Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachdenkens, die Studien durchwachter Nächte, die Ausströmungen
einer reichen Menschenbrust mit einem dicken Span auszuwischen! --
Seht ihr das Meer, wenn es brüllende Orkane peitschen, wenn tau¬
send Blitze in seine dunklen Tiefen schlagen, wenn es tobt wie der
Sturm der Ewigkeit? So sah es ungefähr in meinem Innern aus." --'

Hier endet das erste und bis jetzt einzige Bändchen von Wirths
Denkwürdigkeiten. Nach einer mündlichen Mittheilung von ihm will
er sie nicht fortsetzen, weil das Publicum sie nicht lesen, nicht kaufen
will. Und doch war er grade der Mann, der mitten in den politischen
Bewegungen seiner Zeit stand, und gewiß viele Beziehungen und Ver¬
hältnisse allein kennt oder besser, als seine Zeitgenossen. Aber Wirth
ist verarmt; er hat Alles seiner Nation geopfert; seine Pressen sind
verkauft; er kann jetzt nicht mehr, wie früher etwas drucken lassen ohne
Aussicht auf Absatz. Die Nation sollte doch billig die mit Schweiß
und Blut erkämpften Erfahrungen ihrer edelsten Männer lesen, statt
jener geistlosen Romane, die man nur zum Vergnügen des Nachmit¬
tags, vor dem Einschlafen, auf dem Sopha in die Hand nimmt. --

Wirth legte die Redaction "des Inlandes" nieder, zog nach Hom¬
burg und schrieb dort zusammen mit 0>. Fein die "Tribüne", welche
besonders in der Vertheidigung der Preßfreiheit ihr Ziel sah. Am
meisten verdient hat sich dieses Blatt durch die Gründung des deut¬
schen allgemeinen Preßvereins gemacht, welcher die Unterstützung der
Preßfreiheit durch literarische und pecuniäre Mittel bezweckte, "und
welcher nächste Zweck das Mittel sein sollte," wie es in dem Erkennt¬
nisse des Appellationsgerichts Zweibrücken hieß, "für den weitern Zweck,
nämlich für die AufklärunH durch Wechselwirkung der Geister, um zum
klaren Bewußtsein und zur durchdringenden Erkenntniß Aller zu erhe¬
ben das Wahre, Rechte, Nützliche und Befriedigende für die gesell¬
schaftliche Ordnung des deutschen Gesammtvolkeö." Namentlich sollte
durch die Bildung einer öffentlichen Meinung eine moralische Macht
entstehen, welche in Ruhe und Frieden wachsen und als moralische
Macht gegen alle Rückschritte sichern und stärker sein soll, als jede
Macht, welche das Recht entziehen wollte, wozu denn immer nur die
Preßfreiheit gefordert wird

In Folge dieses Ausrufs zur Gründung des Preßvereins, der
besonders in Rheinhessen, Rheinbaiern, Baden un-d Franken lebhafte
Theilnahme fand, verbot am I. März 1832 Baiern die Tribüne, wie



*) Tribüne No. 6S. Freiburger Freisinnige Ur. 73.

Nachdenkens, die Studien durchwachter Nächte, die Ausströmungen
einer reichen Menschenbrust mit einem dicken Span auszuwischen! —
Seht ihr das Meer, wenn es brüllende Orkane peitschen, wenn tau¬
send Blitze in seine dunklen Tiefen schlagen, wenn es tobt wie der
Sturm der Ewigkeit? So sah es ungefähr in meinem Innern aus." —'

Hier endet das erste und bis jetzt einzige Bändchen von Wirths
Denkwürdigkeiten. Nach einer mündlichen Mittheilung von ihm will
er sie nicht fortsetzen, weil das Publicum sie nicht lesen, nicht kaufen
will. Und doch war er grade der Mann, der mitten in den politischen
Bewegungen seiner Zeit stand, und gewiß viele Beziehungen und Ver¬
hältnisse allein kennt oder besser, als seine Zeitgenossen. Aber Wirth
ist verarmt; er hat Alles seiner Nation geopfert; seine Pressen sind
verkauft; er kann jetzt nicht mehr, wie früher etwas drucken lassen ohne
Aussicht auf Absatz. Die Nation sollte doch billig die mit Schweiß
und Blut erkämpften Erfahrungen ihrer edelsten Männer lesen, statt
jener geistlosen Romane, die man nur zum Vergnügen des Nachmit¬
tags, vor dem Einschlafen, auf dem Sopha in die Hand nimmt. —

