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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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nach Hamburg kamen. Ich wollte, Emilie Schröder schriebe einmal ihre
Memoiren, sie würden eine reiche Ausbeute für die Geschichte deutscher
Künstler darbieten. Aber ich glaube, dies wird leider nie geschehen, denn
Emilie Schröder ist dazu nicht eitel genug, oder zu furchtsam, zu rück¬
sichtsvoll und bescheiden, denn sie würde dann mit einer Periode begin¬
nen müssen, wo man sie in Hamburg nur die "schöne/' ja selbst die
"große Emilie" nannte, wo man die Reize ihrer Persönlichkeit und ih¬
rer geistigen Begabung voll Enthusiasmus in alle vier Winde hinaus¬
trug, und sich immer neue Schaaren von nahe und ferne um die Ge¬
feierte sammelten. Es summt mir, dem damaligen Buben, der kaum
der Wiege entlaufen war, noch jetzt um die Ohren, wenn ich jener Zeit
gedenke. Es war für Hamburg in gesellschaftlicher Beziehung überhaupt
damals eine rege, lebensvolle Aelt, die "französische Zeit/' wo mit der
Bildung und dem pariser Ton auch viel Lebenslust und Uebermuth her¬
über kam. Die ganze Stadtgcschichte wurde damals ein gesellschaftliches
Epos, das jetzt freilich wie ein Mährchen klingt oder verklungen ist, von
dem die Alten "nur noch einige" Strophen in der Erinnerung behalten
haben.

Aus dieser Aelt nicht allein, sondern auch aus späterer, dem jünge¬
rem Geschlechte naher liegenden Periode, wüßte Emilie Schröder so viel
des Interessanten, das sich um sie und neben ihr gruppirte, zu erzählen,
von Künstlern und Dichtern, von berühmten Mannern, die sie in ihrem
Leben um und bei sich sah, deren Unternehmungen sie förderte, denen sie
in Hamburg durch Rath und That eine Beschützerin wurde. Wenn ich
nicht irre, brachte Spohr seine erste Oper hier auf die Breter. Spvhr
hatte damals seinen Ruhm als Geigenvirtuosen so eben begründet und
seine Frau spielte trefflich Harfe daneben. So kamen Beide nach Ham¬
burg und ihr erster Gang war zu Emilie Schröder. Das junge Künst¬
lerpaar wurde damals von jenem romantischen Lichte umgeben, welches
spater auch von allen Spohr'schen Compositionen ausging. Der Virtuos
und die Virtuosin spielten damals im traulichen Kreise des Schröder-
schen Kaufmanns-Hauses und als Letztere eben zu jener Aelt auch zuerst
die Freuden einer Mutter kennen lernte, wurde Emilie Schröder ihr auch
in diesem neuen Verhältniß eine treue Pflegerin und Freundin. In den
letzten Jahren hat sie sich mehr dem stillen Kreise der weiblichen Milde
und Fürsorge zugeordnet, sie ist den Armen und der Armuth ebenso eine
Beschützerin geworden, wie früher in ihrer bewegteren Zeit den Künst¬
lern und der Kunst. Die Natur hat in ihr also eine gesunde Entwick¬
lung verfolgt.

Eine Freundin und Geistesverwandte der Emilie Schröder ist Frau
Therese von Bach eracht, die Tochter des hiesigen russischen Mini¬
sterresidenten von Struve, und die Gattin des russischen Staatsrathes
und Generalkonsuls von Bacheracht. Die Hamburger wußten nicht recht,
was sie zu der Erscheinung sagen sollten, als "Therese", von einem
Freunde in die Literatur eingeführt, zuerst mit ihrem "Tagebuch" als
Schriftstellerin auftrat. Auch wenn es seit Christine Westphalen fru^
her Schriftstellerinnen und Dichterinnen in Hamburg gegeben hatte.


nach Hamburg kamen. Ich wollte, Emilie Schröder schriebe einmal ihre
Memoiren, sie würden eine reiche Ausbeute für die Geschichte deutscher
Künstler darbieten. Aber ich glaube, dies wird leider nie geschehen, denn
Emilie Schröder ist dazu nicht eitel genug, oder zu furchtsam, zu rück¬
sichtsvoll und bescheiden, denn sie würde dann mit einer Periode begin¬
nen müssen, wo man sie in Hamburg nur die „schöne/' ja selbst die
„große Emilie" nannte, wo man die Reize ihrer Persönlichkeit und ih¬
rer geistigen Begabung voll Enthusiasmus in alle vier Winde hinaus¬
trug, und sich immer neue Schaaren von nahe und ferne um die Ge¬
feierte sammelten. Es summt mir, dem damaligen Buben, der kaum
der Wiege entlaufen war, noch jetzt um die Ohren, wenn ich jener Zeit
gedenke. Es war für Hamburg in gesellschaftlicher Beziehung überhaupt
damals eine rege, lebensvolle Aelt, die „französische Zeit/' wo mit der
Bildung und dem pariser Ton auch viel Lebenslust und Uebermuth her¬
über kam. Die ganze Stadtgcschichte wurde damals ein gesellschaftliches
Epos, das jetzt freilich wie ein Mährchen klingt oder verklungen ist, von
dem die Alten „nur noch einige" Strophen in der Erinnerung behalten
haben.

