eine Naturverschiedenheit, durch die Race geschieden.
'

Die Geschichte Hapelö ist zugleich ein großes Stück Naturge¬
schichte des Menschen. Sie führt einen Beweis, schlagender denn
alle Gründe, welche bisher die Wissenschaft für und wider geltend gemacht,
den Beweis, daß alle Formen des Menschentypus gleichermaßen befähigt
sind, theilzunehmen an den höchsten Genüssen, mitzuwirken an den höch¬
sten Leistungen unseres Geschlechts. Denn sie zeigt uns, wie unter den
allerungünstigsten Bedingungen die verachtete Race, obgleich nicht nur
durch keine Schule der Bildung langsam emporgeführt, sondern sogar
mit grauenvoller Absicht verwahrlost, sich mit einem Ruck emporringe
aus der aufgedrungenen Verworfenheit und aufs Tiefste ergriffen und
begeistert wird von dem Gedanken der Freiheit. Dieselben Männer,
welche man ihrer wilden Heimath entrissen, um sie als Bich zu verkau¬
fen, die der Uebermuth der Weißen für ein Mittelding zwischen Mensch
und Affe erklärt, dieselben Männer sehen wir, den Rücken noch zernarbt
von der Sklavenpeitsche, auftreten als begabte Feldherren und geniale
Begründer einer neuen, völlig unvorbereiteter gesellschaftlichen Ordnung.

Gewiß, wenn irgend eine, so ist diese Geschichte, deren Charakter
ich mit flüchtigen Strichen angedeutet, unserer Theilnahme und wissen¬
schaftlichen Betrachtung würdig.

Doch außer dem Interesse, das sie rein um ihrer selbst willen ver¬
dient, hat sie noch ein zweites nicht minder großes, das auf ihren Be¬
ziehungen zu den Fragen beruht, die jetzt die alte Welt gewaltig bewegen.

Der Nerv dieser Geschichte ist die Ueberwindung der Sklaverei. Die
Sklaverei beginnt aber nicht erst mit dem Negerhandel. Dieser ist im
Wesentlichen und seiner Entstehung nach nichts Anderes, als die euro¬
päische Leibeigenschaft, nur in vollendet ausgeprägter, schamlos enthüllter
Gestalt nach der neuen Welt übertragen. Ebenso aber Hort die Sklave¬
rei noch nicht auf mit der Aufhebung des Menschenhandels und der
Selbstbefreiung oder Freilassung der Schwarzen. Die Zahl der weißen
Sklaven ist unvergleichlich größer und für ihre Emancipation wird noch
nichts gethan. Während die amerikanische Sklaverei eine mehr gewalt¬
sam und plötzlich eingeführte ist, ist die europäische, der nur der einge¬
standene Name, nicht die Gräßlichkeit fehlt, eine natur- oder richtiger
kulturwüchsige, durch den Entwickelungsgang der Industrie allmälig erzeugte.

Was hierin auf Hapel geschehen, ist ein sprechendes, warnendes
Beispiel für Europa.

Europa steht auf einer schwindelnden Höhe der Cultur, aber ihre


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[0178] besiegt und vernichtet, von der Tücke des Klimas unterstützt, ein Heer derselben Soldaten, die am Rhein, in Italien, an den Pyramiden hun¬ dertfache Triumphe errungen und entreißt die „Perle unter den Colonier»" demselben allmächtigen Manne, vor dem alle Fürsten Europas zittern. Und durch alle diese Kampfe, furchtbar wie sie vielleicht noch nir¬ gend gekämpft wurden, durch diese ganze Entwickelung, selbst in ihrer heu¬ tigen Fortsetzung, zieht sich eine durchaus einzige Eigenthümlichkeit; die streitenden Parteien sind hier nicht blos durch Interessen, sondern durch eine Naturverschiedenheit, durch die Race geschieden. ' Die Geschichte Hapelö ist zugleich ein großes Stück Naturge¬ schichte des Menschen. Sie führt einen Beweis, schlagender denn alle Gründe, welche bisher die Wissenschaft für und wider geltend gemacht, den Beweis, daß alle Formen des Menschentypus gleichermaßen befähigt sind, theilzunehmen an den höchsten Genüssen, mitzuwirken an den höch¬ sten Leistungen unseres Geschlechts. Denn sie zeigt uns, wie unter den allerungünstigsten Bedingungen die verachtete Race, obgleich nicht nur durch keine Schule der Bildung langsam emporgeführt, sondern sogar mit grauenvoller Absicht verwahrlost, sich mit einem Ruck emporringe aus der aufgedrungenen Verworfenheit und aufs Tiefste ergriffen und begeistert wird von dem Gedanken der Freiheit. Dieselben Männer, welche man ihrer wilden Heimath entrissen, um sie als Bich zu verkau¬ fen, die der Uebermuth der Weißen für ein Mittelding zwischen Mensch und Affe erklärt, dieselben Männer sehen wir, den Rücken noch zernarbt von der Sklavenpeitsche, auftreten als begabte Feldherren und geniale Begründer einer neuen, völlig unvorbereiteter gesellschaftlichen Ordnung. Gewiß, wenn irgend eine, so ist diese Geschichte, deren Charakter ich mit flüchtigen Strichen angedeutet, unserer Theilnahme und wissen¬ schaftlichen Betrachtung würdig. Doch außer dem Interesse, das sie rein um ihrer selbst willen ver¬ dient, hat sie noch ein zweites nicht minder großes, das auf ihren Be¬ ziehungen zu den Fragen beruht, die jetzt die alte Welt gewaltig bewegen. Der Nerv dieser Geschichte ist die Ueberwindung der Sklaverei. Die Sklaverei beginnt aber nicht erst mit dem Negerhandel. Dieser ist im Wesentlichen und seiner Entstehung nach nichts Anderes, als die euro¬ päische Leibeigenschaft, nur in vollendet ausgeprägter, schamlos enthüllter Gestalt nach der neuen Welt übertragen. Ebenso aber Hort die Sklave¬ rei noch nicht auf mit der Aufhebung des Menschenhandels und der Selbstbefreiung oder Freilassung der Schwarzen. Die Zahl der weißen Sklaven ist unvergleichlich größer und für ihre Emancipation wird noch nichts gethan. Während die amerikanische Sklaverei eine mehr gewalt¬ sam und plötzlich eingeführte ist, ist die europäische, der nur der einge¬ standene Name, nicht die Gräßlichkeit fehlt, eine natur- oder richtiger kulturwüchsige, durch den Entwickelungsgang der Industrie allmälig erzeugte. Was hierin auf Hapel geschehen, ist ein sprechendes, warnendes Beispiel für Europa. Europa steht auf einer schwindelnden Höhe der Cultur, aber ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/178>, abgerufen am 26.08.2024.