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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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machen. Arme Lise! seufzte ich, so ist unser Lustschloß eingefallen, 's
soll einmal nicht geheirathet werden!

Meine Erbschaftsangelegenheiten waren indessen günstiger ausge¬
fallen, als ich ursprünglich gedacht. Unverhofftes Glück macht den
Menschen gewöhnlich üppig, ich machte keine Ausnahme. Mein Wirth
beredete mich, ein Billet zu einem Maskenbälle für denselben Abend
zu kaufen, und ich ließ mich endlich dazu bewegen. Du mußt Dich
recht fein machen, dachte ich, und bestimmte mich endlich für einen
ganz schwarzen Anzug, ich glaube der Maskenjude nannte es einen
Verrinn. Meine "reizende, jugendliche" Gestalt umfloß ein langer,
schwarzseidener Mantel, ein Barret, mit Flor umwunden und schwar¬
zer, weitnickender Straußfeder geziert, bedeckte meine Locken. Als ich
mich nun vor ven Spiegel bewunderte, ward ich so heiter, daß ich
beschloß, mein glänzendes Auftreten mit dem Genuß einer Flasche
Weins zu eröffnen. Der Wein war sehr gut und mundete vortreff¬
lich, allein er hatte meine Lebensgeister dermaßen verwirrt, daß ich
eine falsche Richtung nach dem mir bezeichneten Hotel einschlug. Nach¬
dem ich mich in den vielen, mir unbekannten Straßen glücklich ver¬
wickelt und noch obendrein den Namen jenes Hotels vergessen hatte,
kam ich plötzlich auf den schlauen Gedanken, mich in eine der vor-
überfahrenden Droschken zu setzen. Aber der Kutscher wollte von ei¬
nem Maskenbälle nichts wissen, und ich war nahe daran, vor Wuth
und Verzweiflung wieder nüchtern zu werden, da sehe ich zum Glück
oder Unglück einen dicken, freundlichen Herrn aus ein spanisches Rohr
gelehnt müßig an einer Straßenecke stehen, legte mich aus dem Wa¬
gen hervor und frug ihn, ob er vielleicht den Ort des heutigen Mas¬
kenballes wisse; er nannte mir richtig den vergessenen Namen des Ho¬
tels und suchte mir durch die Bewegungen seines Nohrstockes die Win¬
dungen der Straßen anschaulich zu machen, als plötzlich eine elegante
Chaise an uns vorübereilt.

"Folgen Sie nur dieser Portechaise, sie wird Sie richtig in das
Hotel bringen," ruft mir der dicke Herr mit dem Rohrstocke zu; ich
greife dankend an den Hut und meine Droschke eilt den keuchenden
Lastträgern nach. Diese verfolgen die mir beschriebene Richtung und
wir kommen vor einem stattlichen Gebäude an, dessen lange Fenster¬
reihen einen hellen Glanz in die Straße werfen. Die Chaise hält in
der Hausflur, ein fein gekleideter, junger Mann steigt aus, ich be¬
zahle meinen Kutscher und folge jenem die Treppe aufwärts. Ein
geschmackvoll decorirter Vorsaal wird erreicht, es warten dort eine An-


machen. Arme Lise! seufzte ich, so ist unser Lustschloß eingefallen, 's
soll einmal nicht geheirathet werden!

Meine Erbschaftsangelegenheiten waren indessen günstiger ausge¬
fallen, als ich ursprünglich gedacht. Unverhofftes Glück macht den
Menschen gewöhnlich üppig, ich machte keine Ausnahme. Mein Wirth
beredete mich, ein Billet zu einem Maskenbälle für denselben Abend
zu kaufen, und ich ließ mich endlich dazu bewegen. Du mußt Dich
recht fein machen, dachte ich, und bestimmte mich endlich für einen
ganz schwarzen Anzug, ich glaube der Maskenjude nannte es einen
Verrinn. Meine „reizende, jugendliche" Gestalt umfloß ein langer,
schwarzseidener Mantel, ein Barret, mit Flor umwunden und schwar¬
zer, weitnickender Straußfeder geziert, bedeckte meine Locken. Als ich
mich nun vor ven Spiegel bewunderte, ward ich so heiter, daß ich
beschloß, mein glänzendes Auftreten mit dem Genuß einer Flasche
Weins zu eröffnen. Der Wein war sehr gut und mundete vortreff¬
lich, allein er hatte meine Lebensgeister dermaßen verwirrt, daß ich
eine falsche Richtung nach dem mir bezeichneten Hotel einschlug. Nach¬
dem ich mich in den vielen, mir unbekannten Straßen glücklich ver¬
wickelt und noch obendrein den Namen jenes Hotels vergessen hatte,
kam ich plötzlich auf den schlauen Gedanken, mich in eine der vor-
überfahrenden Droschken zu setzen. Aber der Kutscher wollte von ei¬
nem Maskenbälle nichts wissen, und ich war nahe daran, vor Wuth
und Verzweiflung wieder nüchtern zu werden, da sehe ich zum Glück
oder Unglück einen dicken, freundlichen Herrn aus ein spanisches Rohr
gelehnt müßig an einer Straßenecke stehen, legte mich aus dem Wa¬
gen hervor und frug ihn, ob er vielleicht den Ort des heutigen Mas¬
kenballes wisse; er nannte mir richtig den vergessenen Namen des Ho¬
tels und suchte mir durch die Bewegungen seines Nohrstockes die Win¬
dungen der Straßen anschaulich zu machen, als plötzlich eine elegante
Chaise an uns vorübereilt.

„Folgen Sie nur dieser Portechaise, sie wird Sie richtig in das
Hotel bringen," ruft mir der dicke Herr mit dem Rohrstocke zu; ich
greife dankend an den Hut und meine Droschke eilt den keuchenden
Lastträgern nach. Diese verfolgen die mir beschriebene Richtung und
wir kommen vor einem stattlichen Gebäude an, dessen lange Fenster¬
reihen einen hellen Glanz in die Straße werfen. Die Chaise hält in
der Hausflur, ein fein gekleideter, junger Mann steigt aus, ich be¬
zahle meinen Kutscher und folge jenem die Treppe aufwärts. Ein
geschmackvoll decorirter Vorsaal wird erreicht, es warten dort eine An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/558>, abgerufen am 27.11.2024.