Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.Goethe an Frau von Grotthuß, I. Weimar, den 9. Februar 1797. Was werden Sie sagen? wertheste Frau, wenn ich Ihnen er¬ Goethe an Frau von Grotthuß, I. Weimar, den 9. Februar 1797. Was werden Sie sagen? wertheste Frau, wenn ich Ihnen er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182933"/> <div n="2"> <head> Goethe an Frau von Grotthuß,</head><lb/> <div n="3"> <head> I.</head><lb/> <p xml:id="ID_1454"> Weimar, den 9. Februar 1797.</p><lb/> <p xml:id="ID_1455" next="#ID_1456"> Was werden Sie sagen? wertheste Frau, wenn ich Ihnen er¬<lb/> zähle, daß zu eben der Zeit, als Ihr freundliches Röllchen auf dem<lb/> Wege zu mir war, ich ihm entgegenreifte und mich Ihnen näherte.<lb/> In Leipzig und Dessau hielt ich mich einige Zeit auf und, wäre nicht<lb/> die traurige Nachrede von dem Tode des, auch mir so theuern, Kö¬<lb/> niglichen Prinzen eben erschollen, so hätte ich mich wohl verleiten las¬<lb/> sen, weiter zu gehen, Berlin zu besuchen, mich an den kunstreichen<lb/> Darstellungen des Karnevals zu ergötzen und aus der großen Masse<lb/> interessanter Menschen, die sich dort befinden, zu den wenigen Freun¬<lb/> den, deren ich mir daselbst schmeicheln kann, vielleicht noch einige zu<lb/> erwerben. Bei meiner Rückkunft empfing ich Ihre Arbeit doppelt<lb/> freundlich, sowohl als ein Beweis Ihres in der Ferne fortdauernden<lb/> Andenkens, als auch als ein Zeugniß Ihrer völlig wieder hergestellten<lb/> Gesundheit, denn wie wollte man ohne eine glückliche Harmonie sei¬<lb/> ner Kräfte ein so angenehmes Werk hervorbringen, als dasjenige ist,<lb/> das Sie freundschaftlich für mich gearbeitet haben. Verzeihen Sie,<lb/> wenn ich Sie nicht sogleich über dessen Ankunft beruhigte, denn ich<lb/> wollte nicht einen bloßen Empfangschein überschicken, sondern zugleich<lb/> noch etwas mehr sagen, und dazu erwartet man denn lange eine<lb/> Stimmung, die nicht kommt, wenn man sie nicht zu erschaffen weiß.<lb/> Ihr zweiter Brief bestimmt meine Unentschlossenheit, und ich eile, Jh-<lb/> nen für das schöne Geschenk zu danken, das mich so oft an Ihr An¬<lb/> denken, Ihre gute Meinung und Ihr Talent erinnern wird. Wie sehr<lb/> danke ich Ihnen zugleich für den Antheil, den Sie an meinen Arbei¬<lb/> ten nehm.n. Da ein Schriftsteller sich muß gefallen lassen, daß so<lb/> manches wunderlich genug genommen und beurtheilt wird, so findet<lb/> er sich freilich sehr getröstet, wenn seine Arbeit einmal bei einem ge-<lb/> btldcten Individuo als Naturprodukt wirkt, und zwar in seiner ganzen<lb/> Breite und Tiefe. Bald sehen Sie wieder ein episches Gedicht von<lb/> mir, dem ich eine so gute Ausnahme auch in Ihrem Zirkel wünsche,<lb/> als die Neigung stark ist, womit ich es angegriffen habe und nun<lb/> bald zu vollenden hoffe. Grüßen Sie Ihre Freundin Rahel Robert,<lb/> deren ich mich noch recht gut erinnere, und gedenken meiner bei guten</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
Goethe an Frau von Grotthuß,
I.
Weimar, den 9. Februar 1797.
Was werden Sie sagen? wertheste Frau, wenn ich Ihnen er¬
zähle, daß zu eben der Zeit, als Ihr freundliches Röllchen auf dem
Wege zu mir war, ich ihm entgegenreifte und mich Ihnen näherte.
In Leipzig und Dessau hielt ich mich einige Zeit auf und, wäre nicht
die traurige Nachrede von dem Tode des, auch mir so theuern, Kö¬
niglichen Prinzen eben erschollen, so hätte ich mich wohl verleiten las¬
sen, weiter zu gehen, Berlin zu besuchen, mich an den kunstreichen
Darstellungen des Karnevals zu ergötzen und aus der großen Masse
interessanter Menschen, die sich dort befinden, zu den wenigen Freun¬
den, deren ich mir daselbst schmeicheln kann, vielleicht noch einige zu
erwerben. Bei meiner Rückkunft empfing ich Ihre Arbeit doppelt
freundlich, sowohl als ein Beweis Ihres in der Ferne fortdauernden
Andenkens, als auch als ein Zeugniß Ihrer völlig wieder hergestellten
Gesundheit, denn wie wollte man ohne eine glückliche Harmonie sei¬
ner Kräfte ein so angenehmes Werk hervorbringen, als dasjenige ist,
das Sie freundschaftlich für mich gearbeitet haben. Verzeihen Sie,
wenn ich Sie nicht sogleich über dessen Ankunft beruhigte, denn ich
wollte nicht einen bloßen Empfangschein überschicken, sondern zugleich
noch etwas mehr sagen, und dazu erwartet man denn lange eine
Stimmung, die nicht kommt, wenn man sie nicht zu erschaffen weiß.
Ihr zweiter Brief bestimmt meine Unentschlossenheit, und ich eile, Jh-
nen für das schöne Geschenk zu danken, das mich so oft an Ihr An¬
denken, Ihre gute Meinung und Ihr Talent erinnern wird. Wie sehr
danke ich Ihnen zugleich für den Antheil, den Sie an meinen Arbei¬
ten nehm.n. Da ein Schriftsteller sich muß gefallen lassen, daß so
manches wunderlich genug genommen und beurtheilt wird, so findet
er sich freilich sehr getröstet, wenn seine Arbeit einmal bei einem ge-
btldcten Individuo als Naturprodukt wirkt, und zwar in seiner ganzen
Breite und Tiefe. Bald sehen Sie wieder ein episches Gedicht von
mir, dem ich eine so gute Ausnahme auch in Ihrem Zirkel wünsche,
als die Neigung stark ist, womit ich es angegriffen habe und nun
bald zu vollenden hoffe. Grüßen Sie Ihre Freundin Rahel Robert,
deren ich mich noch recht gut erinnere, und gedenken meiner bei guten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |