Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht berichtet, ob damit Eines von beiden Geschwistern oder ein gebor-
nes Kind gemeint ist.

v. Provinz Sachsen. Auch hier ein kindliches Scheusal! In
Nordhausen vergiftete im Juni 1832 ein zehnjähriger Knabe seinen
drei Monate alten Bruder vorsätzlich, indem er dem Kinde Schwefel¬
säure in den Hals goß. Was ihn dazu bewogen haben kann, ist
leider nicht mitberichtet worden. In demselben Ngsbez. (Erfurt) fand
man im Mai 1834 im Wasser die Leichen eines Buchdruckers und
eines Dienstmädchens, mit umschlungenen Armen, und die Körper fest
mit einem Strick zusammengebunden. -- Fünf Monate später erdros¬
selte sich in derselben Gegend ein Mann mit einem, um den Hals
gewundenen und mit einem Stock festgedrehten Strick. Wer denkt
hierbei nicht an den ganz ähnlichen Befund an der Leiche des Gene¬
rals Pichegru, und an die politisch-forensischen Streitigkeiten, die sein
Tod und die Frage von einem, auf Buonaparte's Geheiß vollbrachten
Morde, oder dem freiwilligen Tode des Gefangenen hervorrief?

7. Provinz Schlesien. Mit einigen merkwürdigen Fällen aus
den Negierungsberichten dieser Provinz will ich diese Gallerte von
schwarzen Schattenbildern des menschlichen Geistes beschließen. Wir
haben oben schon zweier Fälle von unzüchtiger Gewaltthat gegen alte
Frauen erwähnt. Daß solche Ereignisse nicht zu den seltensten gehö¬
ren, beweist noch ein dritter Fall von Stuprum an einer 58jährigen
Wittwe auf der Landstraße durch einen 18jährigen Burschen! (Rgsbez,
Liegnitz, 1834 November). -- Ein Mensch (ebdas. März 1836), der
seine Geliebte durch Halsschnitte ermordet hatte, tödtete sich darauf
selbst auf die unerhörte Weise, daß er seinen Kopf in einem Hammer¬
werke auf den Ambos legte, und sich so den Kopf zerschmettern ließ!
-- Ein im April 1839 im Rgsbez. Oppeln vorgekommenes Doppel¬
verbrechen : Nothzucht mit darauf bewirkter Tödtung des Mädchens,
erinnert mich an einen ganz ähnlichen, gräßlichen Fall, den wir vor
einigen Jahren bei der obersten Medicinalbehörde zu begutachten hat¬
ten, in welchem ebenfalls der Thäter das junge Mädchen, dessen er,
nach langem Auflauern, endlich habhaft geworden war, durch Würgen
asphyktisch machte, die Ohnmächtige entehrte, und gleich darauf mit
dem Fuße vollends tödtete, damit sie ihn nicht gerichtlich belangen
könne! Die That wurde in der Rhetnprovinz an der holländischen
Grenze verübt, der später Hingerichtete Verbrecher aber war kein Ein-
geborner der Provinz, sondern ein Holländer. -- Im Rgsbez. Bres-
lau erschoß sich (im April 1834) ein Gymnasiast, weil -- -- er nicht


Grenzbotw, II, Is"".

nicht berichtet, ob damit Eines von beiden Geschwistern oder ein gebor-
nes Kind gemeint ist.

v. Provinz Sachsen. Auch hier ein kindliches Scheusal! In
Nordhausen vergiftete im Juni 1832 ein zehnjähriger Knabe seinen
drei Monate alten Bruder vorsätzlich, indem er dem Kinde Schwefel¬
säure in den Hals goß. Was ihn dazu bewogen haben kann, ist
leider nicht mitberichtet worden. In demselben Ngsbez. (Erfurt) fand
man im Mai 1834 im Wasser die Leichen eines Buchdruckers und
eines Dienstmädchens, mit umschlungenen Armen, und die Körper fest
mit einem Strick zusammengebunden. — Fünf Monate später erdros¬
selte sich in derselben Gegend ein Mann mit einem, um den Hals
gewundenen und mit einem Stock festgedrehten Strick. Wer denkt
hierbei nicht an den ganz ähnlichen Befund an der Leiche des Gene¬
rals Pichegru, und an die politisch-forensischen Streitigkeiten, die sein
Tod und die Frage von einem, auf Buonaparte's Geheiß vollbrachten
Morde, oder dem freiwilligen Tode des Gefangenen hervorrief?

