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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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man die anderen betrachtet. Oesterreich hat im Ganzen und Großen al¬
lerdings ein ausgebildetes System, aber im Einzelnen sind die Maßre¬
geln im häufigen Widerspruch, nicht blos nach der Verschiedenheit der
einzelnen Provinzen, sondern selbst nach der Verschiedenheit der einzelnen
Hofstellen und dem Einwirken einzelner Persönlichkeiten. Wahrend man
z. B. in diesem Augenblicke der ungarischen Presse, die im Vergleich zu
der unsrigen fast Preßfreiheit besitzt, officielle Lobsprüche in der allgemei¬
nen Zeitung ertheilt und zwar auch der Oppositionsprefse Mäßigung und
Klugheit nachrühmt, läßt man die deutsche Presse nach wie vor in den
unwürdigsten Fesseln schmachten, verbietet man Zeitungen so schuldloser
Art, wie die Vossische und Spenersche, die notorisch kein Dutzend Exem¬
plare in Oesterreich absetzten. Was die hanseatische Presse betrifft und
die Abberufung unseres Gesandten in Hamburg, des Herrn von Kai¬
sersfeld, so muß ich allerdings einen Irrthum berichtigen, in welchem die
deutschen Zeitungen in diesem Augenblicke befangen scheinen. Herr von
Kaisersfcld ist keineswegs in Folge einer Erbitterung Oesterreichs gegen
die Hansestädte abberufen worden, vielmehr ist er schon seit längerer Zeit
zu seinem neuen Posten avancirt. Allerdings ist der interimistische Ge¬
schäftsträger, Herr von Ph. >, gleichfalls von Hamburg abgereist; dies
hat jedoch keinen politischen Grund, sondern ist blos die zufällige Bewil¬
ligung eines Urlaubs, welchen Herr von PH . . . schon drei Jahre
nachsucht. Daß noch kein anderer Gesandte nach Hamburg destgnirt
wurde, ist eine in Oesterreich, namentlich in den letzten Jahren, gewöhn¬
liche Erscheinung; auch in Turin, in Stockholm, ja sogar in London
blieb der Gesandtschaftsposten eine Zeitlang unbesetzt und in Karlsruhe
ist er's, wenn ich nicht irre, noch in diesem Augenblicke. Bei den verschiede¬
nen Intriguen, Sollicitationen und Protektoraten, die bei der Erledigung ei¬
ner solchen Stelle von den vielen Prätendenten in's Spiel gebracht werden,
wobei die ersten adeligen Familien und die einflußreichsten Personen gegen
einander Schach spielen und für einen oder den andern ihrer Schützlinge
interveniren, ist die Besetzung eines solchen Postens, wie ein langes
Kreisen durch längere Zeit ungewiß, zumal in den letzten Jahren, bei dem
vorgerückten Alter des Fürsten Staatskanzlers, die Bedenklichkeiten immer
zahlreicher werden und seine Entschließungen viel langer sich verzögern.