Wirth legte die Redaction „des Inlandes" nieder, zog nach Hom¬
burg und schrieb dort zusammen mit 0>. Fein die „Tribüne", welche
besonders in der Vertheidigung der Preßfreiheit ihr Ziel sah. Am
meisten verdient hat sich dieses Blatt durch die Gründung des deut¬
schen allgemeinen Preßvereins gemacht, welcher die Unterstützung der
Preßfreiheit durch literarische und pecuniäre Mittel bezweckte, „und
welcher nächste Zweck das Mittel sein sollte," wie es in dem Erkennt¬
nisse des Appellationsgerichts Zweibrücken hieß, „für den weitern Zweck,
nämlich für die AufklärunH durch Wechselwirkung der Geister, um zum
klaren Bewußtsein und zur durchdringenden Erkenntniß Aller zu erhe¬
ben das Wahre, Rechte, Nützliche und Befriedigende für die gesell¬
schaftliche Ordnung des deutschen Gesammtvolkeö." Namentlich sollte
durch die Bildung einer öffentlichen Meinung eine moralische Macht
entstehen, welche in Ruhe und Frieden wachsen und als moralische
Macht gegen alle Rückschritte sichern und stärker sein soll, als jede
Macht, welche das Recht entziehen wollte, wozu denn immer nur die
Preßfreiheit gefordert wird

In Folge dieses Ausrufs zur Gründung des Preßvereins, der
besonders in Rheinhessen, Rheinbaiern, Baden un-d Franken lebhafte
Theilnahme fand, verbot am I. März 1832 Baiern die Tribüne, wie