7. Provinz Schlesien. Mit einigen merkwürdigen Fällen aus
den Negierungsberichten dieser Provinz will ich diese Gallerte von
schwarzen Schattenbildern des menschlichen Geistes beschließen. Wir
haben oben schon zweier Fälle von unzüchtiger Gewaltthat gegen alte
Frauen erwähnt. Daß solche Ereignisse nicht zu den seltensten gehö¬
ren, beweist noch ein dritter Fall von Stuprum an einer 58jährigen
Wittwe auf der Landstraße durch einen 18jährigen Burschen! (Rgsbez,
Liegnitz, 1834 November). — Ein Mensch (ebdas. März 1836), der
seine Geliebte durch Halsschnitte ermordet hatte, tödtete sich darauf
selbst auf die unerhörte Weise, daß er seinen Kopf in einem Hammer¬
werke auf den Ambos legte, und sich so den Kopf zerschmettern ließ!
— Ein im April 1839 im Rgsbez. Oppeln vorgekommenes Doppel¬
verbrechen : Nothzucht mit darauf bewirkter Tödtung des Mädchens,
erinnert mich an einen ganz ähnlichen, gräßlichen Fall, den wir vor
einigen Jahren bei der obersten Medicinalbehörde zu begutachten hat¬
ten, in welchem ebenfalls der Thäter das junge Mädchen, dessen er,
nach langem Auflauern, endlich habhaft geworden war, durch Würgen
asphyktisch machte, die Ohnmächtige entehrte, und gleich darauf mit
dem Fuße vollends tödtete, damit sie ihn nicht gerichtlich belangen
könne! Die That wurde in der Rhetnprovinz an der holländischen
Grenze verübt, der später Hingerichtete Verbrecher aber war kein Ein-
geborner der Provinz, sondern ein Holländer. — Im Rgsbez. Bres-
lau erschoß sich (im April 1834) ein Gymnasiast, weil — — er nicht


