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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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in welchen Nationalgefühl urtd Nationalehre so beleidigt werden -- auf
der allerletzten Bühne aufzuführen wagten. Die Bühne würde gestürmt,
das Haus wäre vor Zerstörung nicht gesichert. Und bei uns wird das
Machwerk auf Hofbühnen gegeben, auf Bühnen, wo historische Per¬
sonen, die etwa der Stiefgroßvater des Urahns des Landesfürsten gewe¬
sen sind, nicht aufgeführt werden dürfen -- weil es verletzend und weil
es eine Herabsetzung der Familie wäre, der der Fürst angehört. Als ob
der Fürst nicht auch dieser großen Familie angehörte, die man Deutsche
nennt und als ob es nicht verletzend wäre, wenn der Herr französische
Gesandte und die jungen parfümirten Attaches mit ansehen und anhö¬
ren, wie auf einer deutschen Hofbühne ein französischer Corporal eine
ganze Heerde deutscher Soldaten anschnauzt: i>'u"I,Il.e/i p"8 "jue vini"
iivex I'Iwimeur ,Jo le>n<j8vnter t'ilrmLv t'nuihcüse.

-- Es ist bekannt, daß die sogenannten neuen Krebse der Buchhänd¬
ler mit scheelen Blicken von ihren Landesherren aufgenommen werden; man¬
chem Buchhändler machen die neuen Krebse einen Strich durch die Rech¬
nung. Daß aber auch "die Krebse der Alten", welche um die Zeit der
Buchhändlermesse hier einliefen, ihrem Herrn schlaflose Nachte ver¬
ursachten, dürfte weniger bekannt sein. Professor Weber in Bremen
wollte vor zwei Jahren über "die Krebse der Alten" einen Bortrag
in der dresdner Philologenversammlung halten. Da er früher durch
eine Abhandlung über "die Küche der Römer" einen Theil der an¬
wesenden Gelehrten, in altdeutscher Derbheit, verletzt hatte und er
durch seine feine gastronomische Nase mit einer langen Nase abziehen
mußte, wurde sein Kcebsvortrag rückgängig gemacht, und das Manuscript
in der Tasche, verließ Prof. Weber die Residenz. Die Vaterwunden
vernarben aber nicht fo schnell -- und nach ungefähr zwei Jahren macht
der Krebsschaden im Aprilheft der "Jahrbücher der Gegenwart" sich Luft.
Die deutschen Gelehrten, welche die confessionellen Schranken aus den
Gauen der Wissenschaft bannten, dienen dem Herrn Professor als Ziel¬
scheibe des Bremer Humors, er schlägt sich in die Brust und preist sich
glücklich, daß in seinem Bremen das Vorurtheil stärker als die Aufklä¬
rung ist. Diese alten Krebse oder Krebse der Alten haben einen Pro¬
fessor zu einem Rückschrittssvstem verleitet.
'"

-- Unter der Ueberschrift "l^llvmklgn"- ein nrvsoot eröffnet ein
Sternschnuppen in der Revüe des deur mondes Reisebriefe durch und
Betrachtungen über Deutschland. Im Maiheft dieser Revüe wird Leip¬
zig mit seinem Buchhandel, seinen Augusttagen und seinem Literaten-
thume besprochen. Wenn Plinius eine ganze Abhandlung über den Begriff
"Literat" bei den Römern geschrieben, so hat der Franzose nicht weniger Mühe
und Worte, seinen Parisern das Allumfassende des leipziger Literatcnwesens
durch die Schilderung anschaulich zu machen. Zwei Worte merkte sich der
Franzose in Leipzig! "Zu hart" hörte er oft, bei Theatervorstellungen
und in den bewegten Straßen.




Verlag von Ar. Ludw. Hevbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Anvrä.

in welchen Nationalgefühl urtd Nationalehre so beleidigt werden — auf
der allerletzten Bühne aufzuführen wagten. Die Bühne würde gestürmt,
das Haus wäre vor Zerstörung nicht gesichert. Und bei uns wird das
Machwerk auf Hofbühnen gegeben, auf Bühnen, wo historische Per¬
sonen, die etwa der Stiefgroßvater des Urahns des Landesfürsten gewe¬
sen sind, nicht aufgeführt werden dürfen — weil es verletzend und weil
es eine Herabsetzung der Familie wäre, der der Fürst angehört. Als ob
der Fürst nicht auch dieser großen Familie angehörte, die man Deutsche
nennt und als ob es nicht verletzend wäre, wenn der Herr französische
Gesandte und die jungen parfümirten Attaches mit ansehen und anhö¬
ren, wie auf einer deutschen Hofbühne ein französischer Corporal eine
ganze Heerde deutscher Soldaten anschnauzt: i>'u»I,Il.e/i p»8 «jue vini«
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— Es ist bekannt, daß die sogenannten neuen Krebse der Buchhänd¬
ler mit scheelen Blicken von ihren Landesherren aufgenommen werden; man¬
chem Buchhändler machen die neuen Krebse einen Strich durch die Rech¬
nung. Daß aber auch „die Krebse der Alten", welche um die Zeit der
Buchhändlermesse hier einliefen, ihrem Herrn schlaflose Nachte ver¬
ursachten, dürfte weniger bekannt sein. Professor Weber in Bremen
wollte vor zwei Jahren über „die Krebse der Alten" einen Bortrag
in der dresdner Philologenversammlung halten. Da er früher durch
eine Abhandlung über „die Küche der Römer" einen Theil der an¬
wesenden Gelehrten, in altdeutscher Derbheit, verletzt hatte und er
durch seine feine gastronomische Nase mit einer langen Nase abziehen
mußte, wurde sein Kcebsvortrag rückgängig gemacht, und das Manuscript
in der Tasche, verließ Prof. Weber die Residenz. Die Vaterwunden
vernarben aber nicht fo schnell — und nach ungefähr zwei Jahren macht
der Krebsschaden im Aprilheft der „Jahrbücher der Gegenwart" sich Luft.
Die deutschen Gelehrten, welche die confessionellen Schranken aus den
Gauen der Wissenschaft bannten, dienen dem Herrn Professor als Ziel¬
scheibe des Bremer Humors, er schlägt sich in die Brust und preist sich
glücklich, daß in seinem Bremen das Vorurtheil stärker als die Aufklä¬
rung ist. Diese alten Krebse oder Krebse der Alten haben einen Pro¬
fessor zu einem Rückschrittssvstem verleitet.
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— Unter der Ueberschrift „l^llvmklgn«- ein nrvsoot eröffnet ein
Sternschnuppen in der Revüe des deur mondes Reisebriefe durch und
Betrachtungen über Deutschland. Im Maiheft dieser Revüe wird Leip¬
zig mit seinem Buchhandel, seinen Augusttagen und seinem Literaten-
thume besprochen. Wenn Plinius eine ganze Abhandlung über den Begriff
„Literat" bei den Römern geschrieben, so hat der Franzose nicht weniger Mühe
und Worte, seinen Parisern das Allumfassende des leipziger Literatcnwesens
durch die Schilderung anschaulich zu machen. Zwei Worte merkte sich der
Franzose in Leipzig! „Zu hart" hörte er oft, bei Theatervorstellungen
und in den bewegten Straßen.