*) Tribüne No. 6S. Freiburger Freisinnige Ur. 73.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182758"/>
          <p xml:id="ID_937" prev="#ID_936"> Nachdenkens, die Studien durchwachter Nächte, die Ausströmungen<lb/>
einer reichen Menschenbrust mit einem dicken Span auszuwischen! &#x2014;<lb/>
Seht ihr das Meer, wenn es brüllende Orkane peitschen, wenn tau¬<lb/>
send Blitze in seine dunklen Tiefen schlagen, wenn es tobt wie der<lb/>
Sturm der Ewigkeit? So sah es ungefähr in meinem Innern aus." &#x2014;'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_938"> Hier endet das erste und bis jetzt einzige Bändchen von Wirths<lb/>
Denkwürdigkeiten. Nach einer mündlichen Mittheilung von ihm will<lb/>
er sie nicht fortsetzen, weil das Publicum sie nicht lesen, nicht kaufen<lb/>
will. Und doch war er grade der Mann, der mitten in den politischen<lb/>
Bewegungen seiner Zeit stand, und gewiß viele Beziehungen und Ver¬<lb/>
hältnisse allein kennt oder besser, als seine Zeitgenossen. Aber Wirth<lb/>
ist verarmt; er hat Alles seiner Nation geopfert; seine Pressen sind<lb/>
verkauft; er kann jetzt nicht mehr, wie früher etwas drucken lassen ohne<lb/>
Aussicht auf Absatz. Die Nation sollte doch billig die mit Schweiß<lb/>
und Blut erkämpften Erfahrungen ihrer edelsten Männer lesen, statt<lb/>
jener geistlosen Romane, die man nur zum Vergnügen des Nachmit¬<lb/>
tags, vor dem Einschlafen, auf dem Sopha in die Hand nimmt. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_939"> Wirth legte die Redaction &#x201E;des Inlandes" nieder, zog nach Hom¬<lb/>
burg und schrieb dort zusammen mit 0&gt;. Fein die &#x201E;Tribüne", welche<lb/>
besonders in der Vertheidigung der Preßfreiheit ihr Ziel sah. Am<lb/>
meisten verdient hat sich dieses Blatt durch die Gründung des deut¬<lb/>
schen allgemeinen Preßvereins gemacht, welcher die Unterstützung der<lb/>
Preßfreiheit durch literarische und pecuniäre Mittel bezweckte, &#x201E;und<lb/>
welcher nächste Zweck das Mittel sein sollte," wie es in dem Erkennt¬<lb/>
nisse des Appellationsgerichts Zweibrücken hieß, &#x201E;für den weitern Zweck,<lb/>
nämlich für die AufklärunH durch Wechselwirkung der Geister, um zum<lb/>
klaren Bewußtsein und zur durchdringenden Erkenntniß Aller zu erhe¬<lb/>
ben das Wahre, Rechte, Nützliche und Befriedigende für die gesell¬<lb/>
schaftliche Ordnung des deutschen Gesammtvolkeö." Namentlich sollte<lb/>
durch die Bildung einer öffentlichen Meinung eine moralische Macht<lb/>
entstehen, welche in Ruhe und Frieden wachsen und als moralische<lb/>
Macht gegen alle Rückschritte sichern und stärker sein soll, als jede<lb/>
Macht, welche das Recht entziehen wollte, wozu denn immer nur die<lb/>
Preßfreiheit gefordert wird</p><lb/>
          <p xml:id="ID_940" next="#ID_941"> In Folge dieses Ausrufs zur Gründung des Preßvereins, der<lb/>
besonders in Rheinhessen, Rheinbaiern, Baden un-d Franken lebhafte<lb/>
Theilnahme fand, verbot am I. März 1832 Baiern die Tribüne, wie</p><lb/>
          <note xml:id="FID_21" place="foot"> *) Tribüne No. 6S. Freiburger Freisinnige Ur. 73.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Nachdenkens, die Studien durchwachter Nächte, die Ausströmungen einer reichen Menschenbrust mit einem dicken Span auszuwischen! — Seht ihr das Meer, wenn es brüllende Orkane peitschen, wenn tau¬ send Blitze in seine dunklen Tiefen schlagen, wenn es tobt wie der Sturm der Ewigkeit? So sah es ungefähr in meinem Innern aus." —' Hier endet das erste und bis jetzt einzige Bändchen von Wirths Denkwürdigkeiten. Nach einer mündlichen Mittheilung von ihm will er sie nicht fortsetzen, weil das Publicum sie nicht lesen, nicht kaufen will. Und doch war er grade der Mann, der mitten in den politischen Bewegungen seiner Zeit stand, und gewiß viele Beziehungen und Ver¬ hältnisse allein kennt oder besser, als seine Zeitgenossen. Aber Wirth ist verarmt; er hat Alles seiner Nation geopfert; seine Pressen sind verkauft; er kann jetzt nicht mehr, wie früher etwas drucken lassen ohne Aussicht auf Absatz. Die Nation sollte doch billig die mit Schweiß und Blut erkämpften Erfahrungen ihrer edelsten Männer lesen, statt jener geistlosen Romane, die man nur zum Vergnügen des Nachmit¬ tags, vor dem Einschlafen, auf dem Sopha in die Hand nimmt. — Wirth legte die Redaction „des Inlandes" nieder, zog nach Hom¬ burg und schrieb dort zusammen mit 0>. Fein die „Tribüne", welche besonders in der Vertheidigung der Preßfreiheit ihr Ziel sah. Am meisten verdient hat sich dieses Blatt durch die Gründung des deut¬ schen allgemeinen Preßvereins gemacht, welcher die Unterstützung der Preßfreiheit durch literarische und pecuniäre Mittel bezweckte, „und welcher nächste Zweck das Mittel sein sollte," wie es in dem Erkennt¬ nisse des Appellationsgerichts Zweibrücken hieß, „für den weitern Zweck, nämlich für die AufklärunH durch Wechselwirkung der Geister, um zum klaren Bewußtsein und zur durchdringenden Erkenntniß Aller zu erhe¬ ben das Wahre, Rechte, Nützliche und Befriedigende für die gesell¬ schaftliche Ordnung des deutschen Gesammtvolkeö." Namentlich sollte durch die Bildung einer öffentlichen Meinung eine moralische Macht entstehen, welche in Ruhe und Frieden wachsen und als moralische Macht gegen alle Rückschritte sichern und stärker sein soll, als jede Macht, welche das Recht entziehen wollte, wozu denn immer nur die Preßfreiheit gefordert wird In Folge dieses Ausrufs zur Gründung des Preßvereins, der besonders in Rheinhessen, Rheinbaiern, Baden un-d Franken lebhafte Theilnahme fand, verbot am I. März 1832 Baiern die Tribüne, wie *) Tribüne No. 6S. Freiburger Freisinnige Ur. 73.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/335>, abgerufen am 24.11.2024.