Grenzbotw, II, Is««.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182908"/>
            <p xml:id="ID_1409" prev="#ID_1408"> nicht berichtet, ob damit Eines von beiden Geschwistern oder ein gebor-<lb/>
nes Kind gemeint ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1410"> v. Provinz Sachsen. Auch hier ein kindliches Scheusal! In<lb/>
Nordhausen vergiftete im Juni 1832 ein zehnjähriger Knabe seinen<lb/>
drei Monate alten Bruder vorsätzlich, indem er dem Kinde Schwefel¬<lb/>
säure in den Hals goß. Was ihn dazu bewogen haben kann, ist<lb/>
leider nicht mitberichtet worden. In demselben Ngsbez. (Erfurt) fand<lb/>
man im Mai 1834 im Wasser die Leichen eines Buchdruckers und<lb/>
eines Dienstmädchens, mit umschlungenen Armen, und die Körper fest<lb/>
mit einem Strick zusammengebunden. &#x2014; Fünf Monate später erdros¬<lb/>
selte sich in derselben Gegend ein Mann mit einem, um den Hals<lb/>
gewundenen und mit einem Stock festgedrehten Strick. Wer denkt<lb/>
hierbei nicht an den ganz ähnlichen Befund an der Leiche des Gene¬<lb/>
rals Pichegru, und an die politisch-forensischen Streitigkeiten, die sein<lb/>
Tod und die Frage von einem, auf Buonaparte's Geheiß vollbrachten<lb/>
Morde, oder dem freiwilligen Tode des Gefangenen hervorrief?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1411" next="#ID_1412"> 7. Provinz Schlesien. Mit einigen merkwürdigen Fällen aus<lb/>
den Negierungsberichten dieser Provinz will ich diese Gallerte von<lb/>
schwarzen Schattenbildern des menschlichen Geistes beschließen. Wir<lb/>
haben oben schon zweier Fälle von unzüchtiger Gewaltthat gegen alte<lb/>
Frauen erwähnt. Daß solche Ereignisse nicht zu den seltensten gehö¬<lb/>
ren, beweist noch ein dritter Fall von Stuprum an einer 58jährigen<lb/>
Wittwe auf der Landstraße durch einen 18jährigen Burschen! (Rgsbez,<lb/>
Liegnitz, 1834 November). &#x2014; Ein Mensch (ebdas. März 1836), der<lb/>
seine Geliebte durch Halsschnitte ermordet hatte, tödtete sich darauf<lb/>
selbst auf die unerhörte Weise, daß er seinen Kopf in einem Hammer¬<lb/>
werke auf den Ambos legte, und sich so den Kopf zerschmettern ließ!<lb/>
&#x2014; Ein im April 1839 im Rgsbez. Oppeln vorgekommenes Doppel¬<lb/>
verbrechen : Nothzucht mit darauf bewirkter Tödtung des Mädchens,<lb/>
erinnert mich an einen ganz ähnlichen, gräßlichen Fall, den wir vor<lb/>
einigen Jahren bei der obersten Medicinalbehörde zu begutachten hat¬<lb/>
ten, in welchem ebenfalls der Thäter das junge Mädchen, dessen er,<lb/>
nach langem Auflauern, endlich habhaft geworden war, durch Würgen<lb/>
asphyktisch machte, die Ohnmächtige entehrte, und gleich darauf mit<lb/>
dem Fuße vollends tödtete, damit sie ihn nicht gerichtlich belangen<lb/>
könne! Die That wurde in der Rhetnprovinz an der holländischen<lb/>
Grenze verübt, der später Hingerichtete Verbrecher aber war kein Ein-<lb/>
geborner der Provinz, sondern ein Holländer. &#x2014; Im Rgsbez. Bres-<lb/>
lau erschoß sich (im April 1834) ein Gymnasiast, weil &#x2014; &#x2014; er nicht</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotw, II, Is««.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0485] nicht berichtet, ob damit Eines von beiden Geschwistern oder ein gebor- nes Kind gemeint ist. v. Provinz Sachsen. Auch hier ein kindliches Scheusal! In Nordhausen vergiftete im Juni 1832 ein zehnjähriger Knabe seinen drei Monate alten Bruder vorsätzlich, indem er dem Kinde Schwefel¬ säure in den Hals goß. Was ihn dazu bewogen haben kann, ist leider nicht mitberichtet worden. In demselben Ngsbez. (Erfurt) fand man im Mai 1834 im Wasser die Leichen eines Buchdruckers und eines Dienstmädchens, mit umschlungenen Armen, und die Körper fest mit einem Strick zusammengebunden. — Fünf Monate später erdros¬ selte sich in derselben Gegend ein Mann mit einem, um den Hals gewundenen und mit einem Stock festgedrehten Strick. Wer denkt hierbei nicht an den ganz ähnlichen Befund an der Leiche des Gene¬ rals Pichegru, und an die politisch-forensischen Streitigkeiten, die sein Tod und die Frage von einem, auf Buonaparte's Geheiß vollbrachten Morde, oder dem freiwilligen Tode des Gefangenen hervorrief? 7. Provinz Schlesien. Mit einigen merkwürdigen Fällen aus den Negierungsberichten dieser Provinz will ich diese Gallerte von schwarzen Schattenbildern des menschlichen Geistes beschließen. Wir haben oben schon zweier Fälle von unzüchtiger Gewaltthat gegen alte Frauen erwähnt. Daß solche Ereignisse nicht zu den seltensten gehö¬ ren, beweist noch ein dritter Fall von Stuprum an einer 58jährigen Wittwe auf der Landstraße durch einen 18jährigen Burschen! (Rgsbez, Liegnitz, 1834 November). — Ein Mensch (ebdas. März 1836), der seine Geliebte durch Halsschnitte ermordet hatte, tödtete sich darauf selbst auf die unerhörte Weise, daß er seinen Kopf in einem Hammer¬ werke auf den Ambos legte, und sich so den Kopf zerschmettern ließ! — Ein im April 1839 im Rgsbez. Oppeln vorgekommenes Doppel¬ verbrechen : Nothzucht mit darauf bewirkter Tödtung des Mädchens, erinnert mich an einen ganz ähnlichen, gräßlichen Fall, den wir vor einigen Jahren bei der obersten Medicinalbehörde zu begutachten hat¬ ten, in welchem ebenfalls der Thäter das junge Mädchen, dessen er, nach langem Auflauern, endlich habhaft geworden war, durch Würgen asphyktisch machte, die Ohnmächtige entehrte, und gleich darauf mit dem Fuße vollends tödtete, damit sie ihn nicht gerichtlich belangen könne! Die That wurde in der Rhetnprovinz an der holländischen Grenze verübt, der später Hingerichtete Verbrecher aber war kein Ein- geborner der Provinz, sondern ein Holländer. — Im Rgsbez. Bres- lau erschoß sich (im April 1834) ein Gymnasiast, weil — — er nicht Grenzbotw, II, Is««.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/485
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/485>, abgerufen am 24.11.2024.