Verlag von Ar. Ludw. Hevbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Anvrä.
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[0376] in welchen Nationalgefühl urtd Nationalehre so beleidigt werden — auf der allerletzten Bühne aufzuführen wagten. Die Bühne würde gestürmt, das Haus wäre vor Zerstörung nicht gesichert. Und bei uns wird das Machwerk auf Hofbühnen gegeben, auf Bühnen, wo historische Per¬ sonen, die etwa der Stiefgroßvater des Urahns des Landesfürsten gewe¬ sen sind, nicht aufgeführt werden dürfen — weil es verletzend und weil es eine Herabsetzung der Familie wäre, der der Fürst angehört. Als ob der Fürst nicht auch dieser großen Familie angehörte, die man Deutsche nennt und als ob es nicht verletzend wäre, wenn der Herr französische Gesandte und die jungen parfümirten Attaches mit ansehen und anhö¬ ren, wie auf einer deutschen Hofbühne ein französischer Corporal eine ganze Heerde deutscher Soldaten anschnauzt: i>'u»I,Il.e/i p»8 «jue vini« iivex I'Iwimeur ,Jo le>n<j8vnter t'ilrmLv t'nuihcüse. — Es ist bekannt, daß die sogenannten neuen Krebse der Buchhänd¬ ler mit scheelen Blicken von ihren Landesherren aufgenommen werden; man¬ chem Buchhändler machen die neuen Krebse einen Strich durch die Rech¬ nung. Daß aber auch „die Krebse der Alten", welche um die Zeit der Buchhändlermesse hier einliefen, ihrem Herrn schlaflose Nachte ver¬ ursachten, dürfte weniger bekannt sein. Professor Weber in Bremen wollte vor zwei Jahren über „die Krebse der Alten" einen Bortrag in der dresdner Philologenversammlung halten. Da er früher durch eine Abhandlung über „die Küche der Römer" einen Theil der an¬ wesenden Gelehrten, in altdeutscher Derbheit, verletzt hatte und er durch seine feine gastronomische Nase mit einer langen Nase abziehen mußte, wurde sein Kcebsvortrag rückgängig gemacht, und das Manuscript in der Tasche, verließ Prof. Weber die Residenz. Die Vaterwunden vernarben aber nicht fo schnell — und nach ungefähr zwei Jahren macht der Krebsschaden im Aprilheft der „Jahrbücher der Gegenwart" sich Luft. Die deutschen Gelehrten, welche die confessionellen Schranken aus den Gauen der Wissenschaft bannten, dienen dem Herrn Professor als Ziel¬ scheibe des Bremer Humors, er schlägt sich in die Brust und preist sich glücklich, daß in seinem Bremen das Vorurtheil stärker als die Aufklä¬ rung ist. Diese alten Krebse oder Krebse der Alten haben einen Pro¬ fessor zu einem Rückschrittssvstem verleitet. '" — Unter der Ueberschrift „l^llvmklgn«- ein nrvsoot eröffnet ein Sternschnuppen in der Revüe des deur mondes Reisebriefe durch und Betrachtungen über Deutschland. Im Maiheft dieser Revüe wird Leip¬ zig mit seinem Buchhandel, seinen Augusttagen und seinem Literaten- thume besprochen. Wenn Plinius eine ganze Abhandlung über den Begriff „Literat" bei den Römern geschrieben, so hat der Franzose nicht weniger Mühe und Worte, seinen Parisern das Allumfassende des leipziger Literatcnwesens durch die Schilderung anschaulich zu machen. Zwei Worte merkte sich der Franzose in Leipzig! „Zu hart" hörte er oft, bei Theatervorstellungen und in den bewegten Straßen. Verlag von Ar. Ludw. Hevbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Anvrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/376>, abgerufen am 23.07.2024.