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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Bemerkung ein, die ich Ihnen auch am liebsten in französischer Sprache
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Ihnen dies nur darum mit, daß man in Deutschland sehe, wie die für
die Polensache durchgängig begeisterte französische Presse auch auf Stim¬
men aus dem jenseitigen Lager horcht, wenn sie ihr achtbar erscheinen.
Freilich scheint der Correspondant jenen Artikel, oder vielmehr seinen Ver¬
fasser mißverstanden zu haben. Aber bornirre Nationalitätsausbrüche,
professorische Kanzelklopfereien, ", 1^ Wuttke, werden freilich nie beachtet
werden, auch von einem sonst so konservativen Blatte nicht, wie der
Correspondant ist. Ich kann Sie versichern, daß selbst jene Deutschen,
die, je länger sie in Frankreich sind, desto nationaldeutscher werden, sich
dieser Wuttke'scher Ausbrüche geschämt haben. Wenn man einige Zeit
in Frankreich ist, vergißt man, daß dergleichen Dinge noch möglich sind
und erschrickt, wenn man sie von Zeit zu Zeit am grauen Horizont der
deutschen Zeitungen wieder auftauchen sieht.

Unsere Weltgeschichte ist, seit ich Ihnen das letzte M.it schrieb, we¬
nig oder gar nicht vorgerückt. Die Kammern Votiren schnell eine Eisen¬
bahn nach der andern und sorgen auf dieser gewiß für ihren Säckel
und vielleicht für's Land. Herr Dupin hat die Verhandlungen dar¬
über in wenigen Monaten charakterisier: für mich diese Eisenbahn, für
dich jene Eisenbahn, für Euch jene andern; Ihr seid gut für mich, ich
zeige mich gefällig für Euch. Stimmen wir einer für den Andern. Die
Kammer lachte, ließ sich aber nicht stören.
'

Lecomtes Prozeß ist in ein zweites Stadium getreten. Herr Pas-
quier konnte nichts aus ihm herausbringen und nichts in ihn hinein¬
bringen, auf was, wie ich Ihnen unlängst schrieb, eigentlich mehr an¬
kommt, als auf jenes. Lecomte war gegen den Pair barsch und grob.
Da übernahm Herr Decazes, der ehemalige Polizeiminister aus den er¬
fahrungsreicher Zeiten Ludwigs XVil!., die Untersuchung, und siehe, die
Sache geht. Er hat Lecomre's Kerker in ein wahres Eapua umgewan¬
delt, und gibt ihm zu essen und zu trinken, so viel und so gut er will.
Haben doch Hannibals sturmerprobte Schaaren solchen Verweichlichungen
nicht widerstanden, wie sollte es ein Franzose des neunzehnten Jahrhun¬
derts? Lecomte ist wirklich endlich weich, nachgiebig, gefällig und ge¬
schwätzig worden, und plaudert was ihm einfällt, ohne daß er weiß, daß
jede Sylbe genau verzeichnet wird! Ihm schadet es freilich nicht, aber
Herrn Thiers und der Opposition! In Kurzem wird das harmlose
Wörtlein i^o im l e^iis vt Aouvoinv und die Nachmittags¬
plaudereien Lecomte's so unter einander gebraut sein, daß es dem geschick¬
testen Chemiker unmöglich sein wird, eins vom andern zu scheiden. Und
das gerade vor den Wahlen! Hat es jemals eine unmoralischere Poli¬
tik gegeben? und das ist die Politik des Herrn Guizot, der seiner ver¬
storbenen Frau half, als sie die moralischen Bücher für die Jugend
schrieb, und der ihr an ihrem Todtenbette mit hoher Stimme aus Bos-
suet vorgelesen. Ja, ein Ministerportefeuille, c'est une Ivttlv vmj,ol-


Bemerkung ein, die ich Ihnen auch am liebsten in französischer Sprache
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Ihnen dies nur darum mit, daß man in Deutschland sehe, wie die für
die Polensache durchgängig begeisterte französische Presse auch auf Stim¬
men aus dem jenseitigen Lager horcht, wenn sie ihr achtbar erscheinen.
Freilich scheint der Correspondant jenen Artikel, oder vielmehr seinen Ver¬
fasser mißverstanden zu haben. Aber bornirre Nationalitätsausbrüche,
professorische Kanzelklopfereien, », 1^ Wuttke, werden freilich nie beachtet
werden, auch von einem sonst so konservativen Blatte nicht, wie der
Correspondant ist. Ich kann Sie versichern, daß selbst jene Deutschen,
die, je länger sie in Frankreich sind, desto nationaldeutscher werden, sich
dieser Wuttke'scher Ausbrüche geschämt haben. Wenn man einige Zeit
in Frankreich ist, vergißt man, daß dergleichen Dinge noch möglich sind
und erschrickt, wenn man sie von Zeit zu Zeit am grauen Horizont der
deutschen Zeitungen wieder auftauchen sieht.

Unsere Weltgeschichte ist, seit ich Ihnen das letzte M.it schrieb, we¬
nig oder gar nicht vorgerückt. Die Kammern Votiren schnell eine Eisen¬
bahn nach der andern und sorgen auf dieser gewiß für ihren Säckel
und vielleicht für's Land. Herr Dupin hat die Verhandlungen dar¬
über in wenigen Monaten charakterisier: für mich diese Eisenbahn, für
dich jene Eisenbahn, für Euch jene andern; Ihr seid gut für mich, ich
zeige mich gefällig für Euch. Stimmen wir einer für den Andern. Die
Kammer lachte, ließ sich aber nicht stören.
'

Lecomtes Prozeß ist in ein zweites Stadium getreten. Herr Pas-
quier konnte nichts aus ihm herausbringen und nichts in ihn hinein¬
bringen, auf was, wie ich Ihnen unlängst schrieb, eigentlich mehr an¬
kommt, als auf jenes. Lecomte war gegen den Pair barsch und grob.
Da übernahm Herr Decazes, der ehemalige Polizeiminister aus den er¬
fahrungsreicher Zeiten Ludwigs XVil!., die Untersuchung, und siehe, die
Sache geht. Er hat Lecomre's Kerker in ein wahres Eapua umgewan¬
delt, und gibt ihm zu essen und zu trinken, so viel und so gut er will.
Haben doch Hannibals sturmerprobte Schaaren solchen Verweichlichungen
nicht widerstanden, wie sollte es ein Franzose des neunzehnten Jahrhun¬
derts? Lecomte ist wirklich endlich weich, nachgiebig, gefällig und ge¬
schwätzig worden, und plaudert was ihm einfällt, ohne daß er weiß, daß
jede Sylbe genau verzeichnet wird! Ihm schadet es freilich nicht, aber
Herrn Thiers und der Opposition! In Kurzem wird das harmlose
Wörtlein i^o im l e^iis vt Aouvoinv und die Nachmittags¬
plaudereien Lecomte's so unter einander gebraut sein, daß es dem geschick¬
testen Chemiker unmöglich sein wird, eins vom andern zu scheiden. Und
das gerade vor den Wahlen! Hat es jemals eine unmoralischere Poli¬
tik gegeben? und das ist die Politik des Herrn Guizot, der seiner ver¬
storbenen Frau half, als sie die moralischen Bücher für die Jugend
schrieb, und der ihr an ihrem Todtenbette mit hoher Stimme aus Bos-
suet vorgelesen. Ja, ein Ministerportefeuille, c'est une Ivttlv vmj,ol-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/364>, abgerufen am 24.11.2024.