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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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der Consumtion der geistigen Getränke ans Mehrung der
hier betrachteten Verbreche". Wer, Arzt oder Nichtarzt, wollte nicht
den Mäßigkeitsgesellschaften, wenn sie sich selbst bei ihrem Wirken in
den Schranken des Gemäßigten halte", das Kind nicht in zelotischem
Eifer mit dem Bade verschütten, und weder für ihre Personen noch
für ihre Sache Hinterhaltgedante" haben, das beste Gedeihen wün¬
schen, aber "mu<- nimium---. Wenn man so manche Schriften
der Mäßigkeitsfrennde liest, von kleinen Zeitungsartikeln an bis zu
selbstständigen Octavbäiidche", so sollte man oft meine", eine Stadt,
vormals ein modernes Sodom, in dem Diebstahl, Brandstiftung, Zank,
Mißhandlung, Selbstmord, Mord und Todtschlag in grausigen Ge¬
misch gewüthet, sei, seitdem die Pest der geistigen Getränke daraus
getilgt, zu einem paradiesischen Eden umgeschaffen worden. Wenn in
solchen Schilderungen eine Uebertreibung ist, so schadet dieselbe unstrei¬
tig der guten (der sehr guten!) Sache, und wir unsererseits glaube"
ihr zu nütze", wenn wir eine solche Uebertreibuiig, falls sie vorhanden,
aufdecken, weil dann das unumstößlich Wahre nur um so sicherer wir¬
ken muß. Die Materialien zu diesem Theile der Untersuchung waren
nicht schwer zu beschaffe", nachdem der Eine Factor, das Verhältniß
der Verbrechen zur Bevölkerung in den verschiedenen Provinzen des
Staates, oben bereits festgestellt worden. In Betreff des andern Fac-
tors aber gab es, wohl keinen bessern Maßstab als die Zahl der
Schankwirthschaften, da die Verhältnisse der Production der geistigen
Getränke in den verschiedenen Landestheilen, auch wenn sie uns bekannt
wären, ganz unsichere Ergebnisse liefern müssen, da nicht sicher zu er¬
mitteln, wie viel von den Producten aus der Nähe des Fabrications-
ortes weggeführt, wie viel von andern Ländern und Orten her einge¬
führt wird. Die Zahl der Localien aber, in denen geistige Getränke
feil gehste" werden, ist ge"an bekannt, lind sie scheint für die Frage
vom Mehr- oder Minderverbrauch der Spirituosa entscheidend, da nicht
anzunehmen ist, daß polizeiliche Concessionen zur Eröffnung von der¬
gleichen Wirthschaften verweigert werden dürften, wenn deren bereits
irgendwo vorhandene Anzahl dem wirklichen Bedürfniß nicht genügt,
oder andererseits die Neigung zur Anlage derselben unter den Han¬
deltreibende" da aufkomme" sollte, wo das Bedürfniß der Coufume"-
te" durch bereits reichlich vorhaiidme schallte" hinreichend befriedigt
ist. Ursachen, die hierbei in Etwas mitwirke" mögen, wie z. B. dün¬
ner gesäete oder dichtere Bevölkerung, dürften wesentlich nicht sehr in
Betracht kommen.


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der Consumtion der geistigen Getränke ans Mehrung der
hier betrachteten Verbreche». Wer, Arzt oder Nichtarzt, wollte nicht
den Mäßigkeitsgesellschaften, wenn sie sich selbst bei ihrem Wirken in
den Schranken des Gemäßigten halte», das Kind nicht in zelotischem
Eifer mit dem Bade verschütten, und weder für ihre Personen noch
für ihre Sache Hinterhaltgedante» haben, das beste Gedeihen wün¬
schen, aber »mu<- nimium---. Wenn man so manche Schriften
der Mäßigkeitsfrennde liest, von kleinen Zeitungsartikeln an bis zu
selbstständigen Octavbäiidche», so sollte man oft meine», eine Stadt,
vormals ein modernes Sodom, in dem Diebstahl, Brandstiftung, Zank,
Mißhandlung, Selbstmord, Mord und Todtschlag in grausigen Ge¬
misch gewüthet, sei, seitdem die Pest der geistigen Getränke daraus
getilgt, zu einem paradiesischen Eden umgeschaffen worden. Wenn in
solchen Schilderungen eine Uebertreibung ist, so schadet dieselbe unstrei¬
tig der guten (der sehr guten!) Sache, und wir unsererseits glaube»
ihr zu nütze», wenn wir eine solche Uebertreibuiig, falls sie vorhanden,
aufdecken, weil dann das unumstößlich Wahre nur um so sicherer wir¬
ken muß. Die Materialien zu diesem Theile der Untersuchung waren
nicht schwer zu beschaffe», nachdem der Eine Factor, das Verhältniß