Aus dieser Aelt nicht allein, sondern auch aus späterer, dem jünge¬
rem Geschlechte naher liegenden Periode, wüßte Emilie Schröder so viel
des Interessanten, das sich um sie und neben ihr gruppirte, zu erzählen,
von Künstlern und Dichtern, von berühmten Mannern, die sie in ihrem
Leben um und bei sich sah, deren Unternehmungen sie förderte, denen sie
in Hamburg durch Rath und That eine Beschützerin wurde. Wenn ich
nicht irre, brachte Spohr seine erste Oper hier auf die Breter. Spvhr
hatte damals seinen Ruhm als Geigenvirtuosen so eben begründet und
seine Frau spielte trefflich Harfe daneben. So kamen Beide nach Ham¬
burg und ihr erster Gang war zu Emilie Schröder. Das junge Künst¬
lerpaar wurde damals von jenem romantischen Lichte umgeben, welches
spater auch von allen Spohr'schen Compositionen ausging. Der Virtuos
und die Virtuosin spielten damals im traulichen Kreise des Schröder-
schen Kaufmanns-Hauses und als Letztere eben zu jener Aelt auch zuerst
die Freuden einer Mutter kennen lernte, wurde Emilie Schröder ihr auch
in diesem neuen Verhältniß eine treue Pflegerin und Freundin. In den
letzten Jahren hat sie sich mehr dem stillen Kreise der weiblichen Milde
und Fürsorge zugeordnet, sie ist den Armen und der Armuth ebenso eine
Beschützerin geworden, wie früher in ihrer bewegteren Zeit den Künst¬
lern und der Kunst. Die Natur hat in ihr also eine gesunde Entwick¬
lung verfolgt.

Eine Freundin und Geistesverwandte der Emilie Schröder ist Frau
Therese von Bach eracht, die Tochter des hiesigen russischen Mini¬
sterresidenten von Struve, und die Gattin des russischen Staatsrathes
und Generalkonsuls von Bacheracht. Die Hamburger wußten nicht recht,
was sie zu der Erscheinung sagen sollten, als „Therese", von einem
Freunde in die Literatur eingeführt, zuerst mit ihrem „Tagebuch" als
Schriftstellerin auftrat. Auch wenn es seit Christine Westphalen fru^
her Schriftstellerinnen und Dichterinnen in Hamburg gegeben hatte.


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[0356] nach Hamburg kamen. Ich wollte, Emilie Schröder schriebe einmal ihre Memoiren, sie würden eine reiche Ausbeute für die Geschichte deutscher Künstler darbieten. Aber ich glaube, dies wird leider nie geschehen, denn Emilie Schröder ist dazu nicht eitel genug, oder zu furchtsam, zu rück¬ sichtsvoll und bescheiden, denn sie würde dann mit einer Periode begin¬ nen müssen, wo man sie in Hamburg nur die „schöne/' ja selbst die „große Emilie" nannte, wo man die Reize ihrer Persönlichkeit und ih¬ rer geistigen Begabung voll Enthusiasmus in alle vier Winde hinaus¬ trug, und sich immer neue Schaaren von nahe und ferne um die Ge¬ feierte sammelten. Es summt mir, dem damaligen Buben, der kaum der Wiege entlaufen war, noch jetzt um die Ohren, wenn ich jener Zeit gedenke. Es war für Hamburg in gesellschaftlicher Beziehung überhaupt damals eine rege, lebensvolle Aelt, die „französische Zeit/' wo mit der Bildung und dem pariser Ton auch viel Lebenslust und Uebermuth her¬ über kam. Die ganze Stadtgcschichte wurde damals ein gesellschaftliches Epos, das jetzt freilich wie ein Mährchen klingt oder verklungen ist, von dem die Alten „nur noch einige" Strophen in der Erinnerung behalten haben. Aus dieser Aelt nicht allein, sondern auch aus späterer, dem jünge¬ rem Geschlechte naher liegenden Periode, wüßte Emilie Schröder so viel des Interessanten, das sich um sie und neben ihr gruppirte, zu erzählen, von Künstlern und Dichtern, von berühmten Mannern, die sie in ihrem Leben um und bei sich sah, deren Unternehmungen sie förderte, denen sie in Hamburg durch Rath und That eine Beschützerin wurde. Wenn ich nicht irre, brachte Spohr seine erste Oper hier auf die Breter. Spvhr hatte damals seinen Ruhm als Geigenvirtuosen so eben begründet und seine Frau spielte trefflich Harfe daneben. So kamen Beide nach Ham¬ burg und ihr erster Gang war zu Emilie Schröder. Das junge Künst¬ lerpaar wurde damals von jenem romantischen Lichte umgeben, welches spater auch von allen Spohr'schen Compositionen ausging. Der Virtuos und die Virtuosin spielten damals im traulichen Kreise des Schröder- schen Kaufmanns-Hauses und als Letztere eben zu jener Aelt auch zuerst die Freuden einer Mutter kennen lernte, wurde Emilie Schröder ihr auch in diesem neuen Verhältniß eine treue Pflegerin und Freundin. In den letzten Jahren hat sie sich mehr dem stillen Kreise der weiblichen Milde und Fürsorge zugeordnet, sie ist den Armen und der Armuth ebenso eine Beschützerin geworden, wie früher in ihrer bewegteren Zeit den Künst¬ lern und der Kunst. Die Natur hat in ihr also eine gesunde Entwick¬ lung verfolgt. Eine Freundin und Geistesverwandte der Emilie Schröder ist Frau Therese von Bach eracht, die Tochter des hiesigen russischen Mini¬ sterresidenten von Struve, und die Gattin des russischen Staatsrathes und Generalkonsuls von Bacheracht. Die Hamburger wußten nicht recht, was sie zu der Erscheinung sagen sollten, als „Therese", von einem Freunde in die Literatur eingeführt, zuerst mit ihrem „Tagebuch" als Schriftstellerin auftrat. Auch wenn es seit Christine Westphalen fru^ her Schriftstellerinnen und Dichterinnen in Hamburg gegeben hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/356>, abgerufen am 23.07.2024.