Daß jedoch das zufällige Jnterimisticum bei den Hansestädten zu gleicher
Zeit auch benutzt werden dürfte, um in Bezug auf die dortige Presse
strengere Maßregeln zu erlangen, ist allerdings ziemlich wahrscheinlich;
abgerufen hätte man deshalb unsere Gesandtschaft nicht, da sie aber ein¬
mal durch zufällige Verhältnisse aufgelöst ist, so wird man die Gelegen¬
heit benutzen, bevor man sie wieder organisirt. Uebrigens ist es mehr
noch die bremer Presse als die Hamburger, welche man im Auge hat und
zwar beruht auch dies auf halben und mißverstandenen Nachrichten. Es
heißt nämlich, Herr von Hormavr soll auf die Redaction der Wcser-
zeitung einen großen Einfluß üben und man will hieraus auf einen
feindseligem Ton dieses Blattes schließen. Allein, soviel ich mich persön¬
lich aus dieser Zeitung im Vergleiche zu den übrigen überzeugt habe,
herrscht darin eine auch nicht ein Haar breit feindseligere Gesinnung ge-


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man die anderen betrachtet. Oesterreich hat im Ganzen und Großen al¬
lerdings ein ausgebildetes System, aber im Einzelnen sind die Maßre¬
geln im häufigen Widerspruch, nicht blos nach der Verschiedenheit der
einzelnen Provinzen, sondern selbst nach der Verschiedenheit der einzelnen
Hofstellen und dem Einwirken einzelner Persönlichkeiten. Wahrend man
z. B. in diesem Augenblicke der ungarischen Presse, die im Vergleich zu
der unsrigen fast Preßfreiheit besitzt, officielle Lobsprüche in der allgemei¬
nen Zeitung ertheilt und zwar auch der Oppositionsprefse Mäßigung und
Klugheit nachrühmt, läßt man die deutsche Presse nach wie vor in den
unwürdigsten Fesseln schmachten, verbietet man Zeitungen so schuldloser
Art, wie die Vossische und Spenersche, die notorisch kein Dutzend Exem¬
plare in Oesterreich absetzten. Was die hanseatische Presse betrifft und
die Abberufung unseres Gesandten in Hamburg, des Herrn von Kai¬
sersfeld, so muß ich allerdings einen Irrthum berichtigen, in welchem die
deutschen Zeitungen in diesem Augenblicke befangen scheinen. Herr von
Kaisersfcld ist keineswegs in Folge einer Erbitterung Oesterreichs gegen
die Hansestädte abberufen worden, vielmehr ist er schon seit längerer Zeit
zu seinem neuen Posten avancirt. Allerdings ist der interimistische Ge¬
schäftsträger, Herr von Ph. >, gleichfalls von Hamburg abgereist; dies
hat jedoch keinen politischen Grund, sondern ist blos die zufällige Bewil¬
ligung eines Urlaubs, welchen Herr von PH . . . schon drei Jahre
nachsucht. Daß noch kein anderer Gesandte nach Hamburg destgnirt
wurde, ist eine in Oesterreich, namentlich in den letzten Jahren, gewöhn¬
liche Erscheinung; auch in Turin, in Stockholm, ja sogar in London
blieb der Gesandtschaftsposten eine Zeitlang unbesetzt und in Karlsruhe
ist er's, wenn ich nicht irre, noch in diesem Augenblicke. Bei den verschiede¬
nen Intriguen, Sollicitationen und Protektoraten, die bei der Erledigung ei¬
ner solchen Stelle von den vielen Prätendenten in's Spiel gebracht werden,
wobei die ersten adeligen Familien und die einflußreichsten Personen gegen
einander Schach spielen und für einen oder den andern ihrer Schützlinge
interveniren, ist die Besetzung eines solchen Postens, wie ein langes
Kreisen durch längere Zeit ungewiß, zumal in den letzten Jahren, bei dem
vorgerückten Alter des Fürsten Staatskanzlers, die Bedenklichkeiten immer
zahlreicher werden und seine Entschließungen viel langer sich verzögern.
Daß jedoch das zufällige Jnterimisticum bei den Hansestädten zu gleicher
Zeit auch benutzt werden dürfte, um in Bezug auf die dortige Presse
strengere Maßregeln zu erlangen, ist allerdings ziemlich wahrscheinlich;
abgerufen hätte man deshalb unsere Gesandtschaft nicht, da sie aber ein¬
mal durch zufällige Verhältnisse aufgelöst ist, so wird man die Gelegen¬
heit benutzen, bevor man sie wieder organisirt. Uebrigens ist es mehr
noch die bremer Presse als die Hamburger, welche man im Auge hat und
zwar beruht auch dies auf halben und mißverstandenen Nachrichten. Es
heißt nämlich, Herr von Hormavr soll auf die Redaction der Wcser-
zeitung einen großen Einfluß üben und man will hieraus auf einen
feindseligem Ton dieses Blattes schließen. Allein, soviel ich mich persön¬
lich aus dieser Zeitung im Vergleiche zu den übrigen überzeugt habe,
herrscht darin eine auch nicht ein Haar breit feindseligere Gesinnung ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/503>, abgerufen am 27.11.2024.