der Verbrechen zur Bevölkerung in den verschiedenen Provinzen des
Staates, oben bereits festgestellt worden. In Betreff des andern Fac-
tors aber gab es, wohl keinen bessern Maßstab als die Zahl der
Schankwirthschaften, da die Verhältnisse der Production der geistigen
Getränke in den verschiedenen Landestheilen, auch wenn sie uns bekannt
wären, ganz unsichere Ergebnisse liefern müssen, da nicht sicher zu er¬
mitteln, wie viel von den Producten aus der Nähe des Fabrications-
ortes weggeführt, wie viel von andern Ländern und Orten her einge¬
führt wird. Die Zahl der Localien aber, in denen geistige Getränke
feil gehste» werden, ist ge»an bekannt, lind sie scheint für die Frage
vom Mehr- oder Minderverbrauch der Spirituosa entscheidend, da nicht
anzunehmen ist, daß polizeiliche Concessionen zur Eröffnung von der¬
gleichen Wirthschaften verweigert werden dürften, wenn deren bereits
irgendwo vorhandene Anzahl dem wirklichen Bedürfniß nicht genügt,
oder andererseits die Neigung zur Anlage derselben unter den Han¬
deltreibende» da aufkomme» sollte, wo das Bedürfniß der Coufume»-
te» durch bereits reichlich vorhaiidme schallte» hinreichend befriedigt
ist. Ursachen, die hierbei in Etwas mitwirke» mögen, wie z. B. dün¬
ner gesäete oder dichtere Bevölkerung, dürften wesentlich nicht sehr in
Betracht kommen.


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[0479] der Consumtion der geistigen Getränke ans Mehrung der hier betrachteten Verbreche». Wer, Arzt oder Nichtarzt, wollte nicht den Mäßigkeitsgesellschaften, wenn sie sich selbst bei ihrem Wirken in den Schranken des Gemäßigten halte», das Kind nicht in zelotischem Eifer mit dem Bade verschütten, und weder für ihre Personen noch für ihre Sache Hinterhaltgedante» haben, das beste Gedeihen wün¬ schen, aber »mu<- nimium---. Wenn man so manche Schriften der Mäßigkeitsfrennde liest, von kleinen Zeitungsartikeln an bis zu selbstständigen Octavbäiidche», so sollte man oft meine», eine Stadt, vormals ein modernes Sodom, in dem Diebstahl, Brandstiftung, Zank, Mißhandlung, Selbstmord, Mord und Todtschlag in grausigen Ge¬ misch gewüthet, sei, seitdem die Pest der geistigen Getränke daraus getilgt, zu einem paradiesischen Eden umgeschaffen worden. Wenn in solchen Schilderungen eine Uebertreibung ist, so schadet dieselbe unstrei¬ tig der guten (der sehr guten!) Sache, und wir unsererseits glaube» ihr zu nütze», wenn wir eine solche Uebertreibuiig, falls sie vorhanden, aufdecken, weil dann das unumstößlich Wahre nur um so sicherer wir¬ ken muß. Die Materialien zu diesem Theile der Untersuchung waren nicht schwer zu beschaffe», nachdem der Eine Factor, das Verhältniß der Verbrechen zur Bevölkerung in den verschiedenen Provinzen des Staates, oben bereits festgestellt worden. In Betreff des andern Fac- tors aber gab es, wohl keinen bessern Maßstab als die Zahl der Schankwirthschaften, da die Verhältnisse der Production der geistigen Getränke in den verschiedenen Landestheilen, auch wenn sie uns bekannt wären, ganz unsichere Ergebnisse liefern müssen, da nicht sicher zu er¬ mitteln, wie viel von den Producten aus der Nähe des Fabrications- ortes weggeführt, wie viel von andern Ländern und Orten her einge¬ führt wird. Die Zahl der Localien aber, in denen geistige Getränke feil gehste» werden, ist ge»an bekannt, lind sie scheint für die Frage vom Mehr- oder Minderverbrauch der Spirituosa entscheidend, da nicht anzunehmen ist, daß polizeiliche Concessionen zur Eröffnung von der¬ gleichen Wirthschaften verweigert werden dürften, wenn deren bereits irgendwo vorhandene Anzahl dem wirklichen Bedürfniß nicht genügt, oder andererseits die Neigung zur Anlage derselben unter den Han¬ deltreibende» da aufkomme» sollte, wo das Bedürfniß der Coufume»- te» durch bereits reichlich vorhaiidme schallte» hinreichend befriedigt ist. Ursachen, die hierbei in Etwas mitwirke» mögen, wie z. B. dün¬ ner gesäete oder dichtere Bevölkerung, dürften wesentlich nicht sehr in Betracht kommen. 60 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/479>, abgerufen am 24.11.2024.