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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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blicke, wo er es ergreifen wollte, rief ein Hauptmattn der Gensdarme-
rie ihm zu, er solle es nicht wagen, das Schwert mitzunehmen. Zu¬
gleich sah Wirth mehrere Flintenläufe auf sich gerichtet. Dies geschah
im Angesichte der Jury und der Richter. Der Staatsprocnrator bat
ihn, da er sich durch die Drohung nicht abhalten lassen wollte, von
dem ihm zustehenden Rechte Gebrauch zu machen, ihm das Schwert
anzuvertrauen; er gäbe das Ehrenwort, das Kleinod binnen einer
Woche zurück zu erstatten. Wirth bekam es auch in der That am
folgenden Tage zurück.

Aber was half dem kühnen Manne seine Freisprechung bei der
Unsicherheit der damaligen Rechtszustände. Die baltische Regierung
hielt ihn fest, und verfolgte denselben Mann auf zuchtpolizeilichem Wege,
dem sie ein Jahr früher eine Rathsftelle im Ministerium angeboten
hatte, weil sie von seinen tüchtigen nationalökonomischen und politischen
Kenntnissen, wie von seinem Einfluß bei der Oppositionspartei in der
Kammer und im Volke Nutzen zu ziehen hoffte. Wirth hatte diese
hohe Stellung, eingedenk dessen, was ihm als Redacteur des Inlan¬
des begegnet war, abgelehnt. Denselben, den man kurz zuvor zum Mi-
nisterialrath hatte machen wollen, klagte man jetzt als Hochverräther an. Auf
zuchtpolizeilichem Wege verurtheilte man ihn zu zweijähriger Gefängni߬
strafe. Ohne ihm die 22 Monate lange Untersuchungshaft anzurech¬
nen, ließ ihn die Negierung am 23. April 1834 in's Centralgefängniß
zu Kaiserslautern abführen. Hier mußte Wirth die Hausarbeiten ge¬
wöhnlicher Verbrecher verrichten, Wolle spinnen, stricken u. s. w., ob¬
wohl er nach dem von Feuerbach abgefaßten Strafrechte Baierns, als ein
wissenschaftlich gebildeter Mann, ausdrücklich davon freigesprochen war.

Als die zwei Jahre verflossen waren, führte man ihn zu einem
Kwöchentlichen Festungsarrest, zu welchem ihn ein altes Erkenntniß des
Oberappellationsgerichts zu Landshut verurtheilt hatte. -- Am 12ten
June 1534 kam Wirth endlich unter Gensdarmeriebedeckung wieder in
Hof an, nachdem er 4 Jahre weniger 4 Tage in den gemeinsten Ge¬
fängnissen geschmachtet hatte. Seiner ökonomischen Verhältnisse wegen,
wie auch aus Anhänglichkeit an seine Heimath, blieb Wirth einige
Zeit lang in Hof, trotzdem daß sein Aufenthalt daselbst durch die poli¬
zeiliche Aufsicht, welche väterlich über ihn wachte, grade nicht bedeu¬
tend verschönert wurde.

Dieser Aufenthalt Wirth's in seiner Heimath und die Geduld, mit
der er die Verfolgungen Baierns ertrug, veranlaßten Börne über den
unglücklichen Patrioten, seinen kühnsten, wie geistreichsten Gesinnung^


blicke, wo er es ergreifen wollte, rief ein Hauptmattn der Gensdarme-
rie ihm zu, er solle es nicht wagen, das Schwert mitzunehmen. Zu¬
gleich sah Wirth mehrere Flintenläufe auf sich gerichtet. Dies geschah
im Angesichte der Jury und der Richter. Der Staatsprocnrator bat
ihn, da er sich durch die Drohung nicht abhalten lassen wollte, von
dem ihm zustehenden Rechte Gebrauch zu machen, ihm das Schwert
anzuvertrauen; er gäbe das Ehrenwort, das Kleinod binnen einer
Woche zurück zu erstatten. Wirth bekam es auch in der That am
folgenden Tage zurück.

Aber was half dem kühnen Manne seine Freisprechung bei der
Unsicherheit der damaligen Rechtszustände. Die baltische Regierung
hielt ihn fest, und verfolgte denselben Mann auf zuchtpolizeilichem Wege,
dem sie ein Jahr früher eine Rathsftelle im Ministerium angeboten
hatte, weil sie von seinen tüchtigen nationalökonomischen und politischen
Kenntnissen, wie von seinem Einfluß bei der Oppositionspartei in der
Kammer und im Volke Nutzen zu ziehen hoffte. Wirth hatte diese
hohe Stellung, eingedenk dessen, was ihm als Redacteur des Inlan¬
des begegnet war, abgelehnt. Denselben, den man kurz zuvor zum Mi-
nisterialrath hatte machen wollen, klagte man jetzt als Hochverräther an. Auf
zuchtpolizeilichem Wege verurtheilte man ihn zu zweijähriger Gefängni߬
strafe. Ohne ihm die 22 Monate lange Untersuchungshaft anzurech¬
nen, ließ ihn die Negierung am 23. April 1834 in's Centralgefängniß
zu Kaiserslautern abführen. Hier mußte Wirth die Hausarbeiten ge¬
wöhnlicher Verbrecher verrichten, Wolle spinnen, stricken u. s. w., ob¬
wohl er nach dem von Feuerbach abgefaßten Strafrechte Baierns, als ein
wissenschaftlich gebildeter Mann, ausdrücklich davon freigesprochen war.

Als die zwei Jahre verflossen waren, führte man ihn zu einem
Kwöchentlichen Festungsarrest, zu welchem ihn ein altes Erkenntniß des
Oberappellationsgerichts zu Landshut verurtheilt hatte. — Am 12ten
June 1534 kam Wirth endlich unter Gensdarmeriebedeckung wieder in
Hof an, nachdem er 4 Jahre weniger 4 Tage in den gemeinsten Ge¬
fängnissen geschmachtet hatte. Seiner ökonomischen Verhältnisse wegen,
wie auch aus Anhänglichkeit an seine Heimath, blieb Wirth einige
Zeit lang in Hof, trotzdem daß sein Aufenthalt daselbst durch die poli¬
zeiliche Aufsicht, welche väterlich über ihn wachte, grade nicht bedeu¬
tend verschönert wurde.

Dieser Aufenthalt Wirth's in seiner Heimath und die Geduld, mit
der er die Verfolgungen Baierns ertrug, veranlaßten Börne über den
unglücklichen Patrioten, seinen kühnsten, wie geistreichsten Gesinnung^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/338>, abgerufen am 24.11